Traktandenlisten und Rechnungen bestätigen, Neugewählte beklatschen, Zurückgetretene verdanken und verabschieden: Der Frühling ist die Zeit der General- und Delegiertenversammlungen. Wenn man bei vielen Organisationen, Interessenvertretungen und Vereinen dabei ist, muss man zwischendurch auch einmal «Mut zur Lücke» haben.

Wir können längst nicht jede Versammlung besuchen, an die wir eingeladen werden. Sonst würden Betrieb, Haushalt und Familie zu stark darunter leiden. Aber die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands wollte ich mir dieses Jahr nicht entgehen lassen und darum gönnte ich mir diesen «freien Tag».

Das muss man mal erlebt haben

Zum ersten Mal, seit ich im Kantonalvorstand bin, reiste ich vergangene Woche nach Bern ins Hotel National – dass es ein wettermässig etwas trüber Tag war, war mir gerade recht. Und ich sollte es nicht bereuen. Bereits der Empfang war herzlich, die «Züpfe» duftete und war auch sehr fein, der Saal war professionell hergerichtet und die Kantonalfähnlein wiesen jeder Delegation den Platz. Für mich war es ein tolles Erlebnis, gemeinsam mit den über 220 Delegierten und Gästen diese Versammlung miterleben zu dürfen – und jetzt weiss ich, warum es im Kantonalvorstand immer hiess: Das musst du mal erlebt haben.

Auch wenn das Essen von der Züpfe über die Leckerli auf dem Tisch bis zum Zmittag sehr fein und das ganze Ambiente im Theatersaal toll war, besonders beeindruckt hat mich etwas anderes. Und zwar die Professionalität, mit der die Delegiertenversammlung durchgeführt wurde. Nicht nur führte unsere Präsidentin Anne Challandes zweisprachig, stilsicher, mit Herzlichkeit und einer Prise Humor durch die Versammlung. Auch die Berichte aus den Kommissionen, von der Geschäftsstelle und die Grussworte waren interessant und unterhaltsam. Ich staunte auch über die rhetorischen Fähigkeiten aller, die ans Rednerpult traten. Nie wurde es monoton, nie langweilig – selten hatte ich zuvor so lange still gesessen, ohne Gefahr, einzunicken.

Denn wer kennt es nicht: Wenn man es gewohnt ist, fast den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, nickt man im Sitzen und beim Zuhören eher mal ein. Aber eben, nicht so an der Delegiertenversammlung des SBLV. Auch bei den Zahlen blieb es spannend: Selten war mir zuvor ein Minus in einer Verbandsrechnung derart charmant präsentiert worden wie von unserer Geschäftsführerin Kathrin Bieri.

Nur die Finanzen bereiten Sorgen

Die negative Rechnung war der vielleicht einzige Wermutstropfen am ganzen Tag. Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Versammlungen, an denen ich diesen Frühling war. Überall, wo sich tolle Persönlichkeiten mit Herzblut und Fleiss für unsere Landwirtschaft einsetzen, kämpft man mit den Finanzen – und es wird immer schwieriger, die so wichtige Verbandsarbeit angemessen finanzieren und entschädigen zu können, ohne die Basis zusätzlich finanziell zu belasten.

Manchmal frage ich mich, wohin das noch führen wird. Werden wir auch in Zukunft solch engagierte und professionell arbeitende Frauen und Männer in unseren bäuerlichen Gremien haben? Ich hoffe es. Sodass auch unsere Töchter einmal sagen können: Die Delegiertenversammlung des SBLV: Die muss man einfach einmal erlebt haben.

Zur Person

Unsere Kolumnistin ist Landwirtin EFZ, Bäuerin und Mutter von drei Mädchen im Alter zwischen 6 und 10 Jahren. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bio-Milchwirtschaftsbetrieb in Oltingen BL.
E-Mail: hofroeti(at)bluewin.ch