In vielen Frauenköpfen geht es höchst geschäftig zu und her. «Sie sehen mich zwar an, aber vielleicht machen Sie gleichzeitig den Menüplan für die nächsten Tage», sagte die Referentin Filomena Sabatella zu den Aargauer Landfrauen am Januarkurs in Frick. Die Psychologin und Therapeutin zeigte Wege aus der Falle des «Mental Load», dem endlosen Gedankenkarussell rund um Familie, Haushalt, Beziehungspflege und Organisation des Tagesgeschäfts.

Vorbilder und Erziehung innerhalb der Familie

Männer leiden nach Filomena Sabatellas Erfahrung viel weniger unter Mental Load. Nicht aus genetischen Gründen, sondern wegen Vorbildern und Erziehung, gesellschaftlichen Erwartungen und alteingespielten Arbeitsteilungen. Mehrheitlich kümmern sich Frauen um die vielen Rädchen, die das Alltagsgetriebe am Laufen halten, fühlen sich verantwortlich für Stimmungen und leisten Gefühlsarbeit. Diese grosse Aufgabe im Hintergrund ist unsichtbar, die Resultate sind kaum greifbar, Anerkennung dafür gibt es selten. Das belastet und frustriert.

Die ganze Bauernfamilie war betroffen

Mental Load ist immer und überall möglich, kann den Schlaf stören und Kopfschmerzen verursachen, zu Angst und Depressionen führen bis hin zum Burn-out. Filomena Sabatella sieht es auch als Ursache für Beziehungskonflikte: Die betroffene Frau fühlt sich nicht ernst genommen, allein gelassen, übernimmt als ständige Mahnerin und Nörglerin eine Rolle, die sie eigentlich gar nicht möchte. Das kann die ganze Familie belasten.

«Männer können keine Gedanken lesen»

Tückischerweise führt Mental Load auch zu oberflächlichen Erfolgserlebnissen nach dem Motto: «Nur ich habe das alles im Griff. Ohne mich läuft es nicht.» Dabei bekommen die Mitmenschen oft gar nicht erst die Chance, sich um etwas zu kümmern. «Männer können keine Gedanken lesen», sagte Filomena Sabatella – das weiss eigentlich jede Frau und seufzt dann doch wieder, «dass der das einfach nicht merkt».

Es gibt Wege aus der Falle von Mental Load: Abläufe hinterfragen, Arbeiten neu aufteilen, Gewohnheiten ändern. «Diese Veränderungen brauchen Zeit. Seien Sie nicht ungeduldig, starten Sie mit kleinen, realistischen Dingen», lautete der Ratschlag der Fachfrau.[IMG 2]

Raus aus der Falle

Folgende Schritte führen gemäss Filomena Sabatella aus der Mental-Load-Falle heraus:

Veranschaulichen: Probleme mit Partner/Familienmitgliedern zu einem geeigneten Zeitpunkt ansprechen, nicht in Stresssituationen. Keine Schuldzuweisungen machen, sondern die eigenen Gefühle erklären.

Bestandesaufnahme: Die Arbeit sichtbar machen. Z. B. eine Skizze zeichnen mit dem persönlichen Mental Load; eine Liste erstellen mit den Dingen, die tagsüber erledigt wurden.

Umverteilen: Die Aufgaben neu verteilen. Was kann ich delegieren? An wen kann ich etwas abgeben? Was kann ich sogar ganz weglassen?

Wissen teilen: Wer eine Arbeit abgibt, gibt auch seinen Erfahrungsschatz weiter und lässt die anderen nicht «dreinlaufen».

Ansprüche und Glaubenssätze überdenken: Wie perfekt muss es sein? Über Erwartungen sprechen und sinnvolle Standards festlegen. Den anderen etwas zutrauen.

Dranbleiben: Veränderungen brauchen Zeit, Rückschritte gehören dazu.

Weitere Informationen: www.mentalload.chwww.anyworkingmom.com

«Verantwortung abgeben und nicht kritisieren»
Maya Hochstrasser aus Birr hatte vor einigen Jahren ein Burn-out und kennt Mental Load nur zu gut: «Herunterfahren ging nicht mehr. Wenn du da nicht reagierst, rasselst du rein», erzählte sie in Frick von ihren Erfahrungen. Als eine Massnahme nach ihrem Zusammenbruch wurden die Arbeiten in der Familie neu verteilt.

Auf Kontrolle verzichten
Seither machen der Ehemann und die beiden Söhne ihre Wäsche selber. «Sie mussten sich an die neuen Abläufe gewöhnen und ich musste damit leben, dass es nicht perfekt nach meinen Vorstellungen ging, dass die Wäsche länger liegen blieb und weniger ordentlich zusammengelegt war. Verantwortung abgeben bedeutet, dass ich die anderen nicht mahne oder kritisiere und auf Kontrolle verzichte. Sonst habe ich die Aufgabe nicht wirklich abgegeben und bin im Kopf weiter damit beschäftigt.» [IMG 3]

Es funktioniert
Heute funktioniert die neue Arbeitsteilung im Haushalt gut und die Söhne sind froh über ihre hauswirtschaftlichen Kenntnisse. Um besser einschlafen zu können, begann Maya Hochstras­ser damals auch, im Bett noch eine Weile zu lesen. Am liebsten etwas weit weg von ihrem Alltag wie Science-Fiction. «Das hilft mir, herunterzufahren. Manchmal schaffe ich nur drei Seiten, bevor ich einschlafe.»