Frau Blum, gibt es Risikofaktoren, die einen Suizid wahrscheinlicher machen?

AboDa die Themen Depression und Suizid mit Scham bekleidet sind, ist es nicht immer einfach, das Gespräch zu suchen. Weder für die Betroffenen noch für Personen um sie herum.SuizidSuizid in der Familie: Eine Bäuerin erzähltMittwoch, 21. September 2022Nicole Blum: Begünstigende Faktoren für einen Suizid sind Erkrankungen, insbesondere eine bekannte oder unerkannte Depression. Aber auch Alkoholsucht, körperliche Probleme wie chronische Schmerzen oder eine lebensbedrohende Krankheit wie Krebs. Manchmal ist es der Verlust des Arbeitsplatzes, das Ende einer Beziehung oder der Tod von geliebten Menschen und/oder belastende Gefühle wie Schuld oder Scham, das Gefühl, anderen zur Last zu fallen. Meistens kommen mehrere belastende Ereignisse oder Faktoren zusammen, bis ein Mensch in so grosse Not kommt, dass er seinem Leben ein Ende setzen will.

Wie kann man vorbeugen?

Die allgemeine psychosoziale Gesundheit ist von grosser Bedeutung. Ein gutes Selbstwertgefühl, Perspektiven im Leben und im Beruf, aber auch Spiritualität und Religiosität fördern die Fähigkeit, belastende Ereignisse besser bewältigen zu können. Besonders wichtig ist die gute Einbettung ins soziale Netz mit tragfähigen Beziehungen.

Welches sind die Früherkennungszeichen einer suizidgefährdeten Person?

Viele gefährdete Personen sprechen im Vorfeld über ihre Gedanken. «Ich mag nicht mehr leben. Ich wäre lieber tot.» Oder indirekte Andeutungen wie «Ihr hättet es besser ohne mich». Wenn sich Menschen generell verändern, sich nicht mehr für früher wichtige Dinge interessieren oder sich zurückziehen. Auch das Regeln von Angelegenheiten oder das Verschenken von persönlichen Gegenständen können Anzeichen sein. Ist ein Mensch zum Suizid entschlossen, wirkt er möglicherweise wieder ruhiger und ausgeglichener. Die Mitwelt kann zum trügerischen Schluss kommen, es gehe wieder aufwärts.

Wie kann eine suizidgefährdete Person sich selbst helfen?

[IMG 2]Menschen in einer suizidalen Krise bekommen eine Art Tunnelblick und sehen keine andere Lösung mehr als den Suizid. Eigentlich wollen sie nicht sterben, sondern nicht mehr so leben wie im Moment. Es ist wichtig, nicht allein zu bleiben und Hilfe zu holen. Sich einer Vertrauens- oder Fachperson anzuvertrauen, zum Beispiel anonym bei der Organisation «Die Dargebotene Hand». Sie ist über die Telefonnummer 143 während 24 Stunden am Tag für Menschen in Krisen erreichbar. Es entlastet, über die Suizidgedanken zu reden.

Wie können Angehörige helfen?

Das Thema in ruhiger und sachlicher Weise ansprechen. «Kann es sein, dass du dir schon einmal überlegt hast, dein Leben selbst zu beenden?» Die Befürchtung, dadurch einen Suizid zu provozieren, ist falsch. Der betreffenden Person signalisieren, dass man für sie da ist. Sich Zeit nehmen und ganz für sie da sein. Zuhören, ohne zu moralisieren und Ratschläge zu geben, ist anspruchsvoll, wirkt aber sehr entlastend. Wenn möglich, kann behutsam Hilfe von aussen, etwa der Hausarzt, mobilisiert oder können Anlaufstellen genannt werden. Es kann hilfreich sein, für den suizidalen Menschen bei einer Fachstelle anzurufen oder ihn dahin zu begleiten.