Müde reibt sich das Kind den Schlaf aus den Augen. Das Pyjama hat es noch an, gefrühstückt wird beim Grosi. Schnell packt die Mutter noch das Kuscheltier der Tochter und den Milchschoppen für später ein. Im Auto ist es kalt und die Mutter muss erst das Eis von den Scheiben kratzen. Dann geht die Fahrt mit dem Auto los. «Mami, ich bin müde, ich möchte noch etwas schlafen», murmelt das Kind im Autositz und macht die Augen nochmals zu.

Solche Szenen erlebte Bäuerin Yvonne Vogelsanger vom Wannenhof in Beggingen jede Woche, wenn sie ihre Tochter Flurina zur eigenen Mutter ins 22 Kilometer entfernte Merishausen fuhr. Denn Yvonne Vogelsanger arbeitete in einem Büro ausserhalb des Betriebes.

Lange Tage

Abends kehrten die beiden wieder nach Beggingen zurück. Auf dem Hof war der Feierabend aber noch länger nicht in Sicht, es standen die liegengebliebenen Hausarbeiten an. Zudem wollte sie mit Florian, ihrem Mann, den Tag besprechen. Gab es heute Schwierigkeiten im Betrieb? Konnte Florian und dessen Vater das Heu noch rechtzeitig vor dem Gewitter einbringen? Vieles wurde am Familientisch besprochen, bevor der Tag dann zu Ende ging.

War es einfach für die Bäuerin, 40 Prozent auswärts Arbeiten zu gehen? «Es war machbar», sagt sie. Ein Tag in der Woche betreuten die Schwiegereltern das Kind, ein Tag ihre Eltern. Dies klappte wunderbar, bis das zweite Kind auf die Welt kam.

Sohn Lorin war geboren, Flurina sollte im kommendenSommer in den Kindergarten eingeschult werden. Da der Wannenhof zwei Kilometer bergaufwärts vom Dorf liegt, konnte die Kleine den Schulweg nicht selbstständig bewerkstelligen. Das Baby dann noch zur Grossmutter zu fahren, war schwierig. Die Schwiegereltern halfen im Betrieb mit, hatten aber bereits ihr Pensionsalter erreicht. Daher musste eine Lösung gefunden werden.

Schweren Herzens kündigte Yvonne Vogelsanger ihren Bürojob nach dem Ende des Mutterschutzes. «Es können nicht beide Partner ihre Ziele verwirklichen, einer muss zurückstecken», erklärt sie.

Neue Betriebsform

Zum Betrieb gehören ein Hühnermaststall mit rund 18'000 Tieren, Mutterkühe sowie eine kleine Schweinmastzucht. Dazu kam die Direktvermarktung von Pouletfleisch sowie Ackerbau. Der Hof hatte eine ordentliche Grösse erreicht. Für eine Arbeitskraft allein war es zu viel Arbeit, für einen zusätzlichen Festangestellten war der Betrieb zu klein.

Die Lösung fand Familie Vogelsanger, in dem sich die beiden in der AG einstellen liessen, die für den Hühnerbetrieb gegründeten wurde. Yvonne und Florian meldeten sich jeweils für den restlichen Betrieb als Selbstständige an. Damit erreichten sie ein verbindliches und geregeltes Arbeitsverhältnis und die Schwiegereltern durften den verdienten Ruhestand geniessen.

Yvonne Vogelsanger übernahm nun feste Arbeiten auf dem Hof, wie den Hühnerstall putzen, das Pouletfleisch für den Direktverkauf vorbereiten und die Kundschaft an den offenen Verkaufstagen bedienen. Dazu kamen weitere Arbeiten wie die Kühe täglich zu versorgen, Zäune versetzen, Gras mähen, die Buchhaltung des Betriebs führen, Haushalt und Kinder betreuen. «Ich habe oft die Handarbeit übernommen, welche ohne grosse Maschinen erledigt werden kann», erklärt sie schmunzelnd.

Am gleichen Strang

Yvonne Vogelsanger ist selbst auf einem Bauernbetrieb gross geworden. Sie weiss, wie viele zeitintensive Arbeiten auf einem Hof anfallen. Daher ist für sie klar, der Betrieb kann nur weiter bestehen, wenn alle am gleichen Strang ziehen.

Vermisst sie die Arbeit ausserhalb des Betriebes? «Gar nicht, es ist so viel stressfreier», antwortet sie auf die Frage. Gerade die Organisation der Kinder nahm für sie zu viel Zeit in Anspruch. Heute sind die Kinder eineinhalb Tage in der Woche durch die Grosseltern betreut und Yvonne kann sich der Betriebsbuchhaltung widmen. Für die Güterkooperation und die reformierte Kirche vom Dorf macht sie zusätzlich die Buchhaltungen und Büroarbeiten. Langeweile kennt sie nicht.

Wichtige Auszeit

Um den Kontakt zu anderen nicht zu verlieren und um auch einmal den Kopf zu lüften, geht die zweifache Mutter jeweils am Donnerstagabend in eine Fitnessstunde in ihrem Heimatdorf. Dort trifft sie ihre Freundinnen, erholt sich, tauscht sich aus und kommt meistens spät nach Hause. Diese Auszeit ist ihr heilig. Ihr Mann und ihre Terminplanung ermöglichen ihr diese Pause, meist sogar während des Hochbetriebs im Sommer.

Für Yvonne und ihre Familie hat sich die Lösung, zu Hause im Betrieb zu arbeiten, als stimmig für alle erwiesen. «Die Kinder sind nur einmal so klein», meint sie, während sich Sohn Lorin an sie schmiegt. Wie ihr Alltag in ein paar Jahren aussieht, wenn die Kinder grösser sind, mag sie sich noch nicht vorstellen. Doch sie hofft, dass die Grösse des Betriebes erhalten werden kann, oder er sogar noch wächst.

Was stimmt für uns?
Welches ist für unsere Familie und unseren Hof die beste Variante, um alles unter einem Hut zu bringen? Wer noch unsicher ist, wo seine Rolle im Betrieb ist, findet Hilfe auf der Website des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes SBLV. Die aufgelisteten Fachpersonen bieten Unterstützung an zu Themen wie Konflikt-Begleitung oder Entscheidungsfindung.
Weitere Informationen: www.landfrauen.ch