Wenn man Linus Lötscher fragt, warum er sich für einen Anbindestall und gegen einen Laufstall entschieden hat, wandert sein Blick zu seinem Sohn Adrian. «Die Kühe sind viel ruhiger im Anbindestall», sagt dieser überzeugt.

Auf genau 1000 m. ü. M. oberhalb der Strasse, die von Plaffeien FR Richtung Schwarzsee führt, stehen die rund 27 hornlosen Kühe seit Sommer 2012 im hellen, grosszügigen und mit viel Holz gebauten Anbindestall. Adrian Lötschers Argumente für den Anbindestall sind vielfältig, wobei vor allem eines heraussticht: «Die Tiere sind viel ruhiger im Anbindestall. Jede weiss, wo ihr Platz ist. Sie sind einfach wohl.»

Adrian ist selbst gelernter Landwirt und hilft rund 50 Prozent zu Hause auf dem Betrieb.  In einem seiner Lehrbetriebe seien die Rinder im Laufstall gehalten worden. «Es herrschte oft eine grosse Unruhe, das hat mir überhaupt nicht gefallen», so der junge Landwirt. Auch für die Präsentation der Tiere eigne sich der Anbindestall besser.

Der alte Stall genügte den 
Anforderungen nicht mehr

Neben dem Tierwohl hätten die mit dem Anbindestall tieferen Kosten sicherlich auch eine Rolle gespielt, sagen Vater und Sohn. Aber auch die Tiergesundheit war ausschlaggebend. Adrian ist überzeugt, dass die Klauengesundheit in Anbindeställen besser ist, als in Laufställen, in denen Kühe viel auf feuchtem Boden stehen würden. «Unsere Kühe müssen im Sommer auch längere Strecken auf Asphalt zurücklegen, dafür brauchen sie gesunde Klauen.»

Der junge Landwirt hat die Ausbildung zum Klauenpfleger absolviert. Seither macht er die Klauenpflege mit einem ausgeliehen Klauenstand selbst, normalerweise im Frühling. Probleme mit den Klauen hätten sie keine. Bei Bedarf kann es sein, dass er im Herbst nochmals die Klauen genauer anschaut.

Auch sonst beschreiben Lötschers ihre Swiss-Fleckvieh-Kühe als robust. Das typische Anbinde-Stall-Problem, dass sich die Kühe gegenseitig auf die Zitzen stehen, kennen Lötschers nicht. Da der Stall noch vor dem Kuhtrainer-Verbot gebaut wurde, kommt im neuen Anbindestall ein solcher zum Zug. Gemäss Vorschrift läuft er im Intervall. Ob die Alternative mit pneumatischen Nackenbügeln ebenfalls funktionieren, bezweifelt Adrian. Er weiss, wovon er spricht, da er selbst schon solche montiert hat.

Ebenfalls im Neubau Platz fanden die zwei Kälbergruppen. Die Rinder befinden sich jetzt im ehemaligen Kuhstall direkt beim Haus, der den Platzanforderungen der neuen Tierschutzverordnung für die Kuhhaltung nicht mehr genügte. Der Schorgraben im neuen Stall wird mit einer automatischen Entmistungsanlage entmistet.

Der grosszügige Laufhof eignet sich gut, um beim RAUS-Programm mitzumachen. Alle zwei Kühe verhindert ein Trenngitter auf dem Futtertisch, dass die Kühe beim Fressen das Futter hin und her verteilen. Die Kühe liegen auf reichlich Stroh. «Da wir steile Wiesen haben, ist es gut, wenn wir mit Mist düngen können und nicht auschliesslich mit Gülle», erklärt Linus Lötscher.

Bei der Zucht wird vor allem auf die Gehalte geschaut

Der heute 62-jährige Linus Lötscher hat im Jahr 1990 den Betrieb von seinem Vater übernommen. Seither ist der Betrieb stetig gewachsen. Heute umfasst die landwirtschaftliche Nutzfläche rund 35,5 ha. Dazu kommen noch 6 ha Sömmerungsfläche.

Wenn Adrian nicht zu Hause auf dem Betrieb ist, macht er auf anderen Betrieben die Ferienvertretung oder arbeitet bei seinem Onkel als Monteur, der eine DeLaval-Service-Stelle in Plaffeien führt.

Neben Linus und Adrian hilft auch die Frau des Hauses, Patricia auf dem Betrieb mit. In ihren Aufgabenbereich fällt das Tränken der Kälber, Misten, oder was sonst noch ansteht. Im Sommer hilft zudem noch ein Bruder von Linus, der während den Wintermonaten am Sklift arbeitet, auf dem Betrieb aus.

Milch wird zu Gruyère AOP verarbeitet

Hauptbetriebszweig ist die Milchwirtschaft, das Kontingent beträgt 132'000 kg. Die Milch wird in der Käserei im Nachbardorf zu Gruyère AOP verarbeitet. Aber erst seit einem Jahr. Davor wurde noch Emmentaler AOP produziert. Linus Lötscher ist erleichtert, dass der Wechsel zu Gruyère geklappt hat, hat er sich doch persönlich in den Verhandlungen engagiert. «Jetzt lohnt es sich wieder, langfristige Investitionen zu machen», so Lötscher.

Zusätzlich zum Einkommen aus der Milch können Lötschers immer wieder eine Kuh aus ihrem Bestand verkaufen, worauf sie sehr stolz sind. In ihrer Zucht legen sie in erster Linie Wert auf die Milchgehalte. Einige Kühe konnten sie sogar in die Ostschweiz verkaufen. Auf dem Betrieb kommt sowohl ein Muni wie auch der «Köfferlimuni» zum Einsatz. Mit ihren Rindern und Kühen machen sie auch an regionalen Schauen mit.

Ihr grösster Erfolg war der Miss-Rind-Titel an der Regio-Schau 2010 in Plaffeien. Dieses Rind habe sie auch mit den Nachkommen nicht enttäuscht, sind sich die beiden Züchter einig. Ebenfalls gefreut haben sich die zwei, als anlässlich einer Zuchtfamilienschau von swissherdbook, ihre Stammkuh Stern (Vater Vitelle) mit ihren Töchtern in die Klasse A eingestuft wurde. Auch für dieses Jahr haben sie eine angemeldet.

Lötschers sind überzeugte Anhänger des Swiss-Fleckviehs. «Diese Rasse eignet sich für unser Gebiet ideal», erklärt Linus Lötscher. In so steilem Gelände hätten sich all zu grosse Kühe nicht bewährt. Zwei schwarze Ausnahmen machen Lötschers: Adrian hat zum Abschluss eines Lehrjahres eine Holstein-Kuh geschenkt bekommen. «Die zweite habe ich selbst gekauft, zur Gesellschaft», sagt Adrian.

Der Tag der offenen Tür 
war ein voller Erfolg

Und wie hat das Umfeld auf den Anbindestall reagiert? «Alle haben versucht, es mir auszureden», schmunzelt Adrian. Aber er habe schlicht keine Freude an Laufställen. Für Linus Lötscher war klar, dass er den Wunsch des Sohnes und Nachfolgers berücksichtigen wollte. Beide haben den Entscheid für die Anbindehaltung noch keinen Tag bereut. Gerne spricht die Familie über den Tag der offenen Tür, der im Sommer 2013 durchgeführt wurde.

«An die 1000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz sind angereist» erzählt Linus Lötscher nicht ohne Stolz. Sogar aus dem Graubünden. Patricia Lötscher wurde vor besondere logistische Herausforderungen gestellt: «Am Nachmittag hatte ich keine einzige Bratwurst mehr und musste kurzfristig neue organisieren.» Der Anlass sei ein grosser Erfolg gewesen, sind sich die drei einig und ein Zeichen dafür, dass das Interesse an 
einer guten Anbindehaltung nach wie vor vorhanden ist.

Julia Schwery