An einem Mediengespräch in Bern haben Vertreter des Schweizer Tierschutzes (STS) und die grüne Nationalrätin Irène Kälin am Dienstag versucht, ihrer Forderung nach einem Zitzenverschliessverbot an Viehschauen Nachdruck zu verleihen. Über die Motion gleichen Namens wird morgen Mittwoch im Nationalrat debattiert und abgestimmt. Der Bundesrat hat sie bereits durchgewunken und zur Annahme empfohlen.

Kritik an der Expo Bulle

Die Motion (Wortlaut siehe Kasten) fordert ein komplettes Verschliessverbot, das heisst, auch das bisher im Ausstellungsreglement der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter (ASR) noch erlaubte Collodium wäre künftig genau so verboten, wie die bereits ausgeschlossenen Sekundenkleber.

In einer Medienmitteilung vom Mittwoch bezog sich der STS auf die Expo Bulle im März. Dort habe sich die Dringlichkeit für das Verbot erneut unter Beweis gestellt. Wieder seien Euter tropfdicht verklebt worden. Ebensowenig hätten sich die Praktiken beim Fitting geändert. Zudem seien die neuen Vorschriften bezüglich Ödemkontrolle ausgehöhlt worden, sagte STS-Tierärztin Julika Fitzi am Mediengespräch. Man habe nur ab Schweregrad zwei sanktioniert, leichte Ödeme seien aber geduldet worden, das sei inakzeptabel, so Fitzi.

"Verarbeiter warten auf Signal"

Kurz vor der Abstimmung über die Motion Kälin hat der STS seine Forderungen in Sachen Vorbereitung noch verschärft. Neu will man neben dem Verschliessverbot eine maximale Zwischenmelkzeit von 12 Stunden an Schauen. Dies entspreche den Zwischenmelkzeiten auf den Betrieben, an Schauen dagegen erhöhe man auf bis zu 24 Stunden Zwischenmelkzeit, dies habe erschreckende Folgen, so heisst es in einem Papier des STS zur Abstimmung der Motion.

Geht es nach Irène Kälin, bräuchte es künftig an Viehschauen keine überfüllten Euter mehr: Die Leistungen der Kühe werden detailliert dokumentiert, so die Motionärin, das reiche aus für eine Prämierung. 

STS-Geschäftsführer Stefan Flückiger erklärte, die Verarbeiter warteten geradezu auf ein Signal des Parlaments. Dieses habe es in der Hand, den wenigen extremen Züchtern den rechten Weg zu weisen. In der Tat dürfen sowohl die Verarbeiter wie auch die ASR auf eine gewisse Entlastung hoffen, wenn das Parlament hier für ein Verbot votiert. Bisher war man auf privatwirtschaftliche Lösungen angewiesen.

Elsa sanktioniert noch nicht

Die Migros-Verarbeiterin Elsa hat in ihren Nachhaltigkeitsrichtlinien bereits ein Verklebeverbot aufgenommen, hält sich mit Sanktionierung aber zurück, da individuelle Lösungen immer unbeliebt sind und die Konkurrenz bevorteilen können. Die ASR ihrerseits hat bereits vor Wochen erklärt, dass sie nach der jüngsten Verschärfung des Ausstellungs-Reglements vorläufig keinen Handlungsbedarf sieht. Wenn der Bund eine Verschärfung der Vorschriften anstrebe, müsste er diese selbst durchsetzen, so lautete der Tenor.

Sollte die Motion gutgeheissen werden, wäre laut Irène Kälin der nächste Schritt eine Anpassung der Tierschutz-Verordnung und letztlich eine Kontrolloberhoheit des Bundes an den Ausstellungen.

Die Behandlung der Motion war schon einmal traktandiert in der Frühjahrs-Session, die Behandlung wurde dann aber aufgrund von Krankheit der Motionärin verschoben. Sie erklärte am Mediengespräch, eine Prognose zum Resultat sei schwierig. Die Linke dürfte mehrheitlich dahinter stehen. Sie habe zudem "bis in die FDP" die Zusicherung von Ja-Stimmen. Bei der SVP rechnet sie nicht damit, bei der CVP weiss sie es nicht so recht.

Ritter und SBV sind gegen die Motion

SBV-Präsident Markus Ritter habe die Motion zwar nicht unterschrieben, er habe ihr aber versichert, dass sie mit seiner Unterstützung rechnen dürfe, sagte Kälin vor den Medien. Ritter seinerseits erklärt: "Ich sagte Ihr, dass ich die Problematik des Themas für die Landwirtschaft durchaus sehe. Ich möchte aber keine weiteren gesetzlichen Vorschriften für die Bauern. Daher werde ich die Motion nicht unterstützen". Auch der SBV empfehle, die Motion abzulehnen.

bauernzeitung.ch wird morgen ab 15 Uhr über die Verhandlungen im Nationalrat berichten.  

 

Die Motion Kälin

Titel:Zitzenverschliessverbot an Viehschauen

Text: Der Bundesrat wird ersucht, die Tierschutzverordnung dahingehend anzupassen, dass bei Rindern das Verschliessen von Zitzen jeglicher Art zu Schau- und Präsentationszwecken verboten wird.

Begründung: Die beliebte Tradition der Viehschauen gerät durch fragwürdige und oft tierschutzrelevante Manipulationen überehrgeiziger Züchter an Ausstellungskühen zunehmend in Verruf. Das wichtigste Kriterium an einer Milchviehschau ist das Euter. Deshalb werden die Tiere nicht mehr wie normalerweise alle zwölf Stunden gemolken, sondern die Zeit zwischen dem Melken wird ausgedehnt. Verschiedene Züchter dehnen diese so sehr aus, dass es für die Kuh schmerzhaft wird. Bei vielen Kühen tropft bereits vor dem Wettbewerb Milch aus den Zitzen. Um gute Wettbewerbsnoten zu erzielen, lässt man die Tiere leiden und verschliesst sogar die Zitzen - für die perfekte Symmetrie und damit die Milch nicht ausläuft. Sogar Sekundenkleber kam zum Einsatz, bis dieser verboten wurde. Aber nicht nur ist das Verkleben der Euter mit Sekundenkleber qualvoll, sondern jegliches Verschliessen der Euter gefährdet die Gesundheit der Kühe. Als Folge von überladenen Eutern belegen aktuelle Studien unter anderem verhärtete Euter, Euterödeme, erhöhte Zellzahlen in der Milch aufgrund entzündlicher Prozesse im belasteten Euter, Abduktion der Hinterbeine beim Gehen und erhöhte Corticoide-Werte im Blut (Stresshormon).
Es kann nicht sein, dass für eine perfekte optische Erscheinung tierquälerische Praktiken angewandt werden dürfen. Wenn der Bund die Viehschauen schon subventioniert, so soll er auch darum besorgt sein, dass diese ohne tierquälerische Praktiken über die Bühne gehen.