Wenn nicht effizient geweidet wird, entstehen Verluste. Dies berichtet Beat Reidy, Dozent für Graslandnutzung und Wiederkäuersysteme an der Berner Fachhochschule (BFH). Anlässlich der Veranstaltungsreihe «Brennpunkt Wiederkäuer» berichtete der Agronom über aktuelle Herausforderungen des Weidemanagements und zeigte auf, wie der Weidebetrieb mit neuen elektronischen Hilfsmitteln effizienter gestaltet werden kann.

Eine komplexe Aufgabe

Wie allgemein bekannt, ist Weidegras das günstigste Futter. Allerdings gilt dies nur, wenn die Weide gut und professionell gemanagt wird. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn es handelt sich um ein sehr dynamisches System, so Beat Reidy. Zusätzlich zu den Faktoren Boden und Pflanze, spielt auch das Verhalten des Weidetieres eine grosse Rolle. Das steigert die Komplexität deutlich. Eine gute Planung, aber auch eine ständige Anpassung seitens des Landwirtes ist notwendig.

Zauberwort Aufwuchshöhe

Der zentrale Erfolgsfaktor für ein erfolgreiches Weidemanagement ist eine gelungene Synchronisation des Graswachstums und des Futterbedarfs. Das Problem dabei sind die witterungsbedingten Schwankungen des Graswachstums. Der Landwirt muss also die Fläche die er pro Tier zur Verfügung hat entsprechend anpassen oder die Besatzstärke verändern, um diese Synchronisation zu erreichen. Die Aufwuchshöhe ist dabei ein wichtiger Faktor. Bei zu geringen Aufwuchshöhen kommt es

  • durch den mangelnden Futternachwuchs zu einer Reduktion der Produktivität, sowie
  • zu einer reduzierten Regenerationsfähigkeit der Pflanzen.

Eine zu hohe Aufwuchshöhe hingegen sorgt für

  • eine Zunahme von absterbendem Blattmaterial,
  • eine geringere Bestockung,
  • höhere und zunehmende Weideverluste, sowie
  • qualitative Einbussen durch höhere Rohfaseranteile.

Technische Hilfsmittel unterstützen den Landwirt dabei, sich weitestgehend kontinuierlich im Optimalbereich der Aufwuchshöhe zu bewegen und somit eine sauber abgefressene Weide mit konstanter Futterqualität und hoher Flächenleistung zu erhalten.

Rising Plate Meter soll Produktivität sicherstellen 

Zur Bestimmung der Aufwuchshöhe hat sich laut Beat Reidy ein Herbometer, auch Rising Plate Meter (RPM) genannt, etabliert. Mit diesem manuellen Gerät wird wöchentlich die komprimierte Grashöhe unter einer standardisierten Platte gemessen und somit die Pflanzendichte bestimmt. Dabei werden Zielhöhen definiert, die die maximale Produktivität sicherstellen sollen. Diese liegt bei einer Auftriebshöhe von etwa 12 Zentimetern und einer Abtriebshöhe von etwa vier Zentimetern.

Kalibration der Geräte berücksichtigen

Bei einer Kurzrasen- oder Standweide liegt die definierte Zielhöhe bei sechs bis acht Zentimetern. Gemessen wird die komprimierte Grashöhe durch das RPM-Gerät in Klicks, wobei ein Klick etwa 0,5 Zentimeter entspricht. Wichtig dabei: Wenn die komprimierte Aufwuchshöhe in den Trockensubstanz-Ertrag umgerechnet wird, muss die individuelle Kalibration der Geräte berücksichtigt werden.

Gemessener Erfolg in Grangeneuve 

Nach Einschätzung von Beat Reidy funktionieren solche bereits etablierten Systeme zur Bestimmung der Aufwuchshöhe gut und sind effektiv. Mit dem regelmässigen Einsatz des RPM auf einem Gutsbetrieb in Grangeneuve FR, sank die benötigte Fläche pro Tier durch effizienteres Weiden innerhalb von acht Jahren um fünf Aren.

Keine manuelle Berechnung mehr

Durch den Einsatz von digitalen Herbometern können als zusätzliche Hilfestellung bei Umtriebsweiden automatisch sogenannte «Futterkeile» berechnet werden. Diese, unter dem Namen «Grasshopper» bekannten Anwendungen, liefern eine Entscheidungsgrundlage darüber, wie die Weideflächennutzung im Jahresverlauf angepasst werden muss. Die vorhandene Biomasse der verschiedenen Umtriebsweiden wird anhand der vorher definierten idealen Aufwuchshöhe grafisch dargestellt. So kann der Landwirt entscheiden, welche Fläche als nächstes zur Beweidung freigegeben werden sollte.

Hilfe vom «Grasshopper»

Früher wurden die Futterkeile noch manuell berechnet. Dies ist dank der Grasshopper-Technologie nicht mehr nötig. Für die Berechnung der Futterkeile nutzt der Grasshopper das GPS-Signal des Handys und überträgt die Daten direkt auf eine darauf installierte Smartphone-App. Beat Reidy gibt allerdings zu bedenken, dass die zugrunde liegenden Algorithmen für die Berechnung der Trockensubstanz-Erträge noch nicht auf Schweizer Verhältnisse kalibriert wurden. Die Technologie wurde in Irland entwickelt, wo Raigras-Bestände ohne viel Klee vorherrschend sind. Deshalb warnt der Experte davor, diese Ergebnisse eins zu eins auf Schweizer Verhältnisse zu übertragen.

Die Drohne hilft von oben

Ein weiteres modernes Hilfmittel ist die Drohnentechnologie, mit der die Biomasse-Erträge grosser Flächen automatisiert und schnell geschätzt werden können. Zudem sei das System relativ günstig, einfach verfügbar und verschaffen einen Zeitgewinn, da man die Weideflächen nicht mehr selbst ablaufen muss, so Beat Reidy. Die Aufwuchshöhen-Messung mittels Drohne verspricht eine präzise Bestimmung, hat allerdings bei Raigras oder Weisskleeweiden einen Schätzfehler von 272 Kilogramm Trockensubstanz pro Hektare. Bei artenreichen Beständen liegt der Schätzfehler dieser modernen technologie wohl noch höher, so Reidy.  

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Mit der sich rasant entwickelnden Drohnentechnologie sollen die Biomasse-Erträge grosser Flächen automatisiert und schnell geschätzt werden. (Bild HAFL)

Technologien müssen an Schweizer Verhältnisse angepasst werden 

Eine weitere Drohnentechnologie nennt sich GrassQ und soll den Ertrag und den Proteingehalt von Wiesenfutter vorhersagen. Dazu liefert eine auf der Drohne montierte Multispektralkamera Bilder von der Weide. Diese werden auf der webbasierten Plattform GrassQ hochgeladen und ausgewertet. Aber auch hier liegt derzeit noch eine ungenügende Kalibrierung auf Schweizer Verhältnisse vor. Hierzulande seien die bestände durchmischt, wohingegen das System auf der Basis von Monokulturen entwickelt wurde, so Reidy.

Rasante Entwicklungen bei drohnengestützten Messungen

Generell entwickelt sich die drohnengestützte Messstechnik rasant. Hinderlich dabei ist der Transfer von grossen Datenmengen. Dies dürfte sich jedoch mit der Verfügbarkeit des 5G Standards verbessern, da dieser die Datenübertragung erleichtern wird.

Ausbaufähige Technologien

Eine für Wiesenfutter ebenfalls wichtige Technologie ist die direkte Bestimmung der Nährstoffzusammensetzung von frischem Pflanzenmaterial. Die sogenannten NIR-Geräte, die dafür notwendig sind, sollen genauere Aussagen über den Rohproteingehalt des Wiesenfutters beim einsilieren auf der Weide liefern. Die Geräte können zum Teil auf dem Häcksler angebracht werden und somit relativ direkt nach dem Schnitt erste Daten zur Nährstoffzusammensetzung liefern.

Manche Gadgets kann man sich noch sparen

Leider ist die Übereinstimmung der Ergebnisse der NIR-Geräte mit Labormessungen ohne zusätzliche Kalibrierung momentan ungefähr gleich gut wie die Nährwertschätzung mit Tabellenwerten. Die NIR-Geräte kann man sich zurzeit also noch sparen, denn man kann Nährstoffangaben noch genauso gut mit Tabellenwerten schätzen, rät Beat Reidy. Um dieses technische Hilfsmittel zum effizienteren Weidemanagement auch in der Schweiz gewinnbringend nutzen zu können, sind zusätzliche Kalibrierungen der NIR-Geräte notwendig.

Ständige Verbesserung und Entwicklung

Durch die Ergänzung solcher Standort-angepasster Kalibrierungen befinden sich die modernen Systeme unter ständiger Verbesserung. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass solche Anwendungen stets modellbasiert sind. Das heisst, sie stellen ein modelliertes Bild der Wirklichkeit dar. Um voll funktionsfähig zu sein, muss das modellierte Bild allerdings der Realität entsprechen und für spezielle Situationen zutreffend sein.

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Nicht optimal: Überweidete und unterweidete Stellen führen zu einer schlechten Flächenleistung und Produktivitätseinbussen. (Bild Beat Reidy)

Was passt zu wem?

Welches System letztendlich zu welchem Betrieb passt, hängt vom jeweiligen Nutzen der Anwendung, der Betriebsgrösse und der individuellen Affinität der Betriebsleitung ab, schlussfolgert Beat Reidy. Obwohl viele Systeme noch auf Schweizer Verhältnisse angepasst werden müssen, sind sie zukünftig vielversprechende Weidehelfer.