2020 importierte die Schweiz 9700 Tonnen Schlachthälften vom Rindvieh. Das entspricht 32 000 Kühen. Es fehlen aber nicht nur Schlachtkühe, sondern auch mastfähige Kälber. Warum ist das so? Derzeit stammen 80 % der Schlachttiere aus der Milchviehhaltung. Daran wird sich in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. Auch in Zukunft dürfte demnach das Rind- und Kalbfleisch zu rund drei Viertel aus dem Milchviehkanal stammen. Die daraus resultierenden Absatzeinbussen mit Bankkälbern werden von Bankrinder übernommen.

Rassen werden verdrängt

«Die Hochleistungskühe verdrängen weiterhin die heimischen Rassen», sagt Josef Dähler. Er ist ehemaliger Leiter Geschäftsbereich bei Bell. Heute setzt sich der Pensionierte aus persönlicher Überzeugung für die Simmentalerkuh ein. Er ist sicher, ihr Bestand müsste innert zehn Jahren verdoppelt werden. «Wir haben sie in den letzten 50 Jahren quasi zu Boden gefahren; das kann man nicht innert zwei Jahren wiedergutmachen – aber wir müssen den Trend rasch und deutlich umkehren», erklärt er gegenüber der BauernZeitung.

Milchpreis hat Einfluss

Die gestiegenen Milchpreise seien zwar erfreulich, sie würden aber den Trend hin zur Hochleistungskuh noch verstärken und die Zweinutzungskuh, zu der auch die Simmentaler zählt, weiter schwächen. Zudem gingen die Viehbestände noch weiter zurück, was mit einem zunehmenden Schlachtviehmanko einhergeht. So steigt der Importanteil mit guter Qualität und es besteht auch das Risiko, dass der Konsument das Fleisch direkt im Ausland holt. Ein weiteres unterschätztes Problem sei die Rassenaussage, erinnert Josef Dähler. Diese werde weiterhin nur aus der Mutterkuhhaltung möglich sein. Denn durch die Möglichkeit des Spermasexings wird bei Hochleistungsrassen die nicht benötigte Nachzucht mit Masttypen aus fremden Rassen produziert, was zu einem Kreuzungsprodukt führt. Und so wird das Fleisch auch nicht mit einer Rasse (Bsp. Swiss Black Angus von IP-Suisse) identifiziert. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht ersichtlich ist, die Simmentalerkuh ist einem Teufelskreis des Markts ausgesetzt. Sie kann sich in ihrem Ursprungsland nur halten, wenn ihre Zucht nicht weiter abnimmt. «Wir müssen die Milchbranche überzeugen, mittels Anreizen die Zweinutzungsrasse zu fördern», ist der Fachmann aus dem Fleischsektor sicher.

Österreich hält Fleckvieh

Heute ist die Rasse, die ihren Ursprung im Berner Oberland hat, in über 30 Ländern auf allen Kontinenten zu finden. Die Simmentaler Reinzucht, so wie man sie hierzulande kennt, ist allerdings einzigartig.

An vorderster Front für die Schweizer Rasse kämpft Ueli Schärz, Aeschi bei Spiez. Er ist Präsident der Rassenkommission Simmental bei Swissherdbook. Schärz weiss, in unseren Nachbarländern sieht die Situation in Bezug auf Hochleistungskühe etwas anders aus: «Österreich hat einen Anteil an Fleckvieh von 80 %. In Frankreich ist die Zweinutzungsrasse Montbéliard stark verbreitet.» Die Schweiz bilde mit einem derart hohen Anteil an Hochleistungskühen im Grunde eine Ausnahme. Für den leidenschaftlichen Simmentalerzüchter ist klar: «Wir müssen nach der Wirtschaftlichkeit züchten.» Und um das im Stall zu erreichen, sei eine langlebige Kuh mit gesunden Eutereigenschaften und einem «vernünftigen» Leistungspotenzial nötig. «Wir müssen das Optimale suchen», bilanziert Schärz. Und das auch innerhalb der Rasse. So seien immer mal wieder Anpassungen nötig. Derzeit ist beispielsweise die genetische Hornlosigkeit ein Thema. Bislang gibt es in der Schweiz nur ganz wenig genetisch hornlose reine Simmentaler. «Wir gehen davon aus, dass auf Biobetrieben das Enthornen weiterhin unter Druck gerät», sagt Schärz, der glaubt, dass es irgendwann zu einem Verbot kommt. Man müsse vorbereitet sein und nicht abwarten, bis ein entsprechendes Verbot in Kraft tritt. Doch die Suche nach diesem Merkmal der Hornlosigkeit wird für die Simmentalerzüchter kein einfaches Unterfangen sein. Ziel sei es, in zehn Jahren einen genetisch hornlosen reinen Simmentalerstier von hoher züchterischer Qualität im Angebot zu haben. Dafür braucht es aber vorerst noch einige Anstrengungen. Es würden mehrere Varianten geprüft, zum einen im Inland, aber auch mit reinen Tieren im Ausland, erklärt Schärz.

Swissgenetics hat seit mehreren Jahren genetisch hornlose Simmentaler im Angebot, wie Sire-Analyst Andreas Bigler auf Anfrage mitteilt. Bei diesen handelt es sich allerdings nicht um Code-60-Tiere. Wie Bigler sagt, werde in Deutschland ganz stark auf die Milchleistung geachtet, dort seien 10'000er-Leistungen keine Ausnahme.

Bio Suisse verfolgt

Das Thema enthornte Kühe kommt bei Bio Suisse tatsächlich immer wieder auf, wie auf Anfrage bestätigt wird. Für eine Verschärfung in diesem Bereich bräuchte es einen Entscheid der Delegierten. «Das Enthornen ist aus Sicherheitsgründen erlaubt. Gleichzeitig anerkennt der Verband auch, dass die individuelle Risikoeinschätzung nicht für jeden Betrieb gleich aussieht und dass Sicherheitsbedürfnisse von den betrieblichen Gegebenheiten und den individuellen Überzeugungen der Tierhalter geprägt werden», führt Bio Suisse weiter aus.

«Auf Biobetrieben wird das Enthornen unter Druck geraten.»

Die Vererbung der Hornlosigkeit
Das Erbgut jedes Tieres setzt sich aus den Informationen seiner Mutter und seines Vaters zusammen. Jedes Gen, die eigentliche Einheit der Erbinformation, liegt deshalb immer in doppelter Ausführung vor. Innerhalb eines Tieres können die beiden Ausführungen eines Gens identisch (homozygot) oder auch verschieden (heterozygot) sein. Die Information, ob einem Kalb Hörner wachsen werden oder nicht, ist auf dem Chromosom 1 an einem einzigen Genort namens «polled» codiert. Polled ist der englische Begriff für hornlos. Es existieren für diesen Genort zwei verschiedene Varianten: «P» = hornlos oder «p» = gehörnt. Demnach kann beim einzelnen Tier eine der folgende Kombinationen (Genotypen) vorkommen: PP, Pp, pP oder pp. Die Variante P, also hornlos, ist dominant über p. Das heisst: Alle Tiere welche mindestens ein P am Genort «polled» aufweisen (PP, Pp oder pP) sind demnach hornlos. Oder umgekehrt, alle Tiere mit Hörnern haben pp als Genotyp. Gelegentlich sind bei mischerbig hornlosen Tieren (Pp) verschieden grosse Hornwucherungen, Krusten oder hornähnliche Gebilde zu finden. Im Gegensatz zu echten Hörnern sind diese nicht mit dem Schädel verwachsen. Bei reinerbig hornlosen Tieren (PP) kommen Wackelhörner nicht vor.