"Viele Bauern lassen das Vieh im Frühling relativ lange im Stall. Aus Angst, dass sie sonst zu wenig Futter für den nächsten Winter ernten könnten", sagt Siegfried Steinberger. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal am Plantahof nicken einige Bauern kaum merklich mit dem Kopf. Das ändert sich als Steinberger fortfährt: "... und deshalb verfüttern sie in dieser Zeit das Winterfutter vom Vorjahr."

Nun müssen die Teilnehmer des Plantahof-Biotags schmunzeln, einige fangen an zu lachen. Ertappt! Ja, Steinberger kennt die Ängste der Bauern gut. Er ist schliesslich selbst einer und arbeitet zudem am Bayrischen Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft. Doch er hat gelernt die Weide neu zu denken. Deshalb steht für ihn ausser Frage, dass es sich, lohnt früh und viel zu weiden: "Betriebe, die konsequent weiden sind einfach erfolgreicher."

Weiden sobald die Fläche ergrünt

"Natürlich braucht man für die Heu-Ernte einen gewissen Massenertrag, damit sich der Aufwand für die Ernte lohnt. Bei einer Beweidung fallen jedoch keine Erntekosten an. Deshalb kann das Gras im optimalen Stadium vor der Stängelbildung im Drei-Blatt-Stadium, genutzt werden."

In dieser Phase ist die Verdaulichkeit am höchsten, das Futter am schmackhaftesten, der Energiegehalt am grössten. "Ist das Gras kürzer als eine Faust hoch ist muss man auch keine Angst vor Durchfall haben." Wenn Kühe wählen könnten gingen sie frühmöglichst auf die Weide.

Steinberger ermunterte die Bauern mit dem Weiden anzufangen, sobald die Fläche ergrünt. Das Gras sollte dabei so kurz sein, dass man den Klauenrand der weidenden Tiere noch sehen kann. Das ist übrigens keine neue Erfindung, sondern ein altes Prinzip, wie Steinberger anhand eines Schwarzweiss-Fotos aufzeigt.

Zahlreiche Vorteile

"Früher hatte man das Ziel möglichst viel Milch pro Hektar zu bekommen", lautet seine These, "doch dann kamen die Plaketten." Damit spielt er auf die Milchleistungsplaketten an, mit denen Kühe mit hoher Milchleistung ausgezeichnet werden. Wenn die Milchleistung pro Kuh im Zentrum stehe, verliere die Weide an Stellenwert.

Es ist eben einfacher die Milchleistung mit Mischrationen oder Kraftfutter zu erhöhen als mit grünem Gras. Dabei hat eine konsequente Kurzrasenweide zahlreiche Vorteile: Die Grasnarbe wird dichter, damit kann auch bei Nässe ohne Trittschäden geweidet werden.

Ausserdem lassen sich mit dieser Art Weideführung Problemunkräuter wie Blacken bekämpfen, das könnte auf einer Fläche des Plantahofs in der Ganda bestätigt werden. „Im Jugendstadium werden Blacken problemlos gefressen, da ist ihr Oxalsäuregehalt und der Fasergehalt tief.“ Dazu kommt, dass bei einer kurzgeweideten Fläche kein Nachputzen nötig ist, was wiederum den Aufwand und die Kosten senkt.

Progressiv und stur

Dass das System auch im Berggebiet funktioniert bestätigte Luzius Raschein wenig später am selben Anlass. Rascheins Betrieb liegt in Parpan in der Bergzone IV auf 1'500 Meter über Meer. „Früher hatten wir gleich viel Tiere, aber immer knapp Futter. Heute haben wir Futter im Überfluss und erst noch mehr Milch.“ Der Unterschied liegt allein im Weidemanagement. „Wir sind progressiv, aber auch stur“, sagt Raschein von sich und seiner Frau.

Nie lassen sie die Tiere länger als eine Woche auf einer Dauerweide. Und im Herbst wird nie bis auf den Boden geweidet. „Anfang Oktober ist Saisonschluss. Das Gras muss mit einem Pelz in den Winter gehen.“

Dafür wird mit der Frühlingsweide gestartet sobald das Gras fausthoch ist. Ist der Krautanteil einer Fläche zu hoch, fängt Raschein sogar noch früher an. Seine Erfahrung zeigt: „Korrekturen muss man im Frühjahr machen.“ Korrigieren tut er indem er überweidet. Dabei wählt er eine hohe Tierzahl auf kleiner Fläche mit kurzer Besatzzeit, maximal drei Tage. Nachher wird die Fläche gedüngt und geeggt. „So kann man den Krautanteil am besten reduzieren. Die Reife verzögert sich dadurch um etwa eine Woche.“

Auch Martin Bläsi aus Lenzerheide weidet kurzes Gras. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Als Mitglied der IG Weidemilch setzt Bläsi zusätzlich auf saisonale Abkalbung. Dass er Milch vor allem mit Weidegras produziert erfolgt nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen: „Mit einem Kilo Heu kann man 7,5 Deziliter Milch produzieren, mit einem Kilo Gras, in Trockensubstanz gemessen, dagegen einen ganzen Liter Milch.“

Heu-Ernte im Berggebiet deutlich teurer

Da die Heu-Ernte im Berggebiet drei bis sechsmal so teuer ist wie im Flachland ist für Bläsi die Weide der klare Favorit. Obwohl sein Betrieb ebenfalls auf 1'500 m.ü.M. liegt, beginnt die Weidesaison bei ihm zwischen dem 20ten und 30ten April. Ab Mitte Mai weidet er bereits Tag und Nacht. Bläsi hält Kiwi-Friesian, Kreuzungstiere, wie man sie im Weideland Neuseeland kennt. Je kleiner, desto lieber sind sie Bläsi, denn für ihn ist die Milchleistung in Relation zum Körpergewicht das Kriterium.

„Die optimale Kuh ist für mich 1,30 Meter gross, wiegt 500 Kilo und gibt 13,7 Kilo Milch pro Kilo Körpergewicht.“ Noch ist sein Bestand nicht ganz so weit, aber er hat auch erst vor 12 Jahren mit dem Umdenken angefangen. Dass seine Kühe saisonal abkalben hat mehrere Vorteile: „Wir brauchen weniger Winterfutter, der Melkstand und Tränkeautomat ist nicht so lange in Betrieb und ich spar mir die Ausgaben für einen Futtermischwagen.“

Da alle Kühe gleichzeitig galt sind kann er in dieser Zeit Ökoheu mit wenig Silage verfüttern und Melker-Ferien machen. Trotz der arbeitswirtschaftlichen Vorteile geht Bläsi davon aus, dass „das nie alle machen werden.“ Zum Glück für die Milchverarbeiter. Sie bekämen sonst – wie in Neuseeland – zwei Monate im Jahr keine Milch. Bläsi muss dafür in dieser Zeit in Kauf nehmen, dass er kein Milchgeld bekommt. Trotzdem geht die Rechnung für ihn auf: „Die Weide ist einfach das billigste Fütterungssystem.“

Eveline Dudda, lid