Das Thema "Nutztierschutz zwischen Markt und Politik" wurde an der 19. Nutztiertagung des Schweizer Tierschutz STS in Olten vom letzten Donnerstag sehr kontrovers diskutiert. Die grüne Nationalrätin Maya Graf erklärte, "dass für die meisten Schweizer Landwirte ökologischer Pflanzenbau und artgerechte Tierhaltung selbstverständlich sind".

Umso unverständlicher sei, "dass durch Importe Fleisch und Eier aus Massen-Tierhaltung oder aus tierquälerischer Produktion in den Verkaufsregalen landet", so Graf. Solche Produkte aus dem Ausland dürfen die Schweizer Landwirtschafts-Produkte nicht konkurrenzieren, darin waren sich alle Referenten einig.

Migros und Coop engagieren sich für das Tierwohl – und für den Landwirt?

So machten sich Bernhard Kammer vom Migros Genossenschafts-Bund und Damian Santschi von Coop zwar für mehr Tierwohl stark. Bei den über 180 Teilnehmern der Nutztiertagung kam es allerdings sehr schlecht an, dass sie konkrete Fragen nach einer gerechten Beteiligung der Landwirte am Erfolg der Tierwohl-Programme der Grosssverteiler nicht oder nur ausweichend beantworteten.

"Verdient wird je länger, je mehr an der Landwirtschaft – und nicht in der Landwirtschaft", brachte Anita Idel diesen Missstand auf den Punkt. Die deutsche Veterinärin und Buchautorin ("Die Kuh ist kein Klimakiller") kritisierte Wissenschaft und Politik, welche an der Realität vorbei forschten und politisierten.

Parallel zur Verbesserung des Tierwohls wollen Bundesrat und BLW mit dem Mercosur-Abkommen aber auch die Grenzen öffnen, so kurz zusammengefasst das Votum von Bernard Belk, neu Vizedirektor im BLW. Für Christof Dietler von der Agrarallianz kein Problem, "Natur, Umwelt und Tierwohl können durch offene Grenzen gewinnen".

Warum verlangt der Freihandel stets Bauernopfer?

Als Antipoden von Belk und Dietler schlossen der Ökonom Mathias Binswanger und Bauernpräsident Markus Ritter die Nutztiertagung. "Wir Schweizer Bauern tragen Sorge zu unseren Nutztieren", betonte Ritter. Und die Tierwohl-Label, die Förderprogramme des Bundes sowie die gut kontrollierten Tierschutz-Gesetze sorgten dafür, dass die Schweiz in dieser Beziehung weltweit führend sei.

Eine Grenzöffnung würde diese Errungenschaften genauso zunichte machen, wie noch schärfere Tierschutz-Vorschriften. Ritter nimmt die Konsumenten in die Pflicht: "Ich erwarte von den Konsumenten auch Taten – den Kauf von Lebensmitteln aus Label-Programmen mit zusätzlichen Tierwohl-Anforderungen. Alles andere ist nicht nachhaltig und nicht ehrlich".

Der Zwang, den Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte aufzuheben, sei hausgemacht und werde der Schweiz von keinem Land aufgezwungen. "Freihandelsabkommen brauchen nicht zwingend Bauernopfer. Der Bundesrat muss nur die Abkommen so verhandeln, dass auch weiterhin ein funktionierender Grenzschutz für Agrar-Produkte möglich ist», sagte Mathias Binswanger.

Jürg Vollmer