«Aussenklimahaltung kann vorteilhaft sein, aber es ist nicht automatisch positiv», sagte Martin Kaske, Leiter Präventiv- und Bestandesmedizin Kalb bei Rindergesundheit Schweiz (RGD) in Olten an der 24. Nutztiertagung des Schweizer Tierschutzes. Dieses könne auch ein «Stressor» sein. Er erwähnte Starkregen, Schneefall, Nebel und extreme Sonneneinstrahlung. In der Schweiz sei das Aussenklima häufig schlecht, so Kaske. Es gebe viele Regen- und Nebeltage.

Kühe und Kälber meiden garstiges Wetter

Die Vorgaben des Bundes (u. a. «möglichst viel Aussenklima») halte er deshalb für «durchaus problematisch», sagte der Tiergesundheits-Spezialist. Er präsentierte zum Vergleich Bilder von der Rigi mit hohem Andrang an einem Sonnentag und einer menschenleeren Terrasse bei Regen. «Auch Kühe und Kälber meiden widrige Bedingungen», sagte Kaske.  

Er beantrage deshalb, wie bereits kürzlich in einem Gastbeitrag für die BauernZeitung eine Anpassung in den RAUS-Anforderungen. «Der Kälbergesundheitsdienst (der Teil von RGD ist, Red.) beantragt, in Anhang 6, Teil 2 unter 2.7 für Jungtiere bis 120 Tage die aktuell bestehende Forderung nach einer minimal ungedeckten Fläche von 1,0 m2 ersatzlos zu streichen», sagte Kaske.

«Mehr Selbstverantwortung für die Bauern»

Theres Buchwalder vom STS-Kontrolldienst und Organisatorin der Tagung konterte, dass ein Kalb ja selber aussuchen könne, ob es sich im Iglu oder ausserhalb aufhalten wolle. Kaske replizierte, dass der Tränkekessel ja ausserhalb des Iglus an der Einzäunung aufgehängt sei, deshalb müsse das Kalb das Iglu auch bei Regen verlassen, zudem habe hohe Feuchtigkeit im Aussenraum negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden im Iglu.

Unterstützung erhielt Martin Kaske von Adrian Weber, Landwirt und Mitglied der Verwaltung von Swissherdbook. Es brauche dafür kein Luxusdach, eine einfache Konstruktion reiche. Es gehen hier nicht nur um die Feuchtigkeit, sondern auch um die Beschattung. Ein Iglu an der Sonne heize sich stark auf: «Kein Kalb will bei 50 Grad in ein Iglu», so Weber. Mit einem Dach werde auch die Betreuung vereinfacht. Der Züchter brach eine Lanze für seine Berufskollegen, ganz allgemein sollte man ihnen mehr Verantwortung übertragen bei der Betreuung ihrer Tiere, etwa auch in Sachen Auslauf im Berggebiet.

Zurückhaltender zeigte sich Beat Hauser von IP-Suisse (IPS). Die RAUS-Vorschriften sind unterdessen Teil der IP-Suisse Richtlinien. 931 Betriebe produzieren für die Organisation IPS-RAUS-Mastkälber, rund 25'000 Stück jährlich, noch vor wenigen Jahren waren es rund 35'000 Tiere. Auf die RAUS-Beiträge könnten die Produzenten aber trotz IP-Prämie unmöglich verzichten. Für diesen Schritt würden die Produzenten massiv höhere Prämien vonseiten der abnehmenden Grossverteiler benötigen, sagte Hauser. 

Ist das Iglu das effektive Problem?

Eine weitere Veranstaltungsteilnehmerin, Cornelia Buchli von der Fachstelle MuKa (Mutter-Kalbhaltung) fragte sich, ob das Problem tatsächlich das Aussenklima sei, oder ob man nicht viel eher das System Iglu grundsätzlich infrage stellen müsste. Stattdessen würde sich in ihren Augen Stallhaltung mit permanentem Auslauf anbieten. 

Zum Abschluss dieses Themas meldete sich Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband zu Wort. Er erinnerte daran, dass jegliche Bauten in der Landwirtschaftszone sehr schwierig zu realisieren seien. Das gelte auch für Iglu-Überdachungen und andere Konstruktionen. Er bat darum, den Fokus etwas zu öffnen, über Tierwohl und -gesundheit hinaus. «Es braucht einen verdammten Aufwand, alles zu berücksichtigen». 

«Hinten rechts muss es stimmen»
Martin Kaske präsentierte anlässlich der Nutzviehtagung des STS auch einige interessanten Zahlen zur Kälberhaltung. Die Wirtschaftlichkeit der Kälbermast sei ein zentrales Problem, denn geringer Ertrag erschwere den Einsatz für Tierwohl- und Gesundheit. Er bezifferte den Ertrag auf Fr. 1.20/Tag (144 Fr./Kalb à 120 Tage Mastdauer). Dabei sind die Kosten für Tierarzt, Arzneimittel und Stallamortisation noch nicht inbegriffen. Die genaue Berechnung findet sich im zweiten Bild oben. Gründe für den bescheidenen Profit sind laut Kaske u. a. hohe Preise für Tränker, Futter sowie hohe Margen im Detailhandel. Eine Verbesserung der Situation werde man aber nur erreichen, «wenn es hinten rechts stimmt».