Die Beiträge für alte Nutztierrassen wie das Appenzeller Spitzhaubenhuhn sollen aus den bestehenden Erhaltungsmassnahmen finanziert werden oder aber zu Lasten anderer Tierzucht-Beiträge gehen. (Bild Pro Specie rara) ZuchtStänderat verlangt Geld für Förderung einheimischer NutztierrassenDonnerstag, 3. Juni 2021 3,9 Millionen Franken zusätzlich für die Erhaltung einheimischer Nutztierrassen hat das Parlament im Rahmen des Voranschlags für das Jahr 2023 beschlossen. Es stehen also mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als zuerst gedacht und der Bundesrat nutzt sie unter anderem, um die Umlagerung aus Beiträgen für züchterische Massnahmen (Herdebuchführung, Zuchtwertschätzung und Durchführung von Leistungsprüfungen) zu kompensieren. Er hat aber auch die Spielregeln leicht geändert.

Deutlich höhere Beiträge

Nach der oben erwähnten Kompensation bleiben 0,75 Millionen Franken, die neu und unbefristet für die Erhaltungsbeiträge zur Verfügung stehen. Damit erhöht der Bundesrat die Beiträge für «gefährdete» (nicht «kritische») Nutztierrassen:

Rindergattung je Tier:

  • Männlich: 282 Franken (zuvor: 196.80 Franken)
  • Weiblich: 235 Franken (zuvor: 164 Franken)

Schweinegattung je Tier:

  • Männlich: 117.50 Franken (zuvor: 82 Franken)
  • Weiblich: 129.30 Franken (zuvor: 90.20 Franken)

Schafgattung je Tier:

  • Männlich: 79.90 Franken (zuvor: 55.80 Franken)
  • Weiblich mit Milchproben: 58.80 Franken (zuvor: 41 Franken)
  • Weiblich keine Milchproben: 40 Franken (zuvor: 27.90 Franken)

Ziegengattung je Tier:

  • Männlich: 79.90 Franken (zuvor: 55.80 Franken)
  • Weiblich mit Milchproben: 47 Franken (zuvor: 32.80 Franken)
  • Weiblich keine Milchproben: 40 Franken (zuvor: 27.90 Franken)

Drei Rassen sind zu gross

AboTierzuchtAlte Schweizer Rassen erhalten ab diesem Jahr einen finanziellen ZustupfFreitag, 27. Januar 2023 Welche Rassen in den Genuss dieser Prämien kommen, ist in der Tierzuchtverordnung mit einer ganzen Reihe von Kriterien festgelegt. Bisher galt für Rinderrassen mit Status «gefährdet», dass sie für den Erhalt der Beiträge höchstens 15'000 weibliche Herdebuchtiere zählen dürfen, bei Equiden, Schafen, Schweinen und Ziegen waren es 7500. Neu gilt für alle eine Eintrittsgrenze von 7500 weiblichen Herdebuchtieren für gefährdete Rassen bzw. 10'000 für kritische. Wobei die weiblichen Herdebuchtiere weiteren Kriterien genügen müssen:

  • Eltern und Grosseltern sind in einem Herdebuch der gleichen Rasse eingetragen oder vermerkt.
  • Blutanteil von 87,5 Prozent oder mehr der entsprechenden Rasse.
  • Mindestens eine Geburt im Herdebuch.

Mit diesen Anpassungen will der Bundesrat nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass die finanziellen Mittel mit einer möglichst grossen Wirkung eingesetzt werden. Zudem handle es sich um eine Vereinfachung, da es keine Unterscheidung mehr gibt je nach Gattung. Wie das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage schreibt, sind bis auf drei Ausnahmen alle Schweizer Nutztierrassen beitragsberechtigt. Die Herdebuchbestände des Weissen Alpenschafs, der Gämsfarbigen Gebirgsziege und der Edelschwein-Mutterlinie sind nach der gesetzlichen Definition aber zu gross, um von der Förderung zu profitieren.

Umlagerung 2024 unklar

Erstmals ausbezahlt werden die Erhaltungsprämien 2024. Ob ab nächstem Jahr die Beiträge für züchterische Massnahmen gekürzt werden, hängt vom Parlament ab: Sollte es für 2024 keine erneute Erhöhung des Pflanzen- und Tierzuchtkredits beschliessen, müssten rund 4 Millionen Franken bei züchterischen Massnahmen eingespart werden.


«Weniger Geld für Förderprojekte ist ein schwerer Fehler»

[IMG 2]Grundsätzlich befürwortet Pro Specie Rara (PSR) die Erhaltungsprämien für Haltung und Zucht seltener Nutztierrassen. «Wenn Landwirt(innen) für Biodiversitätsmassnahmen finanzielle Unterstützung erhalten, ist das nur konsequent», findet Philippe Ammann, stv. Geschäftsführer von PSR.

Weniger für Projekte

Doch es gibt einen Haken: Für die Finanzierung der neuen Beiträge sei das Budget für besondere Förderprojekte bei Schweizer Rassen stark reduziert worden, was Ammann als schweren Fehler beurteilt. Für die Erhaltungszucht enorm wichtige Massnahmen wie das Absamen seltener Stiere, Genanalysen zur Verhinderung von Inzucht oder die Konzeption von Tiervermittlungsplattformen fänden nicht im normalen Zuchtalltag statt. «Nun steht dafür weniger Geld zur Verfügung, was ein Rückschlag ist für die Förderung gefährdeter Rassen.»

«Nicht nachvollziehbar»

Welche Rassen von der Erhaltungsprämie profitieren, bestimmt der Bund mit einem eigens entwickelten Programm namens Genmon. «Es wertet Zuchtbuchdaten aus und teilt die Rassen in ‹gefährdet› und ‹kritisch› ein», führt Philippe Ammann aus. Es fliessen diverse gewichtete Parameter wie Inzuchtgrad, geografische Verteilung und das Geschlechterverhältnis mit ein. Was dabei herauskommt, sei für PSR und die Rassenvereine allerdings «absolut nicht nachvollziehbar».

Dass für die Vergabe der Prämien eine Eintrittsgrenze mit maximaler Anzahl weiblicher Herdebuchtiere eingeführt werden musste, unterstreicht nach Ammanns Meinung die paradoxe Situation: «Das Programm berechnet einen Gefährdungsgrad, die Rasse bekommt dann aber keine Unterstützung, weil es zu viele gefährdete Tiere der Rasse gibt.» Zurzeit zeige das BLW aber keinerlei Bereitschaft, die Berechnungsgrundlage von Genmon zu justieren.

Kriterien für PSR-Rassen

PSR selbst fördert alte, traditionelle Schweizer Landrassen mit einem landwirtschaftlichen respektive soziokulturellen Hintergrund in der Schweiz, die als gefährdet gelten. Für Letzteres gibt es laut Philipp Amman verschiedene Kriterien. So könne eine Rasse aufgrund absoluter Zahlen, negativer Bestandsentwicklung, spezieller geografischer Verbreitung oder auch Inzucht, geringem Anteil männlicher Zuchttiere oder hoher Fremdbluteinkreuzung gefährdet sein. PSR-Rassen fördert die Stiftung neben der Wissensvermittlung, einer Tiervermittlungsplattform und dem Zugang zu den Rassevereinen auch in gemeinsamen Projekten mit diesen Vereinen.

Mit dem Budget für «Projekte für Schweizer Rassen» kann sie das BLW unterstützen – wobei die Gelder wie oben erwähnt nun gekürzt worden sind. «V. a. für Bekanntmachung, Sensibilisierung und Wissensvermittlung rund um gefährdete Rassen sind wir darum auf Spendengelder angewiesen», hält Ammann fest. Nicht zuletzt gibt es von PSR ein Gütesiegel als Vermarktungslabel für Tierhalter. Der Hauptteil der finanziellen Mittel im Tierbereich stammen bei PSR aus Spenden, Tierpatenschaften, von anderen Stiftungen oder Sponsoren.

 

In Zahlen
3,9 Millionen Franken hat das Parlament zusätzlich für den Erhalt einheimischer Rassen beschlossen.
3,15 Millionen Franken wollte der Bundesrat aus den Beiträgen für züchterische Massnahmen umlagern.
0,75 Millionen Franken sollen neu und unbefristet für die Erhaltungsprämien zur Verfügung stehen.
4,75 Millionen Franken stehen in diesem Jahr für Erhaltungsbeiträge bereit.
660'000 Franken flossen 2021 vom Bund in
18 «Projekte für Schweizer Rassen»
43'500 Franken wurden für zwei Genetik-Forschungsprojekte zu Evolèner und Schweizer Ziegenmilch gesprochen
850'000 Franken zahlte der Bund für die Erhaltung der Freibergerrasse
38 Rassen unterstützt Pro Specie Rara (PSR)
7 PSR-Mitarbeiter(innen) sind im Tierbereich engagiert
3 Schweizer Rassen bekommen keine Erhaltungsprämien