Die Delegierten des Schweizerischen Freibergerverbands (SFV) kamen am 17. Oktober 2022 zahlreich nach Schönbühl, Kanton Bern. Auch wenn es nur um eine einzige Beschlussfassung ging, die Freiberger-Züchter füllten den Saal bis auf den letzten Platz. So segneten sie den Vorschlag des Vorstands, das Projekt zur Einführung von neuem Blut in die Rasse zu sistieren, ab. Der Entscheid fiel fast einstimmig aus – mindestens so deutlich, wie man das Projekt seinerzeit in Auftrag gab.
Situation hat sich verändert
Aber die Vorzeichen haben sich geändert. Ein möglicher Verlust der Stutenprämie, die künftig nur noch für Stuten mit max. 12,5 % Fremdblut hätte entrichtet werden sollen, setzte die Pferdezüchter unter ihrem Präsident Albert Rösti in Bewegung. Die Botschaft war klar, will man nicht riskieren, dass die Anzahl Fohlengeburten noch stärker abnimmt, müssen diese Prämien erhalten bleiben. «Wir wollen nicht mehr und auch nichts Neues», so Rösti – «wir wollen einfach, dass es so bleibt, wie es ist.»
Der SFV überbrachte daher am 2. Mai 2022 Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), seine Vernehmlassungsunterlagen mit einem Vierspänner. Albert Rösti erinnerte am Montagabend anlässlich der ausserordentlichen Delegiertenversammlung im bernischen Schönbühl, dass dieses Erscheinen der Delegation vor dem Bundesamt in Köniz Wirkung gezeigt habe. Denn normalerweise laufen diese Übergaben der Vernehmlassungsunterlagen am BLW digital ab.
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Grünes Licht von Bundesrat Parmelin
Wie Bundesrat Guy Parmelin in seiner Rede am Marché-Concours im jurassischen Saignélegier im August 2022 dann schliesslich kommunizierte, sollen die Freibergerstuten mit Fohlen auch künftig 500 Franken erhalten. Und dabei sollen alle Freiberger, die seit 1999 im Herdebuch eingetragen sind als beitragsberechtigt hinsichtlich der neuen Erhaltungsbeiträge gelten.
Im November entscheidet der Bundesrat
Wie das Bundesamt auf Anfrage mitteilt, wird der Bundesrat Anfang November 2022 über die Tierzuchtverordnungsanpassung im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2022 und somit über die Einführung von neuen Erhaltungsbeiträgen für Schweizer Rassen mit «kritischem» oder «gefährdetem» Status entscheiden. Details über die neuen Beiträge und die künftige Unterstützung der Freibergerrasse können erst nach dem Bundesratsentscheid kommuniziert werden.
Die Ampel steht aber bereits jetzt schon auf grün und das Festhalten an den Prämien scheint schon vor dem definitiven Beschluss des Bundesrats in trockenen Tüchern, wie SFV-Präsident Albert Rösti am Montag erklärte.
Auch wenn vom Bundesrat nicht explizit gefordert, liessen die Züchterinnen und Züchter ihr Projekt zur Fremdbluteinführung, mit dem sie die Zuchtkommission erst im Juli 2021 beauftragt hatten, an der ausserordentlichen DV vom Montag wieder fallen. Mit 124 Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen ist die Sache auch bei den Delegierten vom Tisch. Man sei quasi gezwungen, Ja zu stimmen, erklärte ein Züchter, es stehe einfach zu viel auf dem Spiel.
Artikel 24 muss weichen
Ein klares Opfer hingegen ist der Artikel 24 in der Tierzuchtverordung. Darin stand geschrieben, dass für die Erhaltung der Freibergerrasse jährlich ein zusätzliches Budget von 1'160'000 Franken ausgerichtet wird. Dass dieses Geld auch ohne entsprechenden Artikel fliesst, forderte ein Entgegenkommen des SFV. «Wir sind eine kritische Rasse und bekommen gleichviel wie bisher. Wir haben aber keinen gesonderten Artikel mehr und sind nun mit 32 weiteren Rassen gleichgestellt», so Rösti.
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Basis-Züchter fordern Fremdblut-Angabe im Pass
Ein weiterer Umstand, der diese neue Regelung mit sich bringt, ist, dass die bisher im Herdebuch eingetragenen Freiberger neu alle als reinrassig gelten. Das heisst, sie sind 100 % Freiberger und führten damit kein Fremdblut in ihren Adern.
Das brachte am Montag die Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Original Freiberger Pferdes (IGOFM) auf die Matte. «Seit nun bald 30 Jahren setzt sich die IGOFM für die Basiszucht ein. Das sind Pferde, deren Fremdblutanteil 2 Prozent nicht übersteigt», erklärte deren Präsident Bruno Spring.
Man akzeptiere bei der IGOFM, dass alle Freiberger im Herdebuch künftig als reinrassig gelten sollten. «Im Gegenzug fordern wir aber, dass der Fremdblutanteil jedes einzelnen Pferdes weiterhin auf dem Abstammungsschein ersichtlich ist. Zudem soll auch weiterhin das Prädikat Basis im Abstammungsschein ausgewiesen werden. Das Aufführen des Fremdblutanteils ist für die Zucht und den Erhalt der Basis relevant und dient zudem als Marketingzweck», so Spring.
SFV ist zuständig - nicht der Bund
Was auf dem Abstammungsausweis tatsächlich steht, liegt im Ermessen des Schweizerischen Freibergerverbands, wie das BLW auf Anfrage bestätigt. Das sei nicht Sache des Bundes, sondern des Verbandes. Ein entsprechendes Ausarbeiten dürfte nach der Verabschiedung der Verordnung im November durch den Bundesrat passieren.
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Befürworter wollen etwas unternommen haben
Auch von Seiten Befürworter von Blutzufuhr in die Freibergerrasse kamen Forderungen. So stellte der Pferdezuchtverein Birsthal einen Antrag, über den allerdings nicht abgestimmt wurde. Der SFV wird ihn aufnehmen und zuhanden der kommenden Delegiertenversammlung ausarbeiten. Birsthal hat die Erwartung, dass der Verbandsvorstand bezüglich des Einsatzes von neuem Fremdblut «etwas unternimmt».
Der Vorschlag des Vereins ist, dass der SFV-Vorstand per Delegiertenversammlung 2023 eine Anpassung des Zuchtprogramms und der Herdebuchordnung zur Abstimmung vorschlägt, damit:
- Kreuzungsfohlen unter klar definierten Voraussetzungen beurteilt und in einem speziellen Register des Studbooks eingetragen werden können.
- registrierten Nachkommen aus Kreuzungsprodukten, bei definierter Eignung, der Aufstieg ins Freibergerstudbook ermöglicht wird.
Was, wenn Rösti Bundesrat wird?
Das heisst, dass das Fremdblut für den SFV derzeit zwar vom Tisch ist, die Diskussionen dazu erwartungsgemäss aber weiterhin laufen werden.
Ob Albert Rösti sich damit noch weiterhin beschäftigen darf und muss, ist derzeit noch unklar. Sollte er am 7. Dezember 2022 in den Bundesrat gewählt werden, muss sich der SFV bereits wieder auf die Suche nach einem neuen Präsidenten oder einer neuen Präsidentin machen.