«Voilà – es ist ein Hobby», sagt Bruno Spring, lächelt verschmitzt und meint damit die Pferdehaltung. Viele Treuhänder und Betriebsberater würden Spring vermutlich beipflichten. Aber wenn der Mittfünfziger es auch so deklarieren mag – hier auf dem Hof der Familie Spring ist die Pferdehaltung weit mehr. Es geht um den Freiberger und die Hoffnung, ein Stück Schweiz zu erhalten. Ohne den Freiburger Landwirt, der vor mehr als 30 Jahren, blutjung, einen Hof kaufen konnte, hätte die Basiszucht der letzten noch existierenden Pferderasse womöglich bereits den Gnadenschuss erhalten.

Alltag und Leidenschaft

Es ist kurz nach Mittag, die Sommersonne brennt. Beim Eintreffen der BauernZeitung auf dem Hof in Jeuss herrscht emsiges Treiben. Junge Frauen und Mädchen grüssen freundlich und huschen vorbei. Sie tragen Sättel, Halftern oder Zaumzeug auf dem Arm. Auf ihren weissen Poloshirts steht «Freibergerzucht Spring Jeuss». Hier sind Pferde Selbstverständlichkeit, Alltag, Leidenschaft und Mittelpunkt – alles dreht sich um sie.

Voltigeur nur per Zufall gefunden

«Kommt mit», sagt Bruno Spring, gibt den jungen Frauen noch zwei Anweisungen, dann folgen wir ihm in die Stallungen. Als erstes begrüsst die «Grande Dame» der Zucht die Besucher. Sie ist die Mutter des gekörten Hengsts Condor, der mittlerweile im Besitz des Schweizer Nationalgestüts in Avenches VD steht. Vanda wurde bereits hier geboren. Die Voltigeur-Tochter hat bei Spring einen besonderen Status. «Ich habe Voltigeur damals gekauft, ohne zu wissen, was ich da vor mir stehen habe», erinnert er sich. Ein älteres Ehepaar wollte ihn platzieren. Spring machte ein fast unmoralisch tiefes Angebot. Er dachte, aus diesem Hengst würde es irgendwann ein Handelspferd geben, wie sie der Landwirt immer wieder auf dem Hof stehen hat. Voltigeurs Besitzer gingen wenige Stunden nach Springs Angebot auf das tiefe Gebot ein – der Hengst musste weg. Dass er beim Freiburger Landwirt bleiben würde, war aber nicht geplant. «Volti», wie Spring den Freibergerhengst ohne Fremdblut nennt, hat seine Zucht massgebend geprägt.

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«Der Freiberger ist eine gefährdete Haustierrasse»

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Freibergerpopulation nimmt laufend ab – die Rasse gilt schon länger als bedroht. Anlässlich der UNO-Konferenz von Rio (Brasilien) 1992 wurde das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, die CBD, geschaffen. Unter dieses Abkommen fällt auch das Freiberger Pferd, das als «gefährdete Haustierrasse» gilt und deshalb vor dem Aussterben bewahrt werden soll, wofür sich die Schweiz verpflichtet hat. Gründe für die Abnahme der Zuchtzahlen sind die fehlende Rentabilität, die Überalterung der Züchter und die teils starke Konkurrenz auf dem Freizeitmarkt.

Es fehlen die jungen Männer

Wer die Zucht einmal aufgegeben habe, sei kaum bereit, sie wieder aufzunehmen, sagt Spring. Zudem fehle es an jungen Männern. Die Landwirte interessierten sich weniger für Pferde als früher. Die Pferde seien heute weitgehend Frauensache geworden. Das bereitet Spring keine Mühe, er hat mit Carola und Tanja selbst zwei Töchter, die am liebsten Reithosen tragen. «Wir dürfen einfach die Zucht nicht vergessen», sagt er; insbesondere jene der Freiberger mit tiefem Fremdblutanteil. 

Stuten laufen auch in der Reitschule

Hier in Jeuss jedenfalls wird die Zucht vorerst einmal noch nicht vergessen. Aus jeder zweiten Boxe schaut ein Fohlen über die offene Boxentüre. Ihre Mütter verbringen viel Zeit mit ihrem Nachwuchs auf der Weide. Daneben haben sie ihre Aufgabe in der Reitschule, die in der Region sichtbar auf grossen Anklang stösst. Zwischendurch gibt es auch ein Präsentation für die Besucher auf dem Hof.

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Milch für Vacherin-Käse

Auf dem Weg zurück nach draussen, wo auf die heutigen Gäste des Pferdezuchtvereins Unteremmental eine Vorstellung wartet, geht es auch am Kuhstall vorbei. Für einen kurzen Einblick in den Anbindestall, wo mehrheitlich Holsteinkühe stehen, reicht die Zeit. Aus der Milch der rund 26 Kühe wird Freiburger Vacherin produziert. Zum Betrieb, den Spring seinerzeit mit 6 ha Land kaufen konnte, gehören heute 26 ha Land. Ein weiterer wichtiger Betriebszweig seien die Legehennen. «Wir vermarkten die Eier direkt», so der Landwirt, den es schon wieder zu den Pferden raus zieht. Dort ertönt das laute Wiehern von Condor. Der Gestütshengst ist heute ebenfalls Gast – wie die Unteremmentaler.

Die Basis und die Reinen

Bruno Spring ist Präsident der Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Original Freiberger Pferdes (IGOFM). Die Organisation wurde 1996 gegründet, um die Interessen jener Züchter zu wahren, die Freiberger mit möglichst tiefem Fremdblutanteil anstreben.

«Die Bezeichnung Original Freiberger Pferd darf ein Freiberger tragen, wenn sein Fremdblutanteil zwei Prozent nicht übersteigt», definiert die IGOFM seit 1998. Das heisst: wenn in 6. Generation ein Hengst mit 100 % Fremdblut vorkommt (und die übrigen Ahnen «rein» sind), hat das entsprechende Pferd einen Fremdblutanteil von 1,5 %. Damit entspricht es der Definition Original Freiberger.

Im Dezember 2001 hat die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Freibergerverbands für diese Pferde die Kategorie Basis in der Herdebuchordnung gutgeheissen.

2008 kam es in Les Reusilles JU zur Gründung des Eidgenössischen Verbands des reinrassigen Freiberger Pferdes (RRFB). Die Mitglieder dieser Organisation, die als Sektion des Schweizerischen Freibergerverbands gilt, warf der IGOFM zu wenig Erfolg mit ihrem Anliegen vor. Der RRFB duldet kein Fremdblut in den Adern ihres Urfreibergers. Man wolle Genetik des Freibergerpferdes mit einem Gen-Pool bis ins Jahr 1950. Daneben gibt es noch alle anderen Freiberger Pferde, die – wie die Basis-Pferde oder Urfreiberger – im Herdebuch des SFV eingetragen sind. Bei ihnen wird der Fremdblutanteil (ab 1950) in Prozent ausgewiesen. Bei jenen Pferden, bei denen er über 12,5 % liegt, droht eine Streichung der Zuchtförderung. Der definitive Entscheid des Bundesrat dazu dürfte bald kommen.