Das Kantonsparlament in Chur überwies am Dienstag mit 73 zu 39 Stimmen einen Vorstoss, der gestützt auf die polizeiliche Generalklausel von der Regierung verlangt, das gesamte Beverin-Rudel samt Welpen «zu entnehmen». Ins Visier genommen werden sollen zudem weitere verhaltensauffällige Wölfe.

Voraussetzung: Gefährdung von Leib und Gut

Die polizeiliche Generalklausel ermöglicht theoretisch ein Handeln ohne gesetzliche Grundlage. Voraussetzung ist aber eine sehr grosse Gefährdung von Leib und Gut. Diese Vorgabe ist kaum dehnbar.

Die Regierung wollte den Vorstoss mit Hinweis auf die fehlende gesetzliche Basis des Kantons in einer weniger radikalen Form entgegennehmen. Das wurde vom Parlament ignoriert. Er wolle nicht, dass der Kanton Graubünden «zum Wilden Westen» werde, sagte Gian Michael (Mitte), der Erstunterzeichner des Vorstosses. In abgeschwächter Form wolle er seine Eingabe jedoch nicht an die Regierung überwiesen haben.

Regierungsrätin Carmelia Maissen (Mitte) hatte in der Debatte vergeblich betont, der Handlungsspielraum des Kantons sei extrem klein. Bei geschützten Arten sei der Bund der abschliessende Gesetzgeber. Das sei wie bei den Tempolimiten auf Autobahnen.

Maissen sagte weiter, das neue und noch nicht in Kraft getretene eidgenössische Jagdgesetz sehe eine «proaktive Regulierung» der Wölfe vor. Auch die Entnahme eines ganzen Rudels sei dann möglich.

Parlament will Zeichen setzen

Der Vorstoss, der auf ein selbständiges Vorgehen des Kantons Graubünden in der Wolfsregulierung zielt, wurde von über der Hälfte der Ratsmitglieder unterzeichnet. Mit dessen Überweisung solle ein Zeichen gesetzt werden, hiess es mehrmals.

Nicht unterstützt wurde das Ansinnen von SP-Seite. Die Partei setzt eigenen Angaben zufolge auf die von den eidgenössischen Räten verabschiedete Revision des Jagdgesetzes.

Das Beverin-Rudel, das um den Mittelbündner Piz Beverin bei Thusis streift, ist letztes Jahr mehrmals durch ein aussergewöhnlich aggressives Jagdverhalten aufgefallen. Dokumentiert sind Angriffe auf Schafe, Ziegen, Kälber und Esel. Das Fass zum Überlaufen brachten vergangenen Sommer Angriffe auf zwei Mutterkühe am Schamserberg.

Der Leitrüde M92, ein besonders aktiver Jäger, wurde zwar im November letzten Jahres bei Tenna im Safiental nach einem Angriff auf Schafe geschossen. Aus dem Wolfs-Monitoring hätten sich aber keine Hinweise darauf ergeben, dass sich die soziale Organisation des Rudels dadurch verändert habe, teilten die Bündner Behörden anschliessend mit.