Mit dem Sommer kommen die heissen Tage. Hohe Temperaturen setzen den hitzeempfindlichen Kühen in Ställen stark zu. Um Hitzestress zu vermeiden, ist für eine ausreichende Luftzirkulation zu sorgen: Genügend Frischluft muss zu- und die schadstoffbelastete Luft abgeführt werden.
Dass nicht immer tief in die Tasche gegriffen werden muss, um das Stallklima erheblich zu optimieren, zeigte sich kürzlich am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) in Flawil. Etwa 65 Gäste folgten der Einladung zur Weiterbildung und besuchten die Tagung «Stallklima optimieren».
Wärmeproduktion der Kuh
Eine Kuh produziert mittels ihres Verdauungsapparates eine grosse Menge an Wärme. Durch die kontinuierliche Futteraufnahme ist das Tier gezwungen, die fabrizierte Wärme wieder in die Umgebung abzuleiten: zum Beispiel über Radiation, Atmung oder Schwitzen. Sind die Temperaturen nun zu hoch, ist ein solches Ableiten nicht mehr möglich. Ergo versucht die Kuh sich anders zu behelfen, indem sie die Wärmeproduktion drosselt. «Sie wird dann weniger Nahrung zu sich nehmen, was schliesslich zu einer geringeren Milchleistung oder auch zu Fettabbau bis hin zu Acetonämie führt», betont Markus Sax von Agroscope.
Feuchtigkeit regulieren
Eine Optimierung des Luftaustausches ist nicht nur hinsichtlich der Wärme- und Schadstoffbildung im Stall entscheidend, sondern auch mit Bezug auf
eine ungewollte Feuchtigkeitsanreicherung anzustreben. Denn Kühe stossen täglich eine grosse Menge an Wasserdampf aus. «Bei hohen Temperaturen produzieren 20 Kühe im Stall bis zu 800 Liter Wasserdampf pro Tag», bestätigt Christian Manser vom LZSG.
Überschüssige Feuchtigkeit im Stall bietet nun nicht nur Keimen und Schimmelpilzen einen geeigneten Nährboden, was sich sowohl auf die Tiergesundheit als auch die Bausubstanz negativ auswirkt, sondern verhindert zusätzlich, dass sich die Kühe abkühlen können. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte einen Grenzwert von 80 Prozent nicht überschreiten.
Kuhsignale richtig verstehen
Die Tiere zeigen relativ deutlich an, wenn ihnen das Stallklima nicht zusagt. Ein erstes kritisches Signal zeigt sich bei einer Erhöhung der Atemfrequenz. «Eine nicht gestresste Kuh atmet ruhig und tief. Mehr als 30 Atemzüge pro Minute sind schon ungewöhnlich. Ab einer Frequenz von 40 wird es kritisch», bemerkt Christian Manser. Auch ein Indiz für einen unzureichenden Luftaustausch im Stall ist der Aufenthaltsort der Kühe. Sammeln sich diese an einem bestimmten Ort, wo augenscheinlich Frischluft zugeführt wird, zum Beispiel an Furchen in der Stallwand, geben die Kühe zu verstehen, dass ihnen die Schadstoffbelastung im Stall zu hoch ist.
Christian Manser spricht diesbezüglich von einem beobachtbaren «Frische-Luft-Suchverhalten» der Tiere. Doch das kritischste Signal für schlechte Luftqualität, gepaart mit ungeeigneten Liegesystemen, sieht dieser dann angezeigt, wenn die Kühe auf dem Stehhof liegen anstatt ihre Liegeboxen aufzusuchen: «Gute Luft in den Liegeboxen ist entscheidend.»
Kühlung mit Wasser
Nun bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, wie das Stallklima entscheidend verbessert werden kann. Geht es vorab primär darum, den Kühen an Hitzetagen mittels Wasser etwas Kühlung zu verschaffen, können einfache Sprinkleranlagen oder komplexere, teurere Hochdruckvernebelungsanlagen Abhilfe schaffen. Der HAFL-Student Manuel Gisler konnte ein Projekt begleiten, bei welchem eine Globogal-Vernebelungsanlage in einem Anbindestall montiert wurde. Diese läuft mit 70 Bar Druck und braucht dabei sehr wenig Wasser. «Der Kühlungseffekt war sehr gut. Wir konnten eine Temperatursenkung um drei bis vier Grad Celsius erreichen», bemerkt Gisler.
Wichtig bei einer Kühlung mit Wasser ist aber immer, dass zusätzlich die überschüssige Feuchtigkeit aus dem Stall abgeleitet wird. «Bei jedem Sprinkler und jeder Vernebelungsanlage braucht es einen Luftaustausch, zum Beispiel mithilfe eines Ventilators», betont Markus Sax. Ausserdem muss auf alle Fälle darauf geachtet werden, dass Liegeboxen und Futterbereich trocken bleiben, um einer Keimbildung vorzubeugen.
Luftaustausch anregen
Um die Luftzirkulation im Stall zu verbessern, können zum Beispiel Axial- und Deckenventilatoren oder eine Schlauchbelüftung eingesetzt werden. Bei allen Systemen ist darauf zu achten, dass ein genügender Luftaustausch auch wirklich stattfindet. «Die Luft muss bis zu den Tieren gelangen und nicht bloss in den Stall», so Markus Sax.
Ausserdem ist Zugluft zu vermeiden. «Ich stelle oft fest, dass die Lüfter am falschen Ort stehen», streicht Christian Manser die Wichtigkeit einer korrekten Installation heraus. Ebenso betont dieser kontinuierlich, dass es nicht immer grosse Investitionen braucht, um das tierische Wohlbefinden markant zu steigern: «Ich setze auf Bewährtes, Günstiges und auf die Kühe.»
Ställe ganzjährig offenhalten
So zeigt Christian Manser an der Tagung «Stallklima optimieren», dass nur schon eine günstige Nachtweide den Stall stark entlasten und dessen Klima optimieren kann. Besonders wichtig ist aber, für eine ausreichende Zu- und Abluft zu sorgen. Deswegen empfiehlt er ganz allgemein eine verstärkte Öffnung des Stalles, und zwar ganzjährig: Denn Kühe sind äusserst kältetolerant und fühlen sich bis etwa minus fünf Grad Celsius wohl.
Eine Offenhaltung lässt sich beispielsweise bewerkstelligen, indem zirkulationshemmende Bretter in den Boxen oder Betonabtrennungen entfernt werden. Auch spricht er sich dafür aus, unnütze Fenster herauszureissen und die Stallwände luftdurchlässiger zu gestalten: «Ich sage den Bauern immer wieder, dass sie zuerst stauende Bretter und Fenster entfernen sollen. Erst dann kann eventuell noch ein Lüfter angeschafft werden.»
Möglichst offen soll der Stall in südlicher und nördlicher Richtung sein. Die Westseite mit der Abendsonne heizt die Ställe zusätzlich auf und sollte zugemacht werden. Entscheidend sind kurze Wege für die Luft. «Deshalb ist für eine gute Querlüftung zu sorgen», betont Manser. Wie er herausstreicht, ist es zudem äusserst wichtig, dem Stallklima das ganze Jahr über Beachtung zu schenken, nicht nur an den heissesten 50 Tagen. «Ventilatoren müssen 365 Tage im Jahr laufen, im 2016 sogar 366 Tage.»
Curdin à Porta