Wer an Pferdeweiden
vorbeifährt, sieht vermehrt
komplett eingepackte Tiere. Der Schutzanzug, der von den Ohren bis zum Schweif reicht, gleicht einem Astronautenanzug. Wozu er dient und ob wirklich alle Pferde, die auch einen tragen, diesen benötigen, ist Inhalt vieler Gespräche von Pferdefachleuten.
Dient der Insektenabwehr
Hauptgrund, den Pferden eine Schutzdecke und eine Maske zu verabreichen, sind die Insekten. Fliegen, Bremsen und in den Dämmerungsstunden auch Mücken sind dafür verantwortlich, dass sich Pferde auf der Weide unwohl fühlen. Fliegen können unangenehme und teils langwierige Augenentzündung verursachen.
Stiche von Insekten in den Ohren kann die Grundlage für Warzen bilden. Bremsen veranlassen Pferde oftmals dazu, geradezu hysterisch auf der Weide rumzugaloppieren. Liegt ein Stich in der Sattellage, kann sich dieser entzünden und das Pferd sogar für eine gewisse Zeit unreitbar machen.
Nicht immer Sommerekzem
Das grösste aller Probleme, mit denen Halter von weidenden Pferden im Sommer konfrontiert sind, ist aber das Wundscheuern an Schweif und Mähne. Pferde kratzen derart heftig, dass sie ihre Schutzhaare an der Schweifrübe und am Mähnenkamm verlieren. Es kann sogar offene Stellen geben, die zum Eitern neigen.
Nicht selten reagieren Pferdehalter dann mit der Ansicht, dass es sich um Sommerekzem handeln könnte. Sommerekzem entsteht aufgrund einer allergischen Reaktion auf den Speichel von Stechmücken.
Diese Hautkrankheit hat eine erbliche Komponente und kommt bei verschiedenen Rassen vor. Oft wird sie bei Isländern beobachtet. Kratzt ein Pferd an Schweif und Mähnenkamm, ist das aber nicht einfach mit Sommerekzem gleichzusetzen.
Es reichen einzelne Stiche
Oftmals reichen Insektenstiche, die sich das Pferd in der Dämmerung auf der Weide holt, um das Scheuern auszulösen. Interessant ist dabei die Beobachtung vieler Züchter, dass Zuchtstuten in den Jahren, in denen sie ein Fohlen bei Fuss haben, meist
weniger zu Juckreiz neigen, als in nichtlaktierendem Zustand. Das würde darauf hinweisen, dass die Fütterung eine entscheidende Rolle spielt. Insbesondere die Aufnahme von Protein und Kohlenhydraten hat einen entscheidenden Einfluss.
Vielschichtige Probleme
In der Schweiz leiden viele Pferde, gerade im Freizeitbereich, an Übergewicht. In den Sommermonaten, wenn sie auf der Weide laufen, nehmen Pferde rapid zu. Eine weitere Schwierigkeit also, die die Haltung auf der Weide mit sich bringt. Überversorgung mit Energieträgern aber auch Protein in kleereichen Beständen führen zu vielschichtigen Problemen.
Die Lösung, um Pferde von Übergewicht, damit verbundenen Stoffwechselkrankheiten und Wundscheuern zu schützen, wäre einfach: Keine Weidehaltung. Das Verständnis der artgerechten Tierhaltung widerspricht dem aber deutlich. Pferde gehören auf die Weide.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten das positiv zu beeinflussen:
- Weidezeit einschränken, wenn nötig auf Nachtweide verzichten.
- In der Dämmerung nicht weiden oder Pferde vor Insekten schützen.
- Insektenspray und Decken wie auch Augenmasken verwenden.
- Angepasste Fütterung im Stall. Gut strukturiertes, altes Heu zur Weide geben.
- Kraftfutter deutlich reduzieren.
- Weiden richtig pflegen und planen, Bestände der Tierart anpassen.
Das Eindecken der Pferde in den Sommermonaten löst in der Landwirtschaft oft Kopfschütteln auf. Die Decke muss nicht jedem Pferd verabreicht werden, sondern dort zum Einsatz kommen, wo Pferde ohne Schutz gesundheitliche Probleme haben.
Simone Barth