Seit kurzem sind die Vermehrungsorganisationen besorgt, dass ihre Produzenten abspringen. Das stellte Swisssem-Geschäftsführer Christof Rüfenacht an der diesjährigen Delegiertenversammlung fest. «Es gibt eine Konkurrenz um Anbauflächen, die durch die Prämien des Bundes angeheizt worden ist», erklärt er auf Anfrage. Die Politik fördere den extensiven Anbau, der sich schlecht mit der Produktion von Saatgut vereinbaren lasse.

Der Bund belohnt Anderes

AboDie Pflanzkartoffeln der Sorte Lady Claire von Landwirt Beat Schürch sind bereit für die Abgabe. (Bild lko)SaatgutSaatgut-Produktion in der Schweiz: Nur wer pflanzt, kann auch erntenMontag, 2. September 2019 Nur spezialisierte Landwirt(innen) mit einer Zulassung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) dürfen zertifiziertes Saatgut produzieren. Die Vermehrungsorganisationen legen Kriterien für den Anbau fest, so ist etwa auf ein unkrautfreies Feld zu achten. Beim Verzicht auf Herbizide, wie ihn der Bund mit Beiträgen belohnt, ist das stark erschwert. «Da überlegt man sich angesichts der Wirtschaftlichkeit, sich noch der anspruchsvollen Saatgutproduktion zu widmen», gibt Christof Rüfenacht zu bedenken. Auch bei den Vermehrungsorganisationen sei die Extenso-Saatgutproduktion nicht wirklich erwünscht, da die Ausbeute tiefer und die Qualität schwieriger zu sichern sei.

An den Vorgaben zu schrauben, hält er indes für keinen gangbarer Weg. Anders als die Handelsusanzen beim Gemüse, die viel mit ästhetischen Vorstellungen zu tun haben, geht es im Fall von Saatgut u.a. um Gesundheit und Keimfähigkeit.

«Wir wollen da nichts lockern, sondern gutes und sauberes Saatgut anbieten»,

bekräftigt Christof Rüfenacht.

Preisaufbau soll Anbaufläche retten

Wie Swisssem mitteilt, wurde nun der Preisaufbau für alle Kulturen zugunsten der Produzenten überarbeitet. «Die Preise steigen beim Saatgetreide um etwa Fr. 10.-/dt, bei den Kartoffeln ist der Anstieg – mit Unterscheiden je nach Sorte – in der Grössenordnung von Fr. 7-10.-/dt. Bei Bio ist es mehr, um die Fr. 15.-/dt», führt der Geschäftsführer aus. Für die Anpassungen nach oben war die Zusammenarbeit aller Akteure – neben den Vermehrungsorganisationen teilweise auch der Branche – notwendig. Das illustriert den Ernst der Lage, wie Christof Rüfenacht verdeutlicht: «Wir haben z. B. seit etwa 2016 pro Jahr rund 20 ha Pflanzkartoffel-Vermehrungsfläche verloren und konnten den Schwund nicht mehr kompensieren.» Der Klimawandel verschärft das Problem.

Klarer Mangel an Pflanzkartoffeln

Ernst ist die Lage bei den Pflanzkartoffeln. Die extremen Wetterschwankungen machen den Anbau immer schwieriger und 2022 behinderte die Trockenperiode die Knollenbildung. «Derzeit gelingt es uns nicht mehr, den heimischen Markt zu versorgen», so Swisssem. Auf rund 11'000 wachsen in der Schweiz Kartoffeln, was einem Bedarf von 28'000 Tonnen Pflanzkartoffeln entspreche. Im vergangenen Jahr konnten laut Rüfenacht nur 20'000 Tonnen geerntet werden, «das entspricht dem Ausfall einer ganzen Vermehrungsorganisation». Zwar können Importe die Lücke füllen, da bis auf die Nischensorte Blaue St. Galler alle in der Schweiz professionell angebauten Kartoffeln EU-Sorten sind. Das läuft aber der Versorgungssicherheit zuwider und erhöht die Abhängigkeit vom Ausland.

In dieser Hinsicht wäre der massive Verlust von Saatgutflächen für Getreide gravierender, da es sich hier zum grössten Teil um Schweizer Zuchtsorten handelt. «Im Moment ist es beim Getreide weniger dramatisch», versichert Christof Rüfenacht. Mais, Kartoffeln, Feldsamen (Klee, Gräser usw.), Getreide – so präsentiere sich die Reihenfolge der Kulturen, deren Saatgutproduktion derzeit am meisten unter Druck steht. Beim Mais verzeichnete man 2022 – mit grossen regionalen Unterschieden – die grössten Rückschläge: Während es im Rheintal noch einigermassen gut gelaufen sei, erlitten im Genferseegebiet einige Parzellen einen Totalausfall. Wegen extremer Hitze blieb schlicht die Befruchtung der Pflanzen aus.

Beiträge für Sonderkulturen prüfen

«Importe sind auf dem besten Weg, die grösste Vermehrungsorganisation zu werden», warnt Swisssem. Nach der Erhöhung der Produzentenpreise kümmert sich der besorgte Vorstand daher um eine langfristigere Lösung. Dazu habe es Gespräche mit dem BLW gegeben, hinsichtlich eines zusätzlichen Förderbeitrags für die Saatgut-Produktion. Das sei zwar keine Wunschlösung, könnte aber die Attraktivität des Anbaus steigern.

«Wir haben Respekt davor, dass das Thema Saatgutproduktion in der Agrarpolitik untergeht»,

meint Christof Rüfenacht. Wenn in der Schweiz nicht mehr vermehrt würde, hätte das seiner Meinung nach verheerende Folgen, da nicht zuletzt auch die Züchtung davon abhängt.

 

Zwei neue Vorstandsmitglieder
An der DV wurden Simon Peter Lutzi (OSP) und Daniel Eggimann (Semag) als Nachfolger von Ueli Morf bzw. Daniel Niklaus in den Vorstand von Swisssem gewählt. Die restlichen Vorstandsmitglieder haben die Delegierten für eine weitere Amtszeit bestätigt. Jean-Luc Pidoux erhielt die Ehrenmitgliedschaft, als Anerkennung für seine jahrzehntelange Arbeit zugunsten der Saatgutbranche.