Sie ist in aller Munde, die Biodiversität. Man will sie schützen, fördern, entdecken. Oft wird als Synonym die Artenvielfalt verwendet. Diese ist aber eigentlich nur ein Aspekt dessen, was die Biodiversität alles umfasst.

Am UN-Umweltgipfel 1992 in Rio de Janerio wurde die Lehrbuch-Definition von Biodiversität verabschiedet:

«Biological diversity means the variability among living organisms from all sources including, inter alia, terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the ecological complexes of which they are part; this includes diversity within species, between species and of ecosystems.»

Besonders aufschlussreich ist dabei der letzte Satz. Demnach kann man grob sagen, dass Biodiviersität drei Ebenen hat:Die Vielfalt innerhalb einer Art, zwischen Arten und auf der Ebene von Ökosystemen bzw. Lebensräumen.

Ein Begriff, drei Ebenen, alles Leben

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Vielfalt der Ökosysteme: Eine Landschaft kann von sich aus vielseitig und strukturreich sein, z. B. mit Hängen, Bergen und Tälern. Aber auch in Ebenen bringen einzelne Bäume, Sträucher, Hecken oder Steinhaufen Struktur und schaffen Lebensräume. (Bild Pixabay)

Die Vielfalt der Ökosysteme umfasst selbst wieder verschiedene Massstäbe. Auf der Erde gibt es verschiedene Klimazonen, Kontinente, Gebiete. Innerhalb eines Landes gibt es Bergregionen, Täler oder Ebenen, die jeweils ganz unterschiedliche Lebensräume bieten. Ein Hang kann sonnenexponiert sein oder der Wetterseite abgewandt. Je nachdem, welches Lebewesen man im Sinn hat, schrumpft der Massstab für Lebensräume oder Ökosysteme zusammen. Für Mikroorgansimen wie Bakterien oder Pilze ist schon ein Stück Boden sehr vielfältig, mit Wassereinschlüssen, luftgefüllten Hohlräumen und festen Partikeln.

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Artenvielfalt: Manche nah verwandte Arten können sich kreuzen, z. B. Esel und Pferde. Ihre Nachkommen sind aber meist selbst nicht fruchtbar, wie etwa Maultiere. (Bild rae)

Dass Arten unterschiedlich sind, fällt schnell auf. Es unterscheiden sich die Arten verschiedener Tier- und Pflanzengruppen (Katze vs. Vogel, Gras vs. Rose) und auch Arten derselben Gruppe (Spatz vs. Rotkehlchen, Heckenrose vs. Gartenrose). 

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Genetische Vielfalt: Verschiedene Kuhrassen sehen unterschiedlich aus und auch innerhalb einer Rasse unterscheiden sich die Tiere. (Bild BauZ)

Innerhalb einer Art entsteht Biodiversität durch genetische Vielfalt. Jedes Individuum hat ein (je nach Verwandtschaftsgrad mehr oder weniger) anderes Erbgut als der Rest einer Population. Und verschiedene Populationen wiederum zeigen ebenfalls genetische Unterschiede, weil sie sich an lokale Gegebenheiten angepasst haben.

Salopp gesagt umfasst Biodiversität alles was kreucht und fleucht, geht, schwimmt oder fliegt, sowie wo und wie es das tut. Schliesslich bestimmen Umgebung und Gene auch das Verhalten von Lebewesen. 

Und was bringt das alles?

Biodiversität zu fördern kann manchmal aufwendig sein, Kosten verursachen und Probleme mit sich bringen. Einen Blühstreifen muss man anlegen, eine Hecke pflegen, beides braucht Fläche, auf der man etwas anbauen könnte und in eine Hecke können sich neben Vögeln und Insekten auch Schadschnecken zurückziehen. Und trotzdem gibt es mehrere Gründe, wieso sich Biodiversitätsförderung (abgesehen von den dafür ausbezahlten Beiträgen und auch ausserhalb der Landwirtschaft) lohnen kann. 

Hier eine nicht abschliessende Liste zur Inspiration:

1. Biodiversität schützt vor Dominanz

In einem intakten Ökosystem mit vielen verschiedenen Arten sinkt die Gefahr, dass eine einzelne Art dominant wird. Auf diese Weise hat jeder Schädling einen Fressfeind, der eine Plage verhindern kann. Wer sich über angefressenen Salat im Garten ärgern muss, kann versuchen, einen Igel anzulocken. 

Ein gutes Beispiel dafür, was ohne die Kontrolle von Fressfeinden oder Krankheitserregern passiert, sind gebietsfremde invasive Arten. Man vermutet nämlich, dass Berufkraut, Kirschlorbeer und Kartoffelkäfer unter anderem deshalb so erfolgreich sind, weil sie ausserhalb ihrer früheren Heimat ohne Feinde leben können. 

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Kartoffelkäfer wurden mit ihrer Hauptnahrungsquelle, den Kartoffeln, aus Amerika eingeschleppt. Hier gibt es keinen Fressfeind, der sich über lange Zeit per Evolution auf den Kartoffelkäfer als Beute spezialisieren konnte. (Bild Pixabay)

2. Biodiversität schützt vor Totalausfällen

Auf Ebene des Betriebs kann man sich verschiedene Standbeine aufbauen. Gerät eines davon in eine Krise, bleiben die anderen um den Ausfall zumindest teilweise zu kompensieren. Das Prinzip funktioniert auch im Garten: Wenn weisse Fliegen den Kohl befallen, kann man z. B. Salat essen, bis man das Problem in den Griff bekommen hat. 

3. Biodiversität ermöglicht Anpassung

Je höher die genetische Vielfalt einer Art, desto grösser ist der Spielplatz der Evolution. So kann sich eine Art an neue Gegebenheiten anpassen, indem jene mit einem Vorteil überleben. Das Prinzip von «survival of the fittest», dem Überleben des Bestangepassten also. Gerade im Hinblick auf den Klimawandel ist es wichtig, z. B. auf trockentolerantere Sorten zurückgreifen zu können. 

4. Biodiversität ist gesund

Eine abwechslungsreiche Ernährung ist wichtig für die Gesundheit. Das gilt nicht nur für Menschen, auch z. B. Kühe profitieren von einer Wiese mit Kräutern und müssen mit den richtigen Nährstoffen versorgt werden. Zudem liefert uns die Biodiversität Arzneimittel, seien es Antibiotika (die z. B. von Pilzen produziert werden) oder Heilkräuter. 

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Ringelblumen (Calendula) wirken wundheilend und werden als Öl oder in Salben eingesetzt. (Bild Pixabay)

Die Vielfalt des Lebens tut auch der menschlichen Psyche gut. So geniessen wir einen Spaziergang durch eine strukturreiche Landschaft deutlich mehr, als ein Streifzug durch eine immer gleich bleibende Umgebung. Es gibt Studien dazu, dass ein Aufenthalt im Wald den Blutdruck senkt und Spital-Patienten schneller genesen, wenn sie durchs Fenster Aussicht ins Grüne haben.

Wir sind auch dazu verpflichtet

Schlussendlich ist die Schweiz und ihre Bürgerinnen und Bürger über internationale Abkommen und mit Passagen in der Verfassung sowie Gesetzesartikel dazu verpflichtet, die Biodiversität zu schützen, zu fördern, zu erhalten. 

Es gibt viele Gründe, die für die Vielfalt des Lebens sprechen. Daher ist es gut und wichtig, dass die Biodiversität in aller Munde ist. Auch wortwörtlich ist das gut, denn eine vielfältige Mundflora mit unterschiedlichen Mirkroorganismen trägt z. B. dazu bei, Karies zu verhindern.

 

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Die Akademien der Wissenschaften Schweiz Scnat haben den Argumenten für die Biodiversität ein Heft gewidmet: Hotspot – Argumente für die Erhaltung der Biodiversität