Dass die Reaktion einer Maus auf ein Medikament oder eine Chemikalie unter Laborbedingungen nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar sein soll, leuchtet ein. Ebenso dürfte kaum jemand dem Anliegen widersprechen, dass Tiere nicht sinnlos als wortwörtliche Versuchskaninchen herhalten sollen. Noch sei man aber zur Prüfung von Medizin- oder Chemieprodukten «zum Wohl von Mensch und Tier» auf Tierversuche angewiesen, wie es in der Botschaft des Bundesrats zur Tier- und Menschenversuchsverbots-Initiative heisst. Ein Teil dieser Versuche werde ausserdem ausschliesslich zugunsten von Tiergesundheit und Tierwohl durchgeführt, gibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in einem FAQ-Dokument zu bedenken.

Forschung zu Präferenzen und gegen Krankheiten

Als Beispiele nennt das BLV Untersuchungen dazu, welche Art von Nestern Hühner für die Eiablage bevorzugen oder allgemein welche Stalleinrichtung das Tierwohl erhöht. Auch reine Beobachtungsstudien, bei denen die beteiligten Tiere nicht zu Schaden kommen, gelten in der Schweiz als Tierversuche und müssen entsprechend bewilligt werden.

Bei Versuchen mit Pferden zur Behandlung von sie betreffenden Lungenkrankheiten sowie Allergien oder solchen mit Schafen zum Thema Moderhinke stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit von Resultaten nicht. Aber auch sie wären laut BLV von einem Tierversuchsverbot im Sinne der Initiative betroffen. Zwar zielt der Vorstoss primär auf die Humanmedizin ab, eine Ausnahme für Tierversuche zum Wohl von Tieren könne aber in der Umsetzung nicht gemacht werden, bestätigt das BLV-Sprecherin Estelle Hain auf Anfrage der BauernZeitung.

Umfassendes Importverbot für Medizin und Chemikalien

Die Initiative sieht weiter ein Importverbot für Produkte vor, für die nach Inkrafttreten der neuen Regeln – also spätestens zwei Jahre nach einer allfälligen Annahme – Tierversuche durchgeführt worden sind. Das Verbot würde auch greifen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt Tierversuche für ein bisher noch einführbares Produkt gemacht werden. Die Initianten begründen die Importklausel damit, dass so das inländische Verbot nicht durch eine Verlagerung ins Ausland umgangen und gleichzeitig mit dem heimischen Markt ein Anreiz für tierversuchsfreie Produkte geschaffen werden würde. Das Importverbot würde Medikamente der Veterinär- und Humanmedizin genauso wie Chemikalien wie z. B. Pflanzenschutzmittel betreffen.

Zulassung nicht ohne Tierversuche

Für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln werden heute Tierversuche eingesetzt, wie aus der Stellungnahme des Bundesrats zur Interpellation «Tierfreie Methoden zur Sicherheitsüberprüfung von Pflanzenschutzmitteln» von Nationalrätin Martina Munz (SP/SH) hervorgeht. Für die Überprüfung komplexer Reaktionen wie etwa des Hormonsystems oder Organschäden gebe es bisher keine verlässlichen tierfreien Alternativen, heisst es weiter. Daher und weil es sehr aufwändig sei, neue tierfreie Methoden zu entwickeln, sei es «gegenwärtig und in absehbarer Zeit nicht möglich, im Zulassungsverfahren ausschliesslich darauf abzustellen», schreibt der Bundesrat.

Im Klartext bedeutet das, dass bei einer Annahme der Tierversuchsverbotsinitiative mit den heute geltenden Vorschriften die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln infrage gestellt werden könnte. Es würden keine oder kaum mehr neue Wirkstoffe zugelassen, wie das BLV auf Anfrage bestätigt. Das Importverbot würde zudem verhindern, dass z. B. aufgrund einer Zulassung in der EU nach Inkrafttreten der Initiative mit Tierversuchen überprüfte Wirkstoffe in die Schweiz eingeführt werden dürften.