Helfer-T-Shirts sind praktische Stall-T-Shirts. Oftmals sind sie nicht allzu schade, um damit zwischen die Kühe zu gehen. Meistens sind sie schön weit geschnitten, sodass man sich gut darin bewegen kann. Aber dass diese Helfer-T-Shirts nicht selten am Körper eines Bauern oder einer Bäuerin landen, dürfte nicht mit dem bequemen Schnitt des Kleidungsstücks zu tun haben, sondern mit der Person unter dem Stoff.
Als wäre eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 53 Stunden (Normalarbeitsvertrag des Kantons Bern) nicht genug, stelle ich fest, dass viele Landwirte und Landwirtinnen einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Shuttlebus fahren an einer Chilbi, Getränke ausschenken an einem Schwingfest, einer Kommission vorstehen, ein Präsidialamt wahrnehmen – die Liste ist lange.
Unsichtbare Arbeiten, von denen alle profitieren
Die ehrenamtliche Tätigkeit der Menschen in unserem Land strickt das Netz, das die Schweizer Gesellschaft trägt. Das Bundesamt für Statistik (BFS) spricht von der «Kohäsion einer Gesellschaft». Die Freiwilligenarbeit bilde einen Bestandteil des Sozialkapitals, «sowohl was die persönlichen Kontakte, die Unterstützung durch das soziale Netzwerk als auch das zivile Engagement für das Gemeinwesen betreffe». Es sind meistens unsichtbare Arbeiten ohne viel Prestige, von denen aber alle in irgendeiner Form profitieren.
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Laut den neusten Zahlen des BFS gehen Frauen im Alter von 55 bis 74 am fleissigsten unbezahlter und informeller Arbeit nach. 2,9 Stunden pro Woche waren es beispielsweise im Jahr 2021. Die 65- bis 74-jährigen Herren führen die Liste der Männer mit 1,9 Stunden informeller Freiwilligenarbeit an. Gesamthaft werden von der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz durchschnittlich 1,6 Stunden pro Woche für Freiwilligenarbeit aufgewendet (für institutionalisierte 0,4 Stunden und für informelle Freiwilligenarbeit 1,2 Stunden). Die Beteiligungsquote beträgt gemäss dem BFS 41 %. Männer setzen mehr Zeit für Vereine und Organisationen ein, Frauen mehr in informelle Hilfeleistungen für Verwandte und Bekannte.
Zwei Präsidentinnen gehen
Die zwei scheidenden kantonalen Bäuerinnen-Präsidentinnen (Astrid Derungs-Koller, GR, und Petra Artho, SG) haben sich beide jahrelang institutionell engagiert. Die beiden Frauen erzählen, was sie seit dem Rücktritt erleben: Die Suche nach Personen, die sich für ein unbezahltes Amt zur Verfügung stellen, gestaltet sich heutzutage als äussert schwierig. Profitieren: ja gerne – Zeit dafür aufwenden: lieber nicht.
Ist dieses Phänomen wirtschaftlicher Natur? Ist die Ebbe des ehrenamtlichen Engagements eine Nebenwirkung der Teuerung, oder hat sich unsere Bereitschaft, für das Gemeinwesen etwas Gutes zu tun, verändert? In anderen Worten: Sind wir egozentrisch und faul geworden?
Ich lasse diese Fragen mal unbeantwortet im Raum stehen.
Niemand will zahlen
Es ist ein weiter Sprung von einem bäuerlichen Schwingfest zum beliebten Strassenmusikantenfest in der schmucken Altstadt von Bern – aber unter der mangelnden Solidarität leiden beide Veranstaltungsformen. Das Organisationskomitee des vergangenen Buskers-Festivals in Bern steht vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Von den 69'000 Besuchern griffen gerade einmal 23'000 ins Portemonnaie, um einen freiwilligen Beitrag von 20 Franken zu entrichten. Die Organisatoren zeigen sich in einem Artikel im «Bund» «enttäuscht». Die Situation sei schwierig zu verstehen und angesichts der grossen Beliebtheit des Festivals «geradezu absurd». Ist der «enttäuschende» Bändeli-Verkauf am Buskers-Festival ein weiteres Zeugnis für eine geizige Gesellschaft?
Warum zählen nur die Erwerbstätigkeiten?
Es ist auf jeden Fall ein Armutszeugnis, dass wir nur der bezahlten Arbeit einen Wert zuschreiben und der unbezahlten nicht. Dabei habe ich mich auch schon selbst ertappt. Etwa als mich eine Bekannte fragte, was ich denn momentan arbeite. Ich nannte meine beiden Erwerbstätigkeiten. Mein ehrenamtliches Engagement beim eigenen Verein liess ich automatisch weg. Dabei ist diese Arbeit eigentlich mindestens so wichtig wie die bezahlten Tätigkeiten. In diesem Gespräch merkte ich, dass auch ich eine wertende Unterscheidung mache, obwohl ich mir in meiner Freizeit freiwillig zusätzliche und unbezahlte Arbeit auflade.
Wir sollten stolz sein, diesen Beitrag an die Allgemeinheit zu leisten. Es ist ein unentgeltlicher Dienst, aber die Belohnung ist dennoch grösser, als es eine monetäre Entlöhnung je sein kann. Ein ehrliches Merci, eine gute Bratwurst und ein kühles Bier, eine Umarmung von einem glücklichen Kind, ein heiteres Helferfest oder halt eben ein praktisches Helfer-T-Shirt für in den Stall.
Warum sich gerade Landwirte und Landwirtinnen gerne ehrenamtlich engagieren, wird diese Analyse nicht erklären können. Es dürfte eine Gelegenheit sein, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen, das Hobby des Nachwuchses zu unterstützen, sich anderweitig weiterzubilden oder einfach nur einmal etwas ganz anderes zu tun. Der Grund ist egal – die Taten zählen.