Trotz des schönen Wetters zog es zahlreiche Gäste in die Bündner Arena in Cazis. Grund war die Feier zum 175-Jahr-Jubiläum des Bündner Bauernverbandes (BBV). Eine lange Zeit: Das seien rund sieben Generationen, in denen der BBV Einfluss auf die Gesellschaft und die Politik gehabt habe. Und das nicht nur in Graubünden, hielt Präsident Thomas Roffler fest. Er nannte ein paar Zahlen: 99,9 Prozent der Bauernbetriebe Graubündens seien Mitglied des BBV. Das Verbandsorgan, der «Bündner Bauer», habe rund 3000 Abonnenten und in Graubünden gebe es noch rund 2000 Landwirtschaftsbetriebe.

Älter als der SBV

Als Vertreterin des Schweizer Bauernverbandes (SBV), der «erst» 125 Jahre alt ist, war Mediensprecherin Sandra Helfenstein anwesend. «Was ist wohl das Rezept des BBV, dass er all die Veränderungen in der Landwirtschaft und Gesellschaft überstanden hat?», fragte sie. Die Antwort gab sie gleich selbst: Der BBV halte die Bauern vom Talgebiet bis weit ins hinterste und höchste Bergtal zusammen. Zudem sei er verwurzelt, bestens vernetzt und bringe sich auch deshalb erfolgreich in die nationale Politik ein.

Obwohl sich in den vergangenen 175 Jahren sehr viel verändert habe, sei der BBV geblieben, sagte Sina Beck, Vertreterin der Junglandwirte-Kommission Graubünden und Glarus. Bei seiner Gründung hat die Schweiz laut Beck rund 2,4 Mio. Einwohner(innen) gezählt, davon waren 46,7 Prozent in der Landwirtschaft tätig. Heute leben in der Schweiz 9 Millionen Menschen, davon arbeiten nur noch rund 2 Prozent in der Landwirtschaft. «Damals ist die Landwirtschaft verwurzelt gewesen, heute muss sie der Bevölkerung erklärt und nähergebracht werden», stellte Beck fest.

Ein Blick zurück

Curdin Foppa, langjähriger Sekretär des BBV, hat sich intensiv mit der Geschichte des Verbandes beschäftigt. Dazu kämpfte er sich durch das Archiv und stützte sich auf die Aufzeichnungen des Chronisten Rudolf Capaul zum 100-Jahr-Jubiläum. Laut Foppa herrschten zur Zeit der BBV-Gründung Armut und Hungersnot. Wer konnte, wanderte damals aus und suchte in der Ferne sein Glück. Pro Jahr verliessen rund 2000 Menschen den Kanton – bei einer Bevölkerung von 90 000 Personen. Der Graubündnerische Landwirtschaftliche Verein wurde 1844 gegründet, um die Lage zu verbessern, doch die gesteckten Ziele wurden nicht erreicht und der Verein «versandete». 1858 erfolgte eine Neukonstituierung. Insgesamt zählt man 175 Jahre Verbandsgeschichte.[IMG 2]

Vermehrt Viehwirtschaft

1895 vermachte Rudolf Alexander von Planta seinen «Russhof» in Landquart dem Kanton. Damit verbunden war die Auflage, eine Braunviehherde bester Qualität zu halten und die Ausbildung im Bauernberuf zu gewährleisten. Dies wurde somit zur Sache des Kantons. Dem Bauernverein blieb die Aufgabe der Informationsvermittlung. Dafür wurde das «Volkswirtschaftliche Blatt» geschaffen, das bis zum heutigen «Bündner Bauer» weiterentwickelt wurde. Die Eisenbahn sorgte dafür, dass die Transporte einfacher und schneller wurden. Getreide wurde importiert, der Ackerbau im Berggebiet ging zurück.

Es wurde vermehrt Viehwirtschaft betrieben, und damit bekam auch die Alpwirtschaft eine immer grössere Bedeutung. Der Landwirtschaftliche Verein schuf 1910 die erste Dienstleistung: eine Vermittlungsstelle für die Beschaffung von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln.

Enge Zusammenarbeit

Die Zeit von 1920 bis 1955 war geprägt von Rezession, Arbeitslosigkeit und Nahrungsmittelknappheit während des Zweiten Weltkriegs. Es kam zu Gründungen von Talschaftsvereinen, die sich dem kantonalen Verein anschlossen. 1942 gab es eine Statutenrevision, der Verein wurde zum Bündner Bauernverband und somit zur Dachorganisation.

2011 öffnete das Kompetenzzentrum in Cazis seine Türen. Vier Organisationen sind hier vereint: der Bündner Bauernverband, die Graubündenvieh AG, der landwirtschaftliche Beratungsdienst Mittelbünden sowie der Maschinenring Graubünden.

Regierungspräsident Marcus Caduff erinnerte unter anderem daran, dass die Initiativen und Referenden der vergangenen Jahre der Landwirtschaft grosse Herausforderungen gestellt hätten. Doch der Einsatz von BBV und SBV sei unterstützend gewesen: «Der BBV und der Kanton tauschen sich stets aus, sodass man auch in Zukunft Schwierigkeiten gemeinsam meistern kann», so Caduff.