Stefan Flückiger von Faire Märkte Schweiz (FMS) hat «die Einführung einer Transparenz-Plattform» angekündigt. Nicht plausible Preisdifferenzen auf den Beschaffungsmärkten der Produktionsmittel sollen — gleich wie auch bei den Absatzmärkten — aufgezeigt werden, um gegenüber den marktmächtigen Anbietern von Produktionsmitteln tiefere Margen/Preise zu erreichen. FSM zielt richtigerweise auf die Preise. Konsequent stellt FMS auch die Wirkung von Lenkungsabgaben infrage. Wenn der Markt der Produktionsmittelpreise nicht spielt und die Einkommenssituation der Landwirtschaft ohnehin schon angespannt ist, sind Abgaben und damit zusätzliche Preiserhöhungen auf Hilfsstoffe der verkehrte Weg, um die Nachhaltigkeit zu sichern.

Die Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL) sagt seit mehr als 30 Jahren, dass die Unterbezahlung der bäuerlichen Landwirtschaft die Ursache der Nachhaltigkeitskonflikte ist. Blenden wir zurück in die Nuller-Jahre: Damals haben die berühmten «Blockadebauern» jeweils vor der Morgendämmerung die Tore der Verteilzentren von Migros und Coop blockiert. Der grossen Empörung seitens der Verarbeitungs- und Verteilwirtschaft folgte eine «Chropfleerete» in Posieux.

Margen waren unterdurchschnittlich

Die Migros – Stefan Flückiger erinnert sich – war anschliessend bereit, ihre Abnehmerpreise und die darin enthaltenen Margen untersuchen zu lassen. Das Ergebnis zeigte jedoch, dass die Margen der Abnehmer von Lebensmitteln unterdurchschnittlich waren. Der Lebensmittelsektor diente den Grossverteilern als Frequenzbringer zugunsten der besseren Wertschöpfung im Non-Food-Bereich. Im Ergebnis kam damals auch die Agrarplattform zum gleichen Schluss wie die SVIL, die bereits 1995 einen sogenannten «Service-Pool» vorgeschlagen hatte: Regional bis national aufgestellte Dispatcher im Eigentum der bäuerlichen Produzenten verkaufen die Lebensmittel an die nachgelagerten Verarbeiter und Verteiler und handeln einen direkten Informationskanal zu den Konsumenten aus. Die Wettbewerbskommission schrie auf. Die SVIL präsentierte denselben Vorschlag nochmals an der Expoagricole 2002 in Murten. 2006 wurde er –als einziger Ausweg aus dem Preis- und Marktmachtdilemma – auch Bundesrat Deiss vorgelegt. Aber auch da gab es keine Unterstützung.

Die SVIL hat anschliessend in sämtlichen Vernehmlassungen zu den alle vier Jahren aufgelegten Agrarpolitiken diesen Vorschlag zur Verbesserung der Marktmacht der Produzenten und ihrer Absatzpreise angemahnt – mit dem Ergebnis, dass das Bundesamt für Landwirtschaft es für unnötig befand, die SVIL in die Begleitgruppe zur AP 2030 aufzunehmen.

Inzwischen wird auch in der EU vielen rührigen Bauern klar, dass die ganze «Farm to Fork»-Übung, die das BLW in der AP 2030 nachahmen will, samt dem ganzen Nachhaltigkeitsregulierungskunstwerk nichts nützt, wenn die Einkommensproblematik nicht gelöst wird – und zwar direkt, über bessere Preise. Es wird sogar erkannt, dass der Zertifikatshandel in eine geldwirtschaftliche Krise analog der Subprimekrise führen könnte. Warum also nicht das Problem direkt anpacken?

Dass man den Vorschlag der SVIL, die Marktmacht der Produzenten auf die Beine zu stellen, ignoriert und bekämpft hat, daran sind auch die Label-Organisationen nicht unschuldig. Sie können sich immer noch nicht von ihren grünen Allianzen lösen und glauben immer noch, mit Alleinstellungsmerkmalen als «die Besseren» bei den Konsumenten trumpfen zu können – trotz Sperren der Grossverteiler. Stattdessen sollten sie sich geschlossen hinter eine wirtschaftliche Reform stellen, welche die längst bekannten Missstände endlich über die Einrichtung konkreter Marktorgane löst, die im Eigentum der Produzenten liegen. Wird das Preis- bzw. Einkommensproblem der bäuerlichen Landwirtschaft endlich in den Griff genommen, entspannt sich auch das Nachhaltigkeitsproblem von selbst.

Hans Bieri ist Geschäftsführer und Vorsitzender der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft.