Franz Hagenbuch ist Rindermäster, Präsident der Rindermästervereinigung Swiss Beef CH und muss fast Unmögliches vollbringen. Detailhandel und Gastronomie wollen kleinere, leichtere Muni, Rinder und Ochsen. In der Praxis werden die Masttiere ständig grösser, weil auch die Milchkühe als Mütter an Grösse und Gewicht zulegen. Die Väter sind meistens Fleischrassenstiere und auch diese werden tendenziell grösser und schwerer.

Entrecôtes bitte etwas kleiner

Grosse Tiere liefern grosse Entrecôtes. Das passt den Wirten nicht, weil sie mit 150-Gramm-Entrecôtes kalkulieren wollen und nicht mit 300-Gramm-Stücken. Weiter möchte der Detailhandel maximal 200 Gramm schwere Fleischstücke in den Verkaufsschalen. Grosse Entrecôtes sind laut dem Handel fast unverkäuflich, wenn der Stückpreis je Schale über 20 Franken steigt. Handel und Verarbeiter brachten ihre Forderungen für kleinere und leichtere Masttiere erfolgreich in der Branchenorganisation Fleisch, der Proviande, ein. Sie verlangten eine Änderung der CH-Tax-Tabelle nach ihren Wünschen.

Das Ergebnis ist akzeptabel

Zu Beginn waren die Rindermäster erst einmal sauer über diese Forderungen. Nach langen und harten Verhandlungen einigten sich Produzenten und Abnehmer auf folgende Eckwerte, welche seit dem 1. April 2020 gültig sind:

  • Leichtes Bankvieh von 280 bis 290 kg Schlachtgewicht (SG) wird mit einem Zuschlag von 15 Rappen je kg SG belohnt.
  • Die Kilo-Zuschläge für C-Bankvieh sinken um 15, und für H- und T+-Tiere sinken sie um 10 Rappen je kg SG.
  • Neu liegt Bankvieh bis 300 kg SG im neutralen Bereich, bisher gab es Abzug ab 290 kg SG.

Angesichts des grossen Drucks zu Beginn der Verhandlungen sei das Ergebnis für die Rindfleischproduzenten akzeptabel, erklärte Swiss-Beef-Präsident Franz Hagenbuch Mitte März gegenüber der BauernZeitung.

Schmerzhafte Abzüge wegen zu wenig Fett

Die meisten Entrecôtes auf dem Schweizer Rindfleischmarkt liefern Stiere, Rinder, Ochsen (siehe Grafik). Weil aber die Schlachttiere ständig grösser und länger werden, wurde es zunehmend schwieriger, bei in der Tendenz immer mächtigeren Schlachttieren bereits mit 280 bis 290 Kilo Schlachtgewicht eine gleichmässige Fettabdeckung (Fettgewebe 3) zu erreichen. Die Folge ist, dass der Anteil Tiere mit einer 3 beim Fettgewebe sinkt (siehe Grafik). Das hat schmerzhafte Preisabzüge für die Mäster zur Folge, wenn die 3 beim Fettgewebe nicht erreicht wird.

Die Frage stellt sich: Was kann ich auf der Fütterungsseite tun, damit Bankvieh-Tiere mit 280 bis 290 kg SG schlachtreif werden und in der Fettgewebe die Note 3 erreichen?

Früh Fettreserven anlegen

Corsin Willi ist Verkaufsleiter Rindviehmast beim Mischfutterhersteller Melior und kennt dieses Problem. «Damit mit 280 bis 290 Kilo Schlachtgewicht beim Fettgewebe 3 erreicht wird, ist eine intensive Fütterung ab Einstallung der Tränker nötig», erklärt der erfahrene Berater. Die Aufzucht gesunder Tiere mit der passenden Tränkekurve ermögliche einen optimalen Start und helfe, bereits im frühen Stadium Fettreserven anzulegen. «Dank der guten Jugendentwicklung sind die Tiere bereit, genügend Futter aufzunehmen», hat er beobachtet. Später sei die ausgewogene Ration mit einwandfreiem Grundfutter und passender Ergänzung unabdingbar, um die Leistung respek-tive Fettabdeckung zu fördern. ­Corsin Willi betont aber: «Die Fütterung ist nur ein Teil von vielen, die den Ausmastgrad beeinflussen».

Hochschnitt-Silomais bringts

Auch der Rindermäster und Swiss-Beef-CH-Präsident Franz Hagenbuch mästet seine Munis intensiv. «Mit Hochschnitt-Maissilage und Rübenschnitzeln bekomme ich bei meinen Muni beim Fettgewebe eine 3 hin», berichtet er von seinen Erfahrungen.

Andreas Bigler von Swissgenetics weiss, wie schwierig es für die Rindermäster ist, die Tiere so zu mästen, dass sie schon mit280 kg SG gleichmässig leicht mit Fettgewebe bedeckt sind. «Bei den geprüften Stieren der Rassen Limousin, Angus und Simmental-M, welche den Grossteil der Kreuzungen auf Milchrassen ausmachen, ist der Zuchtwert Fettabdeckung ein wichtiges Kriterium», betont er. Bigler wirbt dafür, dass Swissgenetics von den wichtigsten Fleischrassen Sperma von mittelgrossen Stieren anbiete (siehe nebenstehendes Interview). Er zählt aber auch auf, welche Fleischrassen gut und welche weniger für eine intensive Mast geeignet sind.

Limousin: Die Rasse Limousin hat in der Schweiz den höchsten Stellenwert. Limousin eignen sich hervorragend für fast alle Labels. Dank hohen Einsatzzahlen bringt Swissgenetics pro Jahr 10 bis 12 Prüfstiere in den Einsatz. Dadurch kann bei den geprüften Stieren schneller auf neue Marktanforderungen reagiert werden.

Simmental: Bei Simmental-M hat Swissgenetics mit Iveco einen Stier im Angebot, der leichte Kälber bringt und zudem für die Rasse Simmental stark in der Fettabdeckung ist.

Angus: Angus erlebt seit drei bis vier Jahren einen starken Aufschwung. Leichte und frühreife Tiere sind aktuell starke Argumente dieser Rasse.

Weitere Rassen: Charolais, Blonde d’Aquitaine oder Aubrac haben mehr Mühe mit den neuen Anforderungen, sie haben in den letzten Jahren Besamungen verloren.

«Tiefere Schlachtgewichte und Fettanforderungen sind eine hohe Hürde», schliesst er.

 

«Es gibt bereits einen Fett-Zuchtwert»

Andreas Bigler von Swissgenetics erklärt im Interview, was von Seiten der Genetikanbieter unternommen wird, um den Bedürfnissen von Markt und damit Rindermästern gerecht zu werden. 

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Was bestellen Sie im Restaurant – ein 200- oder ein 400-Gramm-Entrecôte?

Andreas Bigler: Ich schaue zuerst nach, ob es Schweizer-Fleisch ist oder nicht. Wenn es aus meiner Region kommt, nehme ich gerne das 400-Gramm-Stück.

Die Verarbeiter wollen jedoch kleinere Stücke von leichteren Tieren. Was tut Swissgenetics, um die Forderungen der Grossviehmäster in der Fleischrassenzucht nach Frühreife und genügender Fettabdeckung zu erfüllen?

Wir sind stark bestrebt, mit unserem breiten Angebot in allen Fleischrassen den neuen Marktanforderungen gerecht zu werden. Seit knapp zwei Jahren steht der neue Zuchtwert Fettabdeckung als zusätzliches Kriterium zur Verfügung. Dies hilft, Stiere mit guten Resultaten im Breiteinsatz zu pushen und im Ankauf von Jungstieren stark auf dieses Merkmal zu schauen. Bei der Frühreife ist es viel schwieriger, da noch kein spezifischer Zuchtwert zur Verfügung steht. Qualitas und Mutterkuh Schweiz sind aber bestrebt, uns in naher Zukunft entsprechende Daten zu liefern. Bis dahin muss vor allem auf die Abstammung der Stiere geschaut werden. Mittelgrosse Stiere stehen dabei im Fokus.

Der Zuchtwert Fettabdeckung ist vorhanden. Wird dieser Zuchtwert von den Viehzüchtern beachtet? Ist er ein Auswahlkriterium bei der Besamung mit Fleischrassenstieren?

Die Milchviehzüchter entscheiden zusammen mit dem Besamer, welche Rasse und welcher Stier eingesetzt wird. Dabei sind für den Milchbetrieb vor allem die gute Fruchtbarkeit (NRR) und eine problemlose Geburt zentral. Mit vermehrter Beachtung der Resultate aus der Nachzuchtprüfung kann ein wertvolleres Kalb und damit ein Mehrwert beim Verkauf des Tränkers erzielt werden. Die Rindviehmäster sind ihnen dankbar dafür.

Haben wir in Zukunft viel mehr leichtere, frühreife Fleischrassen-Zuchtstiere?

Bei den wichtigsten drei Rassen Limousin, Angus und Simmental-M haben wir schon jetzt geprüfte, mittelgrosse Stiere im Breiteinsatz. Es muss beachtet werden, dass die Milchkühe aller Rassen in den letzten Jahren stets an Grösse zugelegt haben. Dies wirkt sich auch entsprechend auf die Kreuzungsprodukte aus, die grösser sind und dementsprechend mehr Gewicht ansetzen. Oft müssen diese Tiere länger gehalten werden, bis sie in der Endmast eine entsprechende Fettklasse erreichen. Tiefere Schlachtgewichte und Fettgewebe 3 sind hohe Hürden!

Andreas Bigler arbeitet bei Swissgenetics. Er kauft die Fleischrassenstiere an Auktionen ein. Sie durchlaufen dann eine Selektion.