Mein Geschichtslehrer wiederholte immer wieder, dass Rom daran zugrunde gegangen sei, dass sich ein elitärer Wasserkopf auf die Fügsamkeit von unzähligen Sklaven verlassen hatte und so irgendeinmal nicht mehr wusste, was es hiess, selber zu arbeiten. Natürlich wurden auch moralfreie Orgien gefeiert und Andersgläubige den Löwen zum Frass vorgeworfen. Aber wir wissen, dass vor allem das mit dem Wasserkopf zum Untergang geführt hatte. Im Mittelalter erdrückten die Obrigkeit und der Klerus den rechtlosen Bauern. Auch das dauerte nicht ewig. Natürlich wurden damals auch Hexen verbrannt und Andersgläubige in fernen Landen gemeuchelt, was zum guten Ton gehörte. Einige Zeit später befreiten ein paar Gutmenschen die Proletarier und versprachen ihnen, sie in die Freiheit zu entlassen. Natürlich bedingte auch das ein paar Massenmorde, Stellvertreterkriege und schlecht geheizte Gulags.

Das Grausame passiert immer weit weg von uns

Aber im Grossen und Ganzen befand sich die Menschheit auf dem Weg der Besserung. Jeder Rückschlag wurde von neuen Freiheiten und Privilegien verdrängt. Die Menschheit feierte Erfolg nach Erfolg. Das Abschlachten ging zwar lustig weiter. Aber nicht mehr unbedingt in unseren Gefilden. Meine Generation wurde von Kriegen verschont. Von Hungersnöten und Unterdrückung auch. Mir wurde klar, dass die Menschheit, wenigstens in Mitteleuropa, kurz vor dem Nirvana stand. Natürlich wurde weiterhin gemordet, gefoltert und gehungert. Aber nicht bei uns.

Die Frage nach dem warum

Die Geschichtsstunde beendete mein Lehrer gerne mit der Bemerkung, dass sich Geschichte immer wiederhole. Unrecht hatte er nicht. Aber ich hätte nicht erwartet, dass wir wieder ganz von vorne anfangen würden. Und in all meiner Bescheidenheit: Warum wurde ich Sklave, und nicht Teil des Wasserkopfs?