Ein Besuch im Uhrenmuseum Winterthur brachte mir diese Wahrheit wieder einmal vor Augen. Ich traf in der sechstgrössten Schweizer Stadt einen langjährigen Bekannten, einen Hopfenbauern aus Stammheim. Mit ihm hatte ich früher als Mitarbeiterin der Feldschlösschen-Gruppe oft zu tun. Er sagte vorgängig, er würde nach dem Kulinarischen gerne etwas Kulturelles unternehmen.

Ein Werbespot der Stadt heisst: «Winterthur überrascht». Das stimmt! Im grossen Angebot an Stadtführungen, Museen und Aktivitäten stach das Uhrenmuseum hervor. Ich staunte: Ein Uhrenmuseum in Winterthur. Solche Ausstellungen besuche ich sonst in der Westschweiz. Doch in der Altstadt Winterthurs gibt es zwei hochkarätige Sammlungen mit internationalem Ruf: die Uhrensammlung von Konrad Kellenberger und die Taschenuhrsammlung von Oscar Schwank – antike Uhren aus dem 15. bis 20. Jahrhundert.

Die Uhr als Statussymbol

Konrad Kellenberger (1907 bis 1976) war Feinmechaniker am Technikum Winterthur. Er sammelte leidenschaftlich Uhren und erlernte gleichzeitig das Uhrmacherhandwerk. Er kaufte nicht nur Uhren, sondern restaurierte sie auch. Er legte eine erstklassige private Sammlung an, welche die Stadt 1970 erwarb. Integriert in die Ausstellung ist die Taschenuhrsammlung von Oscar Schwank (1937) mit 220 Exponaten. Er kaufte nur beste Stücke: Seine Uhren zeigen technisches Können und künstlerische Raffinesse; sie zeugen von Reichtum und standesgemässer Repräsentation. Nun standen wir also in den hellen Räumen. Diese unglaubliche Vielfalt an Zeitmessern, von Prunkuhren, Laternenuhren, Pendeluhren, Sonnenuhren im Taschenformat (!), Sanduhren, Öluhren, Taschenuhren, Räderuhren bis zu Schweizer Holzräderuhren liess mich immer wieder in «Ahs» und «Ohs» ausbrechen. Es war eine Reise durch die Zeit, inmitten von Zeitmessern.

Ich fragte mich, was die Exponate den damaligen Betrachtern wohl vermittelt haben. Ausser der Angabe der Zeit. Alle diese Uhren aus mehreren Jahrhunderten! Bedeutet es, dass so auch mehr Zeit entstand? Wie entsteht überhaupt «Zeit»? Sie ist da, wir können sie nicht riechen, nicht sehen, nicht schmecken. Nur eines ist sicher: Sie vergeht. Der Lateiner sagt: «Tempus fugit, die Zeit flieht!»

«Wenn ich sitze, dann sitze ich»

Vor Jahren las ich eine eindrückliche Geschichte: Ein viel beschäftigter Mann wurde gefragt, warum er trotz seiner vielen Termine stets gesammelt sei? Er antwortete: «Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich sitze, dann sitze ich; wenn ich esse, dann esse ich und wenn ich spreche, dann spreche ich».

Die Fragesteller fielen ihm ins Wort: «Das tun wir auch. Was machst du darüber hinaus»? Der Mann wiederholte: «Wenn ich stehe, dann ...» Wiederum sagten die Leute, dass sie das auch täten. Er aber sagte ihnen: «Nein, das tut ihr nicht! Denn wenn ihr sitzt, steht ihr schon auf; wenn ihr steht, geht ihr schon; wenn ihr geht, seid ihr schon am Ziel ...»

Ein Besuch des Uhrenmuseums in Winterthur ist ganz sicher empfehlenswert. Es dürfte nicht nur die Uhrenliebhabern, sondern auch das breite Publikum ansprechen. Es befindet sich nur rund zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Die Exponate sind gefällig arrangiert und verständlich erklärt. Neben dem Ausstellungsraum ist auch eine Restaurationswerkstatt eingerichtet. Von dort aus können die Besucher einen Blick hinter die Kulissen werfen. Es werden Führungen angeboten. Dieses Haus will ich wieder besuchen mit weiteren Personen. Dann werden wir ausgiebig über Zeit philosophieren …

Infos zum Museum: www.uhrenmuseumwinterthur.ch