Weihnachten einmal anders, wieso nicht draussen im Wald verbringen? Die unlängst vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) publizierte Ratschlag wurde von Wald Schweiz, dem Verband der Waldeigentümer, mit Skepsis aufgenommen. Man befürchtete ungebührliches Verhalten nachts im Wald. Die Winterruhe der Tiere könnte gestört, Abfälle liegengelassen werden. Andererseits pflegen einige Kirchgemeinden aber auch Vereine das besinnliche Zusammensein in einer Lichtung im Wald schon seit Jahren.

Keinesfalls ist es aber so, dass «Waldweihnachten» weit verbreitet wäre oder als trendige Form nun schweizweit rasch nachgeahmt würde. Angesichts der einzuhaltenden Corona-Regeln plant man sehr behutsam oder bemüht sich um Alternativen zu grösseren Versammlungen früherer Jahre.

Kreativität ist gefragt

Die katholische Pfarrei Ennetbaden und die reformierte Kirche Baden, die jeweils einen ökumenischen Gottesdienst am Waldrand in der Nähe eines Grillplatzes durchführten, liessen sich für dieses Jahr etwas Besonderes einfallen, da die traditionelle Waldweihnacht mit bis zu 200 Teilnehmenden so nicht stattfinden kann.

In Begleitung von Drehorgelmusik, Kerzenlicht, Laternen und Windlichtern soll eine Familien-Dorfweihnacht am Heiligabend an verschiedenen markanten Plätzen in Ennetbaden stattfinden – unter Einhaltung aktuell gültiger Corona-Vorschriften.

Die vom Bundesrat jüngst angekündigten Verschärfungen der Verhaltensregeln lösen dennoch Verunsicherung aus Regeln (Hinweis: Redaktionsschluss vor evtl. neuen Beschlüssen des Bundesrates). Öffentliche Veranstaltungen sollen – mit Ausnahme religiöser Feiern – gänzlich verboten werden.

Weihnachts-Mobil als Lösung

Dietlind Mus, Pfarrerin bei der reformierten Kirchgemeinde Baden, bleibt guten Mutes: «Auch wenn sich nur noch 20 Personen draussen zusammenfinden dürften, müssten wir den Anlass nicht absagen. Die Leute können vom Fenster oder vom Balkon an der Feier teilnehmen. Von daher bin ich froh um unser Konzept für die Dorfweihnacht.» Selbst für den schlimmsten Fall eines Lockdowns ist vorgesorgt. Ein dekoriertes mit Lautsprechern ausgerüstetes Weihnachtsmobil würde dann von Station zu Station gezogen.

Liebgewonnene Traditionen wollen gelebt werden. Die Kirchgemeinde Gebenstorf-Turgi will die «Waldweihnacht» am Freitag vor dem vierten Advent durchführen. Die Teilnehmenden marschieren jeweils von der Kirche mit Fackeln und Kerzen zu einer Waldhütte. «Solange ein solcher Anlass nicht einer neuen Regel eindeutig zuwiderläuft, werden wir ihn durchführen», sagt Kirchenpflegepräsident Daniel Ric. Die zahlenmässig überschaubare Feier müsste unter Bedingung des dafür eingereichten Corona-Schutzkonzepts durchführbar sein.

Vorsichtig gibt sich der Quartierverein (QV) Zürich-Höngg. Zusammen mit dem Natur- und Vogelschutzverein sollte die Waldweihnacht diesen Samstag durchgeführt werden. Die Bedingungen waren bislang klar: Man hätte die Anzahl Teilnehmenden auf 50 beschränkt, weswegen eine Online-Anmeldung zwingend war. Ausserdem wäre auf Tee-Ausschank und gemeinsames Singen der drei Weihnachtslieder verzichtet worden. Nun hat man die Veranstaltung trotzdem kurzfristig abgeblasen. «Mit der neuesten Regelung schwand die Hoffnung, dass der Bundesrat für Anlässe, die draussen stattfinden, doch noch ein Türchen offenlässt», sagt hierzu Alexander Jäger, Präsident des QV Höngg.

Besinnlichkeit digital

Die Jugendorganisationen mahnen ihre Gruppen ebenfalls zu höchster Zurückhaltung. Die Pfadibewegung Schweiz empfiehlt den lokalen Pfadigruppen, Waldweihnachten nur in Kleinstgruppen bis zu 15 Teilnehmenden durchzuführen, ansonsten davon abzusehen. Zu den Corona-Regeln gehört auch die Maskentragpflicht für Ältere ab 12 Jahren.

Ähnlich umsichtig will auch Jungwacht-Blauring mit der Situation umgehen, wie Mediensprecher Daniel Bekcic erläutert: «Wir empfehlen unseren Scharen in der aktuellen Situation ihre Aktivitäten möglichst draussen und in kleinen Gruppen durchzuführen und etwa auch auf gemeinsames Essen zu verzichten.» Unter Einhaltung eines geeigneten Schutzkonzepts soll es jeder Schar erlaubt bleiben, einen Adventsrundgang oder Waldweihnachten durchzuführen. Man vertraue auf die Kreativität und Risikokompetenz der Leitenden.  

Jungwacht-Blauring ist auch Organisator des so genannten Ranfttreffens. Das gemeinsame Wandern in die Bruder-Klaus-Einsiedelei und die andächtige Feier mitternachts im Lichtermeer zog jeweils rund tausend Jugendliche an. Dieses Jahr sollen die angemeldeten Gruppen den Event zuhause über digitale Kanäle miterleben dürfen.

Grosses Verlangen nach Naturerfahrung

Die Stadtförster rechnen für Weihnachten kaum mit der Bildung vieler spontaner Zusammenkünfte Privater im Umland rund um die Städte. Hingegen hatte die Corona-Situation noch viel mehr urban lebende Menschen in den warmen Monaten dazu animiert, die Wälder aufzusuchen. Der achtsame Umgang mit dem vielfältigen Lebensraum bleibt deshalb eine pädagogische Daueraufgabe der Förster gegenüber Alt und Jung. Die Arbeitsgemeinschaft für den Wald (AfW), ein Zusammenschluss mehrerer nationaler Organisationen, publizierte deshalb vor zwei Jahren einen Knigge mit zehn Tipps für einen respektvollen Waldbesuch.  

Die in der Schweiz allgemein gültige Zutrittsrecht in den Wald hat vielfältigste Konsequenzen. So bewirtschaftet beispielsweise die Ortsbürgergemeinde Aarau rund 623 Hektaren Wald in Aarau und angrenzenden Gemeinden, die von einem eigenen Forstamt bewirtschaftet und von rund 80'000 Einwohnern der Agglomeration rund um die vergleichsweise kleine Stadt Aarau als Erholungsraum genutzt wird. Kindergärten, Kindertagesstätten und Primarschulen betreiben darin nicht weniger als ein halbes Dutzend in Fronarbeit eingerichtete Waldsofas – im Schichtbetrieb.

Aufschwung beim Lernen in der Natur

Das Lernen und Unterrichten in der Natur, wie sie in Waldkindergärten und Waldschulen praktiziert wird, erfährt aktuell einen ungeahnten Aufschwung. Julia Niebergall, Leiterin Administration bei der Stiftung Silviva (Mitglied bei der AfW), welche Ausbildungsgänge in der Methodik der naturbezogenen Umweltbildung anbietet, sagt dazu: «Wir erleben einen Boom. Vier Fünftel der Kurse sind ausgebucht für nächstes Jahr. Das gab es noch nie.»Ein aktuelles Silviva-Weiterbildungsangebot heisst «Försterwelt».Forstfachleute erwerben dort ihr didaktisches Rüstzeug, um gegenüber Schulklassen ihre Tätigkeiten näherzubringen und Achtsamkeit gegenüber der Natur ans Herz zu legen. Unter kundiger Leitung besuchen die Schulklassen den Wald regelmässig während zwei bis drei Jahren und das zu jeder Jahreszeit.