Einfach weitermachen wie bisher? Das wollten weder Lotti Baumann noch ihr früherer Mann für ihre Beziehung. «Wir haben daher viel miteinander geredet», sagt die Bäuerin. Die vier Kinder waren erwachsen und das Paar fragte sich, ob es wirklich zusammenbleiben wollte. «Beide kamen wir zum Schluss, dass wir noch jung waren und nicht einfach durch- und aushalten wollten.»

Aufgewachsen ist Lotti Baumann als Bauerntochter in Gränichen AG. Nach der Schule lernte sie Hauspflegerin, und mit 23 kam sie nach Beinwil am See AG auf den Hof ihres Mannes. Das Paar führte einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchwirtschaft, Obstbau und einem Hofladen.

Engagiert in vielen Bereichen

Lotti Baumann absolvierte die Bäuerinnen-Prüfung und machte im Jahr 2010 bei der TV-Serie «Landfrauenküche» mit. «Wir Teilnehmerinnen treffen uns noch heute», erzählt sie mit leuchtenden Augen. «Erst kürzlich waren die anderen hier bei mir.» Zudem war die Bäuerin als Co-Präsidentin des Vereins «Swiss Tavolata» aktiv und sechs Jahre Präsidentin des Aargauer Landfrauenverbands. In dieser Funktion engagierte sie sich unter anderem gegen Food Waste und für einen respektvollen Umgang mit Lebensmitteln. Im Jahr 2019 machten die Aargauer Landfrauen zudem beim Frauenstreik mit. Lotti Baumann hielt eine 1.-Augustrede mit dem Titel «Feministin und Vollblut-Hausfrau» und kandidierte für den Nationalrat. Sie wurde zwar nicht gewählt, doch die Erfahrung möchte sie nicht missen.

Einfach ausprobieren

«Es ging mir dabei auch darum, Ängste zu überwinden und die Komfortzone zu verlassen», sagt Lotti Baumann. Schon damals habe bei ihr innerlich ein Feuerchen gebrannt, das ihr den Mut gab, Neues zu wagen. «Sonst denkt man immer: ‹Hätte ich doch›.»

Mit diesem «inneren Feuerchen» ging sie auch die Trennung von ihrem früheren Mann an. «Am Anfang dachte ich, ich schaffe das nicht. Das Familienzentrum gibt es nicht mehr. Ich musste viel loslassen und mich von den Kindern abnabeln, und ich vermisse die Kühe im Stall.» Das Paar reichte die Scheidung einvernehmlich ein und ist nach wie vor freundschaftlich verbunden. «Nach dem Scheidungstermin ging ich auf den Hof zurück und habe für alle Mittagessen gekocht», erzählt Lotti Baumann weiter.

Offen ging sie auch mit ihrer neuen Liebe um. «Ja, d’Frau Bume het en Nöie», schrieb sie vor anderthalb Jahren auf Instagram. Ja, sie arbeite immer noch auf dem Hof, koche, wasche und putze für die Familie. Sie und ihr Ex-Mann würden sich auch nach wie vor verstehen und respektieren. Und nein, kein Krach. «Doch, das geht. Warum denn nicht, bitte schön?»

Die Liebe half

Schwere Momente gab es trotzdem. «Eine Scheidung macht man nicht einfach so.» Was hat geholfen? «Die Liebe. Und die Überzeugung, dass wir auf der Welt sind, um Erfahrungen zu sammeln.» Lotti Baumann gab nach der Scheidung Vollgas: Sie arbeitete ausser auf dem Hof zusätzlich für den Haushaltsservice der Aargauer Landfrauen, schrieb Texte für die Aargauer Landfrauen-Agenda und Artikel für den Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverband – bis es sie buchstäblich umgehauen hat.

«Ein Bruch am Sprunggelenk hat mich komplett ausgebremst.» Wichtig an dieser Zwangspause sei für sie gewesen, dass sich die Arbeitssituation auf dem Landwirtschaftsbetrieb klärte. «Es zeigte sich, dass es auch ohne mich geht.» Schmunzelnd ergänzt sie. «Zudem habe ich dieser Zeit gelernt, Socken zu stricken. Das wollte ich schon immer.»

Monatelang auf einem Schiff? Früher undenkbar

Inzwischen hat ihr Leben einen anderen Rhythmus: Im Winterhalbjahr ist sie in Beinwil am See, das Sommerhalbjahr auf See. Denn ihr Lebenspartner Peter Hunziker ist begeisterter Segler und hat im Mittelmeer eine Segeljacht. «Ich segelte schon als Kind mit meinem Vater auf dem Hallwilersee», erzählt er. «Vor acht Jahren kauften meine verstorbene Frau Silvia und ich das Schiff, weil wir nach meiner Frühpensionierung mehr Zeit auf dem Meer verbringen wollten.» Doch dann verstarb Silvia Hunziker an Krebs.

Lotti Baumann und Peter Hunziker kannten sich von früher. Und als beide Singles waren, funkte es. Monatelang auf einem Schiff auf dem Meer zu leben, hätte sich die Aargauerin aber nie vorstellen können. «Ich hatte keinen Bezug zu Wasser oder Schiffen. Ich ging mit den Kindern an den Hallwilersee, bis sie selbst schwimmen konnten. Das wars.»

Neue Freiheit auf dem Wasser

Dennoch fuhr sie im letzten Sommer mit Peter Hunziker nach Lefkas und ging an Bord der «Nisirepe». «Trotz Bedenken», wie sie sagt. Sie entdeckte die «Riesenfreiheit» auf dem Wasser. «Das ist mir eingefahren. Als ich mich zum ersten Mal getraut habe, auf dem offenen Meer rund ums Schiff zu schwimmen, war ich selbst überrascht, wie toll ich das fand.» Das Paar war mit Unterbrüchen den ganzen Sommer auf dem Schiff, und beide arbeiteten via Laptop Teilzeit von unterwegs. Lotti Baumann fand Gefallen am einfachen Leben an Bord und dem Reisen mit der Kraft des Windes.

Das Winterhalbjahr arbeitete sie dann «so viel wie möglich» für den Haushaltsservice und einige Monate auch bei Emmi in der Produktion. «Soziale Absicherung ist auch bei mir ein Thema», sagt sie. «Auf dem Hof war nicht viel möglich, doch ich habe immer nebenbei gearbeitet.» Eigentlich müsste sie als geschiedene Frau nun Vollzeit berufstätig sein. «Aber ich habe gelernt, dass man nie weiss, was noch kommt. Und ich habe in den letzten zwei Jahren so viel Neues gemacht wie noch nie zuvor.»

Lotti Baumann erzählt ungezwungen von den Veränderungen in ihrem Leben, weil sie anderen Frauen damit Mut machen möchte. «Darüber darf und soll man auch als Frau reden. Männer machen das doch auch.»

Vom Abenteuerfieber gepackt

Am Ostermontag reisen sie und Peter Hunziker wieder Richtung Griechenland. «Diesmal wollen wir die ganze Saison auf dem Schiff bleiben, und um den Peloponnes segeln und dann in die Ägäis», sagt der Elektrofachmann. «Vor zwei Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können», ergänzt seine Lebenspartnerin. «Ich dachte, das schaffe ich nicht. Fragte mich, was meine Kinder sagen. Doch alle, die mir wichtig sind, haben mich unterstützt. Und jetzt hat mich das Abenteuerfieber gepackt.»

Als Landfrau fühlt sich Lotti Baumann noch immer, auch wenn sie keine aktive Bäuerin mehr ist. «Landfrau sein, ist eine Grundeinstellung», schrieb sie dazu Anfang Jahr auf Instagram. «So bin ich aufgewachsen, ich war es 25 Jahre lang als Bäuerin. Ich freue mich, dass ich die Verbindung zum Hof aufrechterhalten kann und nehme meine Werte und mein Wissen dorthin mit, wo mich der Wind im neuen Jahr tragen wird.»