«Das hier wird ein ehrliches Brot», erklärt Ulrich Stalder und schmunzelt. Er backt so wie früher, für die Bedürfnisse des modernen Konsumenten. Seit fünf Uhr morgens ist der pensionierte Bäcker auf den Beinen, knetet verschiedene Teige – ohne moderne Backzutaten. Darum wird sein Brot je nach Wetter, Temperatur und Mehl nicht immer gleich, ist leicht bekömmlich und bleibt lange frisch.

Das alte Ofenhaus

Das Reich von Ulrich Stalder ist seit Kurzem ein altes Ofenhaus in Allmendingen bei Bern. Früher stand hier ein grosser Brotofen, zwölf Wedelen habe es jeweils gebraucht, um den zu heizen. Dieser Ofen existiert nur noch in den Erinnerungen der älteren Generation. Heute backt ein kleiner Elektroofen die Brote. Eigentlich zu klein und zu ungenau für die exakten Arbeitsabläufe des rüstigen Rentners. Aber davon lässt er sich die gute Laune nicht verderben. So übt er sich in Geduld und passt seine schwungvollen Bewegungen den kleinen Arbeitsflächen an.

Freude am Handwerk

Mit schnellen Handgriffen wiegt er den Teig ab, formt Brote vor, rollt Weggli, flicht Züpfen. Auf seinen Lippen hat er stets ein zufriedenes Lächeln. Wie er hier gelandet sei? «Meine Frau hat mir nahe gelegt, nicht dauernd die Küche mit meinen Backarbeiten zu belagern», sagt er und schmunzelt. Ulrich Stalder hat viele Jahre für seine Bäckereien gebacken, eigene Rezepte kreiert, Neues ausprobiert. Undenkbar, diese Leidenschaft mit der Pensionierung abzulegen.

Brote wie früher

So freut er sich, dass er einmal in der Woche in Märchligen Brot aus einheimischem Urdinkelmehl backen kann. Ohne den Leistungsdruck einer Bäckerei, aber mit der ungebrochenen Begeisterung für sein Handwerk. Einen Grossteil seiner Werke macht er auf Bestellung, ein Teil seiner Kundschaft kommt spontan vorbei, angelockt von dem verführerischen Brotgeruch, der über den nahegelegenen Spazierweg strömt. Die fertigen Brote stellt er in Körben vor das Ofenhaus. Bald kommen seine Fans vorbei, trinken einen Kaffee, halten einen Schwatz und freuen sich über die Brote. Brote wie es sie früher gab, als der Teig noch Zeit hatte über Stunden zu ruhen, als er noch nicht mit Hilfsmitteln gepusht wurde, als Brot noch etwas kosten durfte.

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Herausforderung Urdinkel

Er sei einer der Ersten gewesen, der mit Urdinkel gebacken habe. Die ersten Versuche seien wenig ermutigend gewesen: «Am Anfang dachte ich, das wird nie etwas, das man essen oder verkaufen kann», erzählt er. Doch er pröbelte weiter und fand heraus, dass man das Dinkelmehl einweichen muss, damit das Brot nicht staubtrocken wird. So macht er das Dinkelbrot immer mit einem Brühstück, was bedeutet, dass ein Teil des Mehls am Vortag in kochendem Wasser eingeweicht wird (siehe Rezept).

Verändertes Handwerk

Mit den Einnahmen vom Brot kauft er neue Zutaten und plant die Anschaffung eines Schamottensteins, damit die Kruste seiner Gebäcke künftig noch knuspriger wird. Seine vielen Arbeitsstunden rechnet er hingegen nicht. Ulrich Stalder ist froh, dass hier Zeit nicht immer Geld sein muss. Aber er kennt es gut, das Geschäft der kleinen und grossen Bäckereien. Er weiss, das Handwerk hat sich verändert. In Grossbäckereien wird mit Enzymen und anderen Hilfsmitteln gearbeitet, damit der Teig und das Brot immer gleich werden. Um Zeit und Platz zu sparen, wird der Teig möglichst schnell zubereitet und verarbeitet. Einige Bäckereien beziehen Halbfabrikate und backen sie lediglich auf. Dies alles hat zwar zu schnelleren Arbeitsabläufen und billigeren Produkten geführt, jedoch bei mancher Konsumentin auch zu Bauchweh. Ulrich Stalder ist sich sicher, es sind nicht immer Gluten, die nicht vertragen werden, eher die modernen Verarbeitungsmethoden. Enzyme, die im Verarbeitungsprozess zugegeben werden und das Brot schwer verdaulich machen.

Enzyme im Brot

Doch damit der Teig ohne chemische Zusätze gelingt, muss die Qualität des Mehls und insbesondere der enthaltene Kleber stimmen. Darum habe man früher den Grossteil des Brotweizens aus Kanada importiert. «Das einheimische Mehl brauchten wir zum Schluss um die Brote zu bestäuben», erzählt er schmunzelnd. Doch mittlerweile sei auch der einheimische Brotweizen gut geworden. Dank Züchtungen und gezielterem Anbau stimmt nun auch hier die Kleberqualität. Im Dinkel jedoch ist der Kleber anders. Dieser Teig fühlt sich leicht und samtig an und im Gegensatz zum fast geschmacklosen und pflegeleichten Weizenteig, duftet er leicht nach Nüssen. Nach Natur pur halt, wie es ehrliche Brote tun.

Produktion von Brotgetreide
Gemäss der Branchenorganisation Swiss Granum deckt die Schweiz rund 90 Prozent des Bedarfs an Brotgetreide wie Weizen, Dinkel, Roggen, Emmer selber. 2019 lag die Schweizer Getreideproduktion bei rund 930 000 t, wovon 427 000 t Brotgetreide, 24 000 t Saatgut und 479 000 t Futtergetreide waren. Auf knapp 141 000 Hektaren wird Brot- und Futtergetreide angebaut. Mit Brotgetreide wird pro Person rund eine Are bepflanzt. Nach wie vor beschafft die Schweiz aber beträchtliche Menge Getreide im Ausland: 2019 betrug der Getreideimport für die menschliche Ernährung rund 250 000 Tonnen. Darin enthalten sind unter anderem Brotweizen, Hartweizen, Reis oder Hafer. Zusätzlich importiert die Schweiz Fertigprodukten auf der Grundlage von Getreide, Mehl oder Stärke – etwa Teigwaren oder Backwaren.

Brot und Genuss

«Weisst du woher der Begriff Eigenbrötler kommt», fragt Ulrich Stalder und erklärt, das komme von den Bäckern, die Nacht für Nacht alleine in der Backstube standen und daher eben etwas eigenbrötlerisch wurden. Dass dies nicht auf alle zutrifft, zeigt sich, als er nach dem Tagwerk lachend und plaudernd mit seinen Kunden am Tisch sitzt, ein warmes Stück Brot isst und ein kaltes Bier trinkt. Denn sein Brot ist nicht nur fein, es verbindet auch Menschen.

Rezept: Urdinkel-Ruchbrot
Insbesondere bei Dinkelmehl empfiehlt es sich, ein Brühstück zu machen, damit das Mehl genug Flüssigkeit aufnehmen kann. Dafür werden 300 g Mehl mit 500 g kochendem Wasser vermischt und einen Tag stehen gelassen.

Zutaten für 1830 g Teig
Brühstück: 300 g Urdinkel-Ruchmehl, 500 g kochendes Wasser.
Teig: 300 g Wasser kalt
700 g Urdinkel-Ruchmehl
25 g Speisesalz
10 g Obst- oder Apfelessig
25 g Backhefe

Zubereitung
Das Brühstück wird idealerweise am Vortag vorbereitet. Gelagert wird es zugedeckt im Kühlschrank. Zusammen mit den weiteren Zutaten wird es zu einem Teig verknetet. Der Teig muss elastisch werden und die Oberfläche schönglatt sein. Die Teigruhe dauert 90 Minuten. Nach der halben Zeit den Teig in vier Teile schneiden und mehrfach zusammenfalten, nach weiteren 45 Minuten das Brot formen und in Backformen legen.

Backen
210ºC Ober- und Unterhitze für 40 Minuten anschliessend 200 ºC Umluft für 12 Minuten.