«Ich sehe Ackerland, Einsamkeit und Langeweile. Meine Eltern sehen Artenvielfalt, ökologisch wertvolle Hecken und pestizidfreie Böden», sagt Simon Baumann in seinem neusten Film «Wir Erben». Keine gute Ausgangslage, um einen Hof zu übernehmen.
Simon Baumanns Film handelt vom Erbe seiner Familie und von der Weitergabe. «Meine Eltern wollen uns ihr Lebenswerk vererben. Wir müssen reden. Über Erwartungen und Ideale. Über Privilegien und Lasten. Aber auch über Geld», lautet der Slogan des Films.
[IMG 2]
Ein Hof in Südfrankreich
Die Eltern von Baumann sind Ruedi Baumann und Stephanie Baumann-Bieri, beides engagierte Politiker, Umweltschützer und Biolandwirte. Sie bewirtschafteten im bernischen Suberg einen Landwirtschaftsbetrieb und wanderten in den 2000er-Jahren nach Südfrankreich aus, wo sie ein Landgut kauften und es fortan bewirtschafteten.
Ihre beiden Söhne blieben in der Schweiz zurück. Der ältere, Simon Baumann, dreht Filme, der jüngere übernimmt den elterlichen Betrieb und steigt ebenfalls in die Politik ein – beide gründen eine Familie, haben Kinder. Nach 20 Jahren in Südfrankreich möchten die Eltern zurück in die Schweiz kommen. Doch was wird aus dem Hof?
Arbeiter und Bauern
Mit seinem Film bringt Simon Baumann den Zuschauer mitten in seine Familie hinein. Mit Rückblenden erzählt er ihre Geschichte.
Auf alten Fotos lernt man die Vorfahren mütterlicherseits kennen. Es sind Arbeiter, die nicht viel besitzen, aber sich stets um ihr gutbürgerliches Ansehen sorgen und dies zeigen, indem sie zum Beispiel in den Sonntagskleidern wandern gehen. Parallel dazu folgen Fotos mit den Vorfahren väterlicherseits – Landwirte aus dem Berner Seeland, die in einfachen Kleidern am Tisch sitzen, jedoch Land und Hof besitzen.
Es folgen alte Filmaufnahmen der jungen Eltern, Ruedi Baumann, «ein Bauernbub, der die Matur nachholt und studiert» und Stephanie Baumann-Bieri, «eine Arbeitertochter, die Bankensekretärin wird und später die Kunstgewerbeschule besucht», wie es im Film heisst. Man sieht zwei unbekümmerte jungen Menschen, die «die Welt verändern wollen und in der Welt vorankommen möchten». Lachend fahren sie mit ihrer 2-CV-«Ente» der Landstrasse entlang und machen an blühenden Feldern Halt.
«Sie waren ökologische Vorläufer, mussten vieles erkämpfen, was wir jetzt haben. Wir sind die Mitläufer», sagt Simon Baumann im Film.
Erhalten oder verkaufen?
Die Kamera folgt Simon Baumann auch auf den Landwirtschaftsbetrieb nach Südfrankreich. Hier durchziehen sanfte Hügel die Landschaft, darauf liegen Hecken, Naturwiesen und Äcker. Diese umfassen das etwa 70 Hektaren grosse Landgut der Baumanns. Agglomeration und Einfamilienhäuschen liegen weit weg. Probleme mit Hundehaufen in Kunstwiesen oder Reklamationen, dass am Samstag Gülle ausgebracht wird, oder die Motorsäge im Wald arbeitet, sind nicht zu befürchten. Wie geht es weiter damit?
In Baumanns Film sitzt der Zuschauer schliesslich mit der Familie am Tisch und hört der Auslegeordnung um das Erbe zu.
Stephanie Baumann-Bieri hängt weniger am Land, sie spielt mit dem Gedanken, den Hof zu verkaufen.
Ruedi Baumann möchte den Hof in der Familie erhalten. «Ruedi sieht das Potenzial des Hofs, die Möglichkeiten der Selbstversorgung, aber auch den Freiraum für die Natur oder für die Biodiversität», sagt Simon Baumann im Film. Kilian Baumann teilt die Meinung des Vaters, er erinnert Simon Baumann daran, an die Kinder zu denken.
Dieser kann vorerst wenig mit dem Gedanken anfangen. Sein Haus, seine Frau, seine Kinder, sein Lebensmittelpunkt, all das liegt in der Schweiz.
Last und Privileg
«Das Erbe unserer Eltern ist Last und Privileg zugleich. Es ist mit der Erwartung verbunden, für andere einzustehen und Sorge zu tragen zu Boden und Besitz, es ist aber auch materielle Sicherheit, die andere nicht haben», beschreibt Simon Baumann seine Situation. Mit seinem Film zeigt er sie auf.
Dabei fühlt sich der Zuschauer in den jeweiligen Charakter und die Erwartung der einzelnen Familienmitglieder ein. Das ist zuweilen emotional, unterhaltsam, aber auch sehr intim. Eine solche Transparenz hätte nicht jede Familie mitgetragen.
Ab ins Kino
«Wir Erben» läuft ab dem 30. Januar 2025 in den Schweizer Kinos. Bei folgenden Vorstellungen werden Simon Baumann sowie Ruedi Baumann und Stephanie Baumann-Bieri vor Ort sein. (Reservation empfohlen)
Lyss: 26.1., 11.00 Uhr, Kino Apollo
Biel: 26.1., 18.00 Uhr, Kino Rex
Bern: 30.1., 18.00 Uhr, Rex 1
Bern: 30.1., 20.30 Uhr, Rex 1
Bern: 16.2., 14.00 Uhr, Rex 1
An folgenden Daten wird Simon Baumann vor Ort sein.
Zug: 27.1., 17.45 Uhr, Kino Seehof 1
Zürich: 27.1., 20.40 Uhr, Riffraff 1
Luzern: 31.1., 18.00 Uhr, Bourbaki 1
Weitere Daten und mehr Informationen gibt es auf der Website
Ein Drittel der Bevölkerung erbt nichts
Die Schweizerinnen und Schweizer erben immer mehr.
Eine im Auftrag der Zürcher Kantonalbank im Jahr 2022 durchgeführte Studie, die Schweizer Erbschaftsstudie 2023, lieferte folgende Fakten:
Bedeutung von Erbschaften: Jeder zweite Vermögensfranken in der Schweiz ist geerbt.
Erbvolumen: Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz rund 88 Milliarden Franken durch Erbschaften und Schenkungen übertragen. Zum Vergleich: Das ist doppelt so viel Geld, wie über die AHV jährlich verteilt wird. Ein Drittel der Erbmasse sind Immobilien.
Wachstum des Erbvolumens: Seit 1999 (20 Milliarden) hat sich das jährliche Erbvolumen nahezu verfünffacht.
Vermögensverteilung: Das «oberste» Prozent der Erbenden erhält ein Drittel der gesamten Erbschaften. Die «obersten» zehn Prozent der Erbenden erhalten etwa drei Viertel der gesamten Erbschaften. Ein Drittel der Bevölkerung erbt nichts.
Durchschnittliche Erbschaft: Die durchschnittliche Erbschaft beträgt rund 147 000 Franken, der Median liegt bei 46 000 Franken.
Alter der Erbenden: Rund die Hälfte der Erbschaften geht an Personen im Rentenalter. Rund 11,4 % sind älter als 80 Jahre. Nur 5 % der Erbenden sind jünger als 40 Jahre und nur 1,2 % der Erbenden jünger als 30 Jahre.
Erbschaftsstreitigkeiten: Etwa 13 % der Erbenden erleben Konflikte oder Streitigkeiten rund um das Erbe.
Testamente: Nur ein Viertel der Erblassenden hinterlässt ein Testament, was zu Unsicherheiten und Konflikten führen kann.
Ungleichheit durch Erbschaften: Erbschaften tragen erheblich zur Vermögenskonzentration bei, was bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt.
Kanton Zürich: Die durchschnittliche Erbschaft im Kanton Zürich betrug 365 000 Franken. Zwischen 55 und 65 Jahren verdreifacht sich das Vermögen der Zürcherinnen und Zürcher, unter anderem durch Erbschaften.