«Da möchte ich nicht alleine alles im Kopf behalten müssen», meint Madlen Weyermann zu den immer grösser werdenden Betrieben in der Schweiz. Der Strukturwandel schreitet fort und die Belastung für die Bauernfamilien steigt. Mit der Ferme du Joran in Orbe VD geht Weyermann einen anderen Weg, und zwar zusammen mit einem Dutzend Mitstreitern.

Kein Betrieb zur Übernahme

Als die gebürtige Bernerin ins Welschland kam, gab es die Ferme du Joran noch nicht. Auch hatte Madlen Weyermann nicht von Haus aus einen Bezug zur Landwirtschaft: «Ich bin in der Berner Agglomeration, in Bümpliz, aufgewachsen und habe Bauspenglerin gelernt», erklärt sie. Über ihr politisches Engagement kam das Interesse am Bauern, «ich habe mir überlegt, was wirklich wichtig ist in dieser Welt». Während der Lehre zur Landwirtin in Genf lernte sie viele andere kennen, die ebenfalls keinen elterlichen Betrieb für eine künftige Übernahme im Rücken hatten, aber voller Zuversicht und Motivation für ihren Beruf waren.

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Eigentum und Pacht

Ohne den Zusammenschluss solcher Leute wäre die Ferme du Joran nicht entstanden. Es handelt sich um einen Hof, der vor etwa 25 Jahren Konkurs gegangen und seitdem von den Erben als Stockwerkeigentum genutzt worden war. Das Kollektiv um Madlen Weyermann konnte 30 Prozent davon erwerben, plus eine Pachtgarantie. «Der Preis lag über dem Ertragswert – das konnten wir nur stemmen, weil wir so viele waren», erinnert sich die Landwirtin. Nach wie vor sei die Situation mit den Besitzern und den Bewohnenden auf dem Grundstück nicht einfach. Doch oberhalb des Flusses Orbe ist in den letzten sieben Jahren ein Hof entstanden, der zeigt, dass Landwirtschaft auch anders geht: Die Ferme du Joran ist keine Solawi, auch wenn Freiwillige gerne mitarbeiten dürfen und das Kollektiv von etwa acht freien Mitarbeitenden unterstützt wird. Man ist in verschiedenen Gruppen organisiert, die sich um die Anzucht von Setzlingen, den Anbau von Gemüse, Polenta-Mais, Getreide und Soja sowie die Herstellung von Brot und Tofu kümmern.

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5 Fragen an Madlen Weyermann

Wie offen sprechen Sie über Ihre Finanzen?

Da bin ich sehr offen, denn das finde ich wichtig. Wir haben auch schon unsere ganze Buchhaltung gezeigt, damit man einen Eindruck von den Zahlen eines Kollektiv-Hofs bekommen kann.

Haben Sie ein Lebensotto?

Als Landwirtin finde ich es wichtig, meinen Teil zur Ernährungssouveränität beizutragen. D.h., die Bedürfnisse in der Region zu berücksichtigen.

Welches Landwirtschaftsthema beschäftigt Sie am meisten?

Hofnachfolge und Zugang zu Land.

Welches Kompliment freut Sie?

Wenn junge Menschen hier ein Praktikum machen und so darin gestärkt werden, das zu tun, was ihnen Freude macht. Das kann auch bedeuten, auf einem «normalen» Betrieb mitzuwirken. Ein Kollektiv muss einem entsprechen.

Welches ist ihr Lieblingsplatz?

Die Ferme du Joran – sie ist ein Ökosystem, direkt neben der Stadt.


«Ein Identitätsproblem»

AboAnalyseSind Kollektive die Bauernfamilien der Zukunft?Montag, 15. Mai 2023 Ein Teil der Produktion dient der Selbstversorgung der Beteiligten, der Rest wird über die Mitarbeit an einer Gemüsekiste und den grossen Selbstbedienungsladen verkauft. Die steilen Hänge, die einen guten Teil der 10 Hektaren LN des Betriebs umfassen, beweiden im Sommer Junggeissen aus der Nachbarschaft, ausserdem ist eine Handvoll Kühe aus der Umgebung auf der Weide der Ferme du Joran anzutreffen.

«Die Landwirtschaft hat ein Identitätsproblem», findet Madlen Weyermann. Kollektiv geführte Höfe gibt es zwar einige – v. a. in der Westschweiz –, sie fallen aber durch die Maschen des rechtlichen Systems. Das macht es ihnen schwer, an Land zu kommen. Daher wurde von Uniterre kürzlich die Broschüre «La terre à celleux qui la cultivent» (bisher nur auf Französisch – deutsche Übersetzung in Arbeit) erarbeitet, die diese Schwierigkeiten aufzeigt, und vor allem auch Lösungsmöglichkeiten. Weyermann war massgeblich daran beteiligt, denn für sie sind Kollektive die Zukunft. «Man kann die Arbeit aufteilen und vom Wissen vieler profitieren», erklärt sie die Vorteile aus ihrer Sicht. Das Modell ermöglicht es, besser auf die Bedürfnisse der Beteiligten einzugehen, etwa wenn ein Familienvater geregeltere Arbeitszeiten braucht. Andere sind vielleicht gerade flexibler und können wetterabhängigere Pflichten übernehmen.

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Das Modell passt nicht

Wie die meisten Mitglieder des Kollektivs wohnt Madlen Weyermann nicht auf dem Hof, sondern zusammen mit ihrem Partner in einem Nachbardorf. Rund 400 Stellenprozente verteilen sich bei der Ferme du Joran auf 12 Leute, es werden Minimallöhne ausbezahlt. Vier Tage pro Woche verbringt die Landwirtin auf dem Betrieb. Das politische Engagement bei Uniterre, aber abseits von Parteipolitik, bringt für sie Abwechslung und den Kontakt zu anderen Höfen und Menschen. «Unseren Lehrern haben wir immer gesagt: euer Modell zur Hofübergabe passt nicht für uns», erzählt Weyermann. Sie findet, die Landwirtschaft sollte nicht nur jenen offenstehen, die quasi hineingeboren werden. 80 Prozent in ihrer Klasse hätten keinen Hof in Aussicht gehabt und zur Übernahme durch Kollektive gab es keine Erfahrungen. So erlebte es Weyermann auch bei der Meisterprüfung und in der Betriebsleiterschule. Die neue Broschüre soll hier den Weg ebnen. «Der Zugang zu Land ist ein Bedürfnis der Menschen», stellt die Landwirtin fest. «Und je mehr wir sind, desto mehr politisches Gewicht haben wir.»

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