«Ich bin der Hans.» Der Händedruck ist fest und die Botschaft klar: Der 80-Jährige verliert keine Zeit damit, kompliziert zu tun. «Die Arbeit ist mein Hobby», sagt er, und der Besuch soll ihn nicht allzu lange davon abhalten. Es geht schliesslich nicht mehr ganz so schnell wie vor 50 Jahren, als Hans Gassmann seine Stelle bei Familie Marolf antrat. Der heutige Betriebsleiter war damals ein achtjähriger Junge und sein Grossvater der Chef.

Mit seiner Frau und den sechs Kindern

Es ist ein sonniger Herbsttag, Hans Gassmann setzt sich mit dem Betriebsleiterpaar Irma und Daniel Marolf zu einer Tasse Kaffee auf den Sitzplatz. Gemeinsam schauen sie auf die vergangenen 50 Jahre zurück. In der beschränkten Zeit, die Hans zum Plaudern aufwendet, zeigt sich ein solides, aber auch vielseitiges Leben.

Neben ihrem damaligen Betriebsstandort in Mülligen erwarb Familie Marolf 1968 einen zweiten Betrieb in Hettenschwil; für diesen wurde der gelernte Landwirt Hans Gassmann am 2. Oktober 1971 als Betriebsleiter eingestellt. Er besorgte dort den Stall mit 24 Milchkühen und Jungvieh sowie den Acker- und Futterbau. Zusammen mit seiner Frau und den sechs Kindern – «allein wäre das nicht gegangen», stellt er klar. Denn nebst der Betriebsarbeit machte er noch so allerlei: Er presste Stroh- und Heuballen im Lohn. Bis zu 3000 Kleinballen habe er an einem Tag geschafft, erinnert er sich stolz, und im Herbst rodete er Zuckerrüben.

Hans verkaufte Tannli im Shoppi

In der Weihnachtszeit fuhr er 25 Jahre lang nach dem Morgenstall ins Shoppingcenter nach Spreitenbach, aber natürlich nicht zum Shoppen, sondern um Weihnachtsbäume für seinen Schwiegersohn zu verkaufen. «Die Leute kannten mich und ich sie.» Oder er machte das Elterntaxi für die Kindergartenkinder ins Nachbardorf, «einmal ein Jahr lang ganz allein, zweimal am Tag, das war dann schon mühsam». Er war Präsident der Milchgenossenschaft Hettenschwil und vom Volg Leuggern, auch in der Schulpflege engagierte er sich.

Vor 25 Jahren wurde der Betrieb in Mülligen aufgelöst und Familie Marolf zog nach Hettenschwil. Dass Hans nun einen Chef vor der Nase hatte, macht ihm keine Mühe: «Das war schon recht, ich hatte dafür auch nicht mehr die ganze Verantwortung.» Heute wird auf dem Betrieb mit 70 Red-Holstein-Kühen Milch produziert und 28 Hektaren LN bewirtschaftet, darunter 4,5 Hektaren Kartoffeln. Dazu kommen Irmas 500 Legehennen und ein kleiner Selbstbedienungs-Verkaufsstand. Daniel Marolf ist im Nebenerwerb als Agricon-Kontrolleur unterwegs.

Kaum je Ferien gemacht

Hans Gassmanns Kinder mit den mittlerweile elf Enkelkindern leben alle in der Nähe, mit ihnen verbringt er gerne Zeit. Und er mag Tennis und Skifahren – im Fernsehen. Er hatte keine Zeit, es selber zu lernen.

«Drei Tage Ferien waren schon zu lang.»

Hans Gassmann arbeitete lieber – und seiner Frau ging es zum Glück auch so.

Ferien machte er kaum jemals. «Höchstens drei Tage am Stück, und das war schon zu lang.» Seine Frau habe es zum Glück genauso gesehen. Auch krank war er höchst selten. Vor einem Jahr drückte ihn eine Kuh an die Wand, trotz angeknackster Rippe und Bedenken der Betriebsleiterfamilie war er schnell wieder im Stall.

Heute noch im Stundenlohn

Gewohnt haben die beiden Familien immer separat. Seit dem Tod seiner Frau lebt Hans Gassmann nicht mehr in der zweiten Betriebswohnung, sondern im Dorf.

«Ich arbeite einfach noch so viel, wie ich will.»

Diese Freiheit nimmt sich der 80-jährige Hans Gassmann heute.

Bei Marolfs ist er heute im Stundenlohn angestellt. «Ich arbeite einfach so viel, wie ich will. Sicher so viel, wie ein anderer Arbeiter.»

Aufs Feld geht er nicht mehr, steht aber jeden Tag um vier Uhr früh im Stall. Das ist seit einigen Jahren ein neuer Boxenlaufstall. Wobei er den alten, wärmeren Anbindestall schon vermisse, gibt der Senior zu verstehen.

Und was wünscht sich der 80-Jährige für die Zukunft? Er muss nicht lange überlegen: «Gesund bleiben. Arbeiten können, bis ich umfalle.» Dass er noch bei der Hofübergabe von Irma und Daniel Marolf an ihren Sohn Kevin dabei ist, glaubt er allerdings weniger. «Das wäre ja dann mein vierter Chef hier», sagt er mit seinem verschmitzten Lächeln. Dann meldet er sich ab, es sei höchste Zeit zum Misten. Daniel Marolf beruhigt, der Lernende sei schon im Stall.

Aber der Kaffee ist ausgetrunken und die Pause vorbei - Hans Gassmann verabschiedet sich und macht sich flink wieder an die Arbeit.