LID: Heute sind weniger als drei Prozent der Schweizer Bevölkerung im Primärsektor der Landwirtschaft tätig und immer weniger Menschen haben einen direkten Bezug zur Natur und Landwirtschaft. Kommunikation ist daher eminent wichtig. Es macht jüngst aber den Anschein, dass die Kommunikation zwischen landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Bevölkerung nicht einwandfrei funktioniert und es viel Missverständnis gibt. Täuscht dieser Anschein?

Peter Spring: Ich beobachte aktuell vor allem zwei Entwicklungen – einerseits die politische Entwicklung unter anderem mit den verschiedenen agropolitischen Initiativen und andererseits eine übermässige und zum Teil überfordernde Informationsflut gekoppelt mit einer kürzer werdenden Aufmerksamkeitspanne der Gesellschaft. Auf der einen Seite werden im Rahmen der Initiativen sehr stark Positionen bezogenen: Ja – nein, schwarz – weiss. Ein differenziertes Erklären auch mit spezifischen Beispielen hat kaum mehr Platz. Auf der anderen Seite gibt es beispielsweise von Grossverteilern diese relativ plakativen, schnellen und einfachen Kommunikationskampagnen, bei denen durch die Vereinfachung eine idyllische Landwirtschaft gezeigt wird, welche nicht der Realität entspricht.

Differenziertes Erklären hat kaum mehr Platz.

Um die Aufmerksamkeit der Gesellschaft, der Konsumentinnen und Konsumenten, der Verbraucherinnen und Verbraucher wird stark gebuhlt und wenn die Botschaft nicht sofort verstanden wird, ist die Aufmerksamkeit weg. Grossverteiler haben keine Zeit, in ihren Werbekampagnen alle Tierwohlaspekte zu erklären und beschränken sich darum oft auf ganz einfache Botschaften, um gewisse Dinge zu illustrieren. Allerdings entspricht dies dann nicht der vielschichtigen Realität in der Landwirtschaft.

Darum bin ich überzeugt, dass Landwirtinnen und Landwirte die Kommunikation wieder vermehrt selbst in die Hand nehmen und am eigenen Beispiel direkt der Konsumentin und dem Konsumenten erklären müssen, warum sie wie produzieren. Es ist absolut entscheidend, dass Landwirtinnen und Landwirte in der Kommunikation wieder mehr Selbstversorgung erlangen, um das Verständnis der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung wieder besser zu kultivieren.

Wie können Landwirtinnen und Landwirte mehr Selbstversorgung in der Kommunikation erlangen?

Die Landwirtschaft ist extrem divers und vielschichtig und darum ist es für Grosseinheiten wie Grossverteiler oder landwirtschaftliche Verbände nicht einfach, Botschaften detailliert zu platzieren. Darum glaube ich nicht, dass Landwirtinnen und Landwirte die Kommunikation an Verbände delegieren können, sondern dass sie einen wichtigen Teil davon selbst machen müssen. Authentische Kommunikation lässt sich nicht delegieren.

Landwirtinnen und Landwirte müsse die Kommunikation selbst machen.

Die Diversifizierung und die Vielseitigkeit, welche die Landwirtschaft ausmachen, aufzuzeigen, geht nur über den einzelnen Betrieb: Ein Gemüseproduzent, ein Eierproduzent und ein Bio-Mutterkuhhalter haben ganz unterschiedliche Botschaften und platzieren diese am besten selbst. Die Kommunikation von Verbänden und Detailhändler, die den Markt für die Bäuerinnen und Bauern ja auch bearbeiten, soll den Teppich legen und kann nach wie vor die Basis sein.

Aber es wird in Zukunft mehr und mehr an den Landwirtinnen und Landwirten liegen, mit verständlichen und authentischen Erklärungen die klaffenden Informationslücken zu schliessen – das kann über Social-Media-Kanäle passieren, viel besser aber noch direkt auf dem Betrieb. Mit offenen Stalltüren, mit Aktivitäten und Storytelling auf den Betrieben selbst. Echte Emotionen, authentischer und direkter Kontakt mit Tieren und mit der Natur ist meiner Meinung nach nicht durch Social Media ersetzbar, aber durchaus ergänzbar. Mit Social Media können mehr Menschen erreicht und so der Direktkontakt vorbereitet werden: Quasi mit Social Media Lust verbreiten und so den Direktkontakt fördern. Das Erlebnis direkt vor Ort ist schlussendlich aber nicht ersetzbar.[IMG 2]

Wie könnte das Bewusstsein für mehr eigene Kommunikation bei Landwirtinnen und Landwirten gefördert werden?

Kommunikation muss verstärkt in der Aus- und Weiterbildung vermittelt und gefördert werden. Das sehe ich beispielsweise auch die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in der Verantwortung, da viele von unseren Absolventinnen und Absolventen später beispielsweise als Lehrerinnen und Lehrer an landwirtschaftlichen Schulen unterrichten und als Multiplikatoreffekt angehende Landwirtinnen und Landwirte befähigen, sich für Kommunikation zu begeistern und diese einzusetzen und zu nutzen. Daneben beobachte ich ganz viele junge und innovative Landwirtinnen und Landwirte, die verschiedene Kommunikationstool sehr effektiv nutzen – so zeigen auch Landwirten einander, wie es funktionieren kann.

Es braucht etwas Überwindung und Mut.

Sind Landwirtinnen und Landwirte in Zukunft also auch ein wenig Kommunikationsexpertinnen und -experten?

Ja, das denke ich schon. Schlussendlich muss sich die Landwirtschaft differenzieren können, um Mehrwert zu schaffen. Desto besser es gelingt, mit einer guten Positionierung auch wieder mehr Wertschätzung für die Schweizer Landwirtschaft zu generieren, desto besser wird es längerfristig gelingen, dies auch in Mehrwert am Markt umzumünzen. Entsprechend werden alle Landwirtinnen und Landwirte, die ihre Geschichte teilen sowie authentisch und gut erzählen, einen Beitrag dazu leisten können.

Ich bin überzeugt, dass die Schweizer Landwirtschaft in Zukunft so wieder mehr Wertschätzung und mehr Wertschöpfung erreicht. Mit ein paar guten Grundlagen, Authentizität und der Erkenntnis, dass authentische Kommunikation für die Schweizer Landwirtschaft wichtig ist, wird der Aufbruch gelingen. Und für den Anfang braucht es einfach etwas Überwindung und Mut.