AboMit oder ohne Anpassung4 Grad wärmer, Wiesen und Äcker verdorren – oder doch nicht?Dienstag, 2. Januar 2024 «Weil davon auszugehen ist, dass langfristig die negativen Auswirkungen des Klimawandels überwiegen, müssen landwirtschaftliche Betriebe resilient sein», stellt der Schweizer Bauernverband (SBV) fest. Die Höfe sollen Krisen demnach widerstehen und den Status quo der Produktion aufrechterhalten oder möglichst schnell wiederherstellen.

Ändern und diversifizieren

Landwirt(innen) könnten ihre Betriebe den sich stetig verändernden Bedingungen anpassen oder aber sie grundlegend transformieren, so der SBV weiter. Als Beispiele nennt er Massnahmen wie die standortangepasste Produktion, Wasserspeicherbecken, hitze- und trockenstresstolerante Kulturen und Tierrassen sowie das Risikomanagement über Diversifikation. Diese Punkte hat auch die WSL in ihren Klimaszenarien für die Zukunft aufgenommen.

Je ein Beispiel aus dem Seeland und dem Berggebiet

Aber wie sieht es aktuell in der Praxis aus? Die BauernZeitung hat sich bei einem Seeländer Gemüsebauern und einem Betrieb im St. Galler Berggebiet erkundigt. Der Klimawandel sei spürbar, sind sich beide einig. Während im Seeland für Markus Bula die Anpassung der Produktion im Vordergrund steht, überlegen sich Raymanns, welche Möglichkeiten sich hinsichtlich Ackerbau neu nutzen liessen.


Neue Grasart und neue Möglichkeiten

«Früher hat bei uns oben immer eine kalte Bise geweht. In den letzten paar Sommern konnten wir laue Sommerabende draussen geniessen», schildert Marcel Raymann. Der Landwirt führt zusammen mit seiner Frau Tanja und zwei kleinen Kindern einen Betrieb in Walde SG. Die Familie wohnt auf 920 m ü. M. in der Bergzone II und stellt in den letzten Jahren deutliche klimatische Veränderungen fest. «Jeder merkt, dass der Klimawandel da ist – das muss niemand abstreiten», findet Marcel Raymann.

Nicht mehr ausmähen
Im Gegensatz zu den lauen Sommerabenden machen die meisten Veränderungen Raymanns eher Probleme. Ihr Jungvieh und die Kälber verbringen den Sommer zwar auf der Alp, die Milchkühe aber bleiben auf dem Betrieb. Um ihnen im Stall Abkühlung zu verschaffen, hat Marcel Raymann einen grossen Ventilator gekauft und ausserdem eine Sprinkleranlage installiert. Von Letzterem profitieren die Kühe, wenn sie in der – immer noch intensiven – Abendsonne aufs Melken warten. Wann immer möglich wird bei Raymanns geweidet, im Sommer oft nachts. «Um unseren Dieselverbrauch zu senken und der Umwelt zuliebe verzichten wir zum Teil aufs Ausmähen und Nachrechen», schildert Tanja Raymann. Das Gras an steileren Borden bleibt so stehen, und was liegen bleibe, statt zusammengerecht zu werden, schütze die Grasnarbe vor der Hitze. «Wir haben gemerkt, dass sich das Ausmähen nicht lohnt und die Tiere das höhere Gras schätzen», so Tanja Raymann weiter. Allerdings habe sie es einem Wanderer erklären müssen. «Wir sind transparent, bei uns darf jeder den Betrieb anschauen», so die Bäuerin.

Die Futtergrundlage auf der Weide sei nach wie vor gut, sagt Marcel Raymann. «Die Menge gleicht sich über die Schnitte aus und ist nicht kleiner geworden», meint er. Allerdings zeige sich mehr Raigras auf den Flächen – «das Wetter war hier oben immer rauer als im Tal, und diese Gräserart hatten wir bisher nicht». Bei der Zucht seiner Brown-Swiss-Kühe verfolgt der Landwirt das Ziel einer flachen Milchkurve: «Wenn die Tiere zu Beginn und gegen Ende der Laktation etwa dieselbe Menge Milch geben, haben sie weniger Stress», sagt Raymann. Auf diese Weise müsse auch die Fütterung nicht stark variiert werden, um ein Verfetten und Milchfieber bei der nächsten Kalbung zu vermeiden. «Auf meinem Betrieb funktioniert das gut so», sagt der St. Galler. Für die Stierenwahl orientiere er sich eher an der Robustheit denn an einer hohen Milchleistung und achte auf die Eutergesundheit.

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Das Wasser reichte knapp
Die letzten Jahre sind Raymanns mit dem Wasser ihrer eigenen Quelle für Haushalt und Betrieb ausgekommen. «In Zukunft werden wir uns aber wohl um einen Anschluss an die Wasserversorgung der Gemeinde kümmern müssen», schätzt Marcel Raymann. Denn mit dem Quellwasser liessen sich acht Wochen Trockenheit überbrücken, was 2023 gerade gereicht habe.

Marcel und Tanja Raymann haben ihren 30-ha-Betrieb mit Milchwirtschaft, Jungvieh, Mastkälbern, Masthühnern und Legehennen divers aufgestellt. «Wir sind offen und probieren gerne Neues aus», sagt die Bäuerin. Daher könnten sie sich vorstellen, die neuen Möglichkeiten für den Ackerbau im Berggebiet zu nutzen, die mit dem Klimawandel kämen. Wegen der steilen Flächen und grosser Unterschiede je nach Exposition – bei der Heuernte um bis zu zwei Wochen – sieht der Landwirt aber auch grosse Herausforderungen. «Die Ernte wäre im steilen Gelände schwierig», ergänzt er. Neben der praktischen Machbarkeit würde sich die Frage des Absatzes stellen. «Wir vermarkten seit vier Jahren unsere Mastkälber direkt», erklärt Tanja Raymann. «Das funktioniert gut und macht Freude, vor allem weil wir die Direktvermarktung nachhaltig aufziehen – Das Kalb wird erst geschlachtet, wenn alle Pakete bestellt sind.» Müssten sie die Vermarktung einer Ackerkultur aber ebenso von Grund auf aufziehen, wäre das – im Zusammenspiel mit der fehlenden Erfahrung im Anbau unter den Gegebenheiten vor Ort – wohl zu viel. Da bräuchte es ihrer Meinung nach Unterstützung.

Alle an einem Strick
«Es wäre auch gut, für die Anpassung an den Klimawandel eine Beratung für den Betrieb zu haben», findet Tanja Raymann. Sie stamme ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft und habe schnell festgestellt, dass Landwirt(innen) vom Tierarzt bis zur Fachperson im Pflanzenbau ein wenig von allem sein müssten. «Aber man kann nicht alles wissen, und Experten wären in dieser Sache hilfreich», so Tanja Raymann.

Mit der nötigen Unterstützung vonseiten Markt und Politik könnten neue Chancen durch den Klimawandel genutzt werden, zeigen sich Raymanns optimistisch. «Wir würden uns wünschen, dass auch der Konsument bereit ist, den Preis zu bezahlen, der eine gesunde und zukunftsgerichtete Landwirtschaft ermöglicht», erklärt Marcel Raymann. Er und seine Frau sind überzeugt, dass es nur geht, wenn alle an einem Strick ziehen. Denn neue Betriebszweige seien immer mit Investitionen und einem gewissen Risiko verbunden. Ein Wagnis, dessen Ausgang nicht immer vorhersagbar sei und wofür immer auch die Unterstützung der Familie entscheidend sei. «Das macht den Beruf des Landwirts aber auch spannend», sagt der St. Galler: «dass man nie ausgelernt hat».


Die Bewässerung ist eingerichtet

«Für Juli und August setzen wir keinen Salat mehr», sagt Markus Bula. Das Wasser sei dabei nicht das Problem, denn über eine Bewässerungsgenossenschaft mit Rollomaten und Rohren kann der Landwirt seine Flächen mit Wasser aus dem Murtensee versorgen. «Aber bei dieser Hitze müssten Endivien und Frisée besonders frühmorgens geerntet werden. Dafür fehlen uns die Arbeitskräfte – auch weil wir noch Tiere zu versorgen haben.»

Die Temperatur im Griff
Der gemischte Betrieb der Familie Bula mit Gemüse- und Futterbau, Milchproduktion und Jungviehaufzucht liegt in Galmiz FR im Seeland. Schon vor vier Jahren habe er eine Vernebelungsanlage im Kuhstall installiert, sagt Markus Bula. Zusätzlich kühlen mehrere Ventilatoren den Stall, «damit haben wir die Temperatur gut im Griff». Trotz des Melkroboters gehen die Kühe jeden Tag bzw. im Sommer ab Mitternacht auf die Weide, um sich anschliessend vor der Hitze spätestens gegen Mittag in den gekühlten Stall zurückzuziehen.

Im Gegensatz zum Salat trotzen andere Gemüsekulturen der zunehmenden Sommerhitze besser, schildert Markus Bula: «Gemüsezwiebeln setzen wir im Frühling. Bis zum Sommer sind sie praktisch fertig gewachsen und werden ab Juli geerntet.» Künftig möchte er die Flächen mit Gemüsezwiebeln ausdehnen und probieren, sie auch trocken statt nur grün zu vermarkten. «Damit könnten wir der Importware aus Spanien länger Konkurrenz machen», erklärt der Freiburger. Weitere Veränderungen hinsichtlich der angebauten Kulturen fasst Bula derzeit nicht ins Auge. Beim Futterbau hat sich allerdings schon einiges getan. So baut der Seeländer vermehrt die trockenresistentere Luzerne in Grasmischungen an, statt in erster Linie auf eine einzelne Grasart zu setzen. «Die Luzerne hat sich schon bewährt», so sein Fazit.

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Weiter haben Bulas erste Erfahrungen mit Sorghum statt Mais gesammelt – auch schon als späte Saat nach der Gerstenernte. «Im Gegensatz zum Mais stellt Sorghum bei Hitze und Trockenheit zwar das Wachstum ein, entwickelt sich aber wieder weiter, sobald es Regen gibt», schildert Markus Bula. Siliert sei der Maisersatz in seinem Stall gut angenommen worden, und 2023 habe er das Sorghum sogar zusätzlich zur üblichen Mischration im Herbst eingegrast. «Die Kühe haben das tipptopp gefressen.»

Soweit gerüstet
«Wir wissen uns schon noch zu helfen», sagt der Landwirt mit Blick auf den Klimawandel. Er würde sich allerdings wünschen, dass in Sachen Klimaschutz neben der Landwirtschaft auch andere Bereiche in den Fokus rückten. Markus Bula fühlt sich soweit gerüstet für die kommenden Jahre – «aber es kommt darauf an, wie schlimm es noch wird.»