Nach sieben Jahren legte Alice Gwerder das Amt als Präsidentin der Schwyzer Bäuerinnen ab. Doch das heisst nicht, dass die Powerfrau nun die Füsse hochlegen würde. Bereits zwei neue Aufgaben hat sie seit ihrem Rücktritt wieder angenommen. Eine davon als Fachfrau Familien- und Sozialpolitik beim Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverband (SBLV).

Für die Politik an sich interessierte sich die Bäuerin lange nicht. «Besonders während der Zeit, als die Kinder noch klein waren, war ich kaum dafür empfänglich. Mittlerweile ist mir das Thema eine Herzensangelegenheit.»

Mehr und besser informieren

Ihr sei bewusst, dass es nicht nur die Frauen betreffe mit der sozialen Absicherung. Aber die teils sehr schlechten Situationen gäben ihr zu denken. Und genau solche Fälle sollten genauer angeschaut und der Informationsfluss betreffend Absicherung durch die Schulen müsste verbessert werden.

Sie betont, dass die Jungen mehr abgeholt werden sollten. Oft würde nicht mal das Mutterschaftsgeld bezogen. «Man müsste früh genug etwas machen, dann hätten auch diese Frauen etwas. Immerhin bietet die Agrisano kostenlose Beratungen zu diesem Thema an», gibt Gwerder zu bedenken.

Briefe, Bläser und Steigeisen

Ihre Aufgabe bei der neuen Stelle besteht hauptsächlich aus dem Schreiben von Lobbying-Briefen und Stellungnahmen zu politisch aktuellen Themen für den Vorstand. Man sucht den Austausch mit den Politikern und anderen Frauenorganisationen. «Wir möchten uns sinnvoll einbringen bei den aktuellen politischen Themen,» erklärt die engagierte Bäuerin.

Neben ihren Ämtern ausserhalb, arbeitet Alice Gwerder seit der Heirat mit ihrem Mann Wendelin Vollzeit auf dem gemeinsamen Betrieb.

Der Hof der Familie Gwerder liegt 900 Meter über Meer. Sie bewirtschaften 25 Hektaren Land, die in der Bergzone III liegen. Der Betrieb zählt 80 Tiere, von Kälbern bis zu tragenden Rindern, die meisten in Vertragsaufzucht von verschiedenen Landwirten, dazu kommen 400 Legehennen und 25 Mutterschafe. Im Sommer geht ein Grossteil der Rinder und Kälber z Alp.

Gerade im Sommer ist viel Handarbeit gefragt, mit dem Bläser und Steigeisen an den Füssen arbeiten Alice Gwerder und ihr Mann gemeinsam in und an den Hängen.

Rauf auf die «Höger»

Ihr Mann wuchs bereits in den «Högern» oberhalb von Muotathal auf, sie hingegen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Dorf Ried, direkt an der Hauptstrasse. Im Gegensatz zu ihren eigenen Kinder hatte sie die Busverbindung direkt vor der Nase und einen Schulweg von knapp fünf Minuten. «Das halten mir meine Kinder etwas vor», erzählt sie schmunzelnd. Denn einen Bus sucht man hier oben vergeblich. Die vier Kinder bewältigen ihren knapp 4,5 km langen Schulweg zu Fuss, mit dem Töffli oder die Eltern chauffieren sie ins Dorf.

Wenn die vierfache Mutter an ihre eigene Kindheit auf einem Bauernhof denkt, empfindet sie folgendermassen: «Als Kind fand ich das Bauern gar nicht schön. Alle hüpften in die Badi und wir waren am Heuen.» Heute sehe sie es als Privileg an, dass ihre Kinder mit Natur und Tieren aufwachsen dürften. Überhaupt entdeckte sie die Freude an der Landwirtschaft neu für sich, als sie mit ihrem Mann zusammen z Alp ging. Die Bäuerinnenschule besuchte sie dann hauptsächlich wegen der Haushaltsmodule. «Ich konnte wirklich nicht kochen», lacht die Bäuerin.

Wolf, Luchs und Hirsch

Hier oben scheint die Welt noch in Ordnung. Doch vermehrt machen die Wildtiere zu schaffen. «Hier wurde bereits mehrfach der Wolf gesichtet und auch Risse gab es», berichtet Alice Gwerder. Ihre eigene Schafherde kann die Familie nicht Tag und Nacht überwachen, auch ein Schutzhund kommt nicht in Frage. «Durch die Weiden führen jeweils Wanderwege, da kann man schlecht einen Hund halten, denn der greift jeden potenziellen Feind an», lautet die simple Begründung.

Dem Schicksal ausgeliefert

Die Herde ist zwar mit einem elektrischen Zaun eingezäunt, doch dieser bietet keinen vollwertigen Schutz. So bleibt der Familie nichts anderes übrig, als die Schafe ihrem Schicksal zu überlassen. Täglich statten sie der Herde einen Besuch ab, um nach dem Rechten zu schauen.

Was im Moment jedoch mehr stört, sind die Hirsche, die rudelweise auftreten. Springt so ein Rudel die Wege hinab, ist danach kein Stein mehr auf dem anderen. Auch ihre Machtkämpfe auf den Feldern hinterlassen Spuren. Die kräftigen Hufe zerstören Wege und Land. Auch der Fuchs und der Luchs streichen in den Wäldern umher. Die Luchse würden die Nutztiere noch eher verschonen, die Füchse hingegen mögen die Hühner. «Die können wir zum Glück einsperren über Nacht», sagt Alice Gwerder erleichtert.

Abwechslung im Winter

Über den Winter ist die aufgestellte Landfrau vermehrt alleine auf dem Betrieb tätig. Ihr Mann arbeitet während diesen Monaten auswärts als Pistenpatrouilleur bei der Stoosbahnen AG. Auch Alice Gwerder begann, als die jüngste Tochter in den Kindergarten kam, wieder auswärts zu arbeiten. Die Arbeit im Dorf lässt sich gut mit den Schulzeiten der Kinder sowie dem Einkauf verbinden.

Zwar hat die Familie einen grossen Garten mit Kartoffeln, Salat, Gemüse und Obst, auch Eier und Fleisch beziehen sie vom eigenen Hof. Als Selbstversorger jedoch würde sich Alice Gwerder nicht bezeichnen, immerhin liesse sich im Berggebiet schlecht Getreide anbauen.

Für die Produktion

«Regional und saisonal» ist für die Bäuerin ein grosses Thema. Was während der Pandemie noch geschätzt wurde, stellte sich nicht als andauernden Trend heraus. «Die Leute fuhren sogar hier zu uns hinauf, um Eier zu kaufen. Doch diese Besuche waren leider nicht nachhaltig», resümiert Gwerder.

Jetzt mit dem Krieg in der Ukraine müsste man doch reagieren, meint sie weiter. «Biodiversität ist ja gut und recht, aber jetzt sollten wir die Felder doch nutzen dürfen, um unsere Ernährung zu gewährleisten.» Das Umdenken der Gesellschaft und eine wertschätzendere Haltung gegenüber der produzierenden Landwirtschaft sind der Bäuerin wichtige Anliegen.