Der Klimawandel fordert die Schweizer Landwirtschaft heraus. Auch in Australien setzen die steigenden Temperaturen der Landwirtschaft zu. Ein Blick an das andere Ende der Welt zeigt, wie Viehzüchter im südlichen australischen Staat New South Wales dem Klimawandel (noch) standhalten.

Schon 15'000 Rinder verkauft

Seit knapp fünf Jahren herrscht Dürre. Mittlerweile besitzt meine Tante Jacqueline in der australischen Halbwüste drei Viehzuchtbetriebe. «Könnte besser laufen», antwortet sie auf die Frage, wie es ihr ergehe. «Wir haben gestern 15 000 Rinder gekauft, darum hoffen wir auf ein besseres Halbjahr», antwortet sie. Mit einer Fläche von 325 700 Hektaren und 174 000 Nutztieren gehört sie zu den kleineren Playern auf dem australischen Markt. Für die Finanzierung der schlecht rentierenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten führt sie parallel ein Strassenbauunternehmen.

Tiere treiben mit dem Helikopter spart Kerosin 

Der durchschnittliche Niederschlag beträgt maximal 200 mm pro Jahr. Somit muss die Wasserversorgung der Herden unterstützt werden. 14  Wasserbohrungen und 35 Dämme fördern das braune Wasser an die Oberfläche. Die Rotoren des neuen Helikopters drehen hoch über der Herde. «Mit dem Flugzeug brauchte ich zu viel Zeit und Kerosin, um alle Tiere zu treiben, darum investierten wir in einen Helikopter», erklärt mein Onkel Brett pragmatisch. Automatisch keimt die Frage zur Nachhaltigkeit dieses Viehhaltungssystems auf.

Motto: Wirtschaft vor Klima

Australien gehört zu den grössten Kohle-und Gas-Exporteuren weltweit. Die eng mit der Kohle-und Bergindustrie verflochtene Regierung weigert sich, Beschränkungen auf Treibhausgasemissionen festzulegen. Nach dem Motto «Wirtschaft vor Klima». Dabei haben die Buschbrände im Januar 2020 Schäden in der Höhe von umgerechnet 13 Milliarden Franken verursacht.

Die Politik hat gegen erneuerbare Energien entschieden

Ökonomen sahen die Umweltkatastrophe voraus und schlugen bereits vor zwölf Jahren vor, die riesige Fläche Australiens für die Förderung von klimaneutralem Stahl und Aluminium zu nutzen. Der Kontinent habe ein enormes Potenzial an erneuerbaren Energiequellen und Mineralien, die für Batterien und Elektroautos genutzt werden könnten. Die Vorschläge werden bis heute ignoriert. Premierminister Scott Morrison beschwichtigt die Bevölkerung lieber mit der Zahl, dass der Kontinent nur 1,3  % zu den globalen CO2-Emissionen beisteuert. Dass die Pro Kopf Emission in Australien zu den weltweit höchsten gehört, lässt er dabei unerwähnt.

Bäume umstossen, um die Tiere zu füttern

2017 besass der eingangs beschriebene Betrieb 2000 Rinder, 20 000 Ziegen, 18 000 Schafe und 9 000 Lämmer. Im Jahr 2020 braucht es 15 000 Rinder, um über die Runden zu kommen. Die Anzahl Angestellter veränderte sich von drei auf neun. Die Zahl von Ziegen und Schafen wurde um 90 % reduziert. Nur noch die Rinder erreichen durch ihre Höhe die letzten Blätter der Mulga-Bäume. Seit der Dürre erteilen die Behörden sogar Bewilligungen, um die Bäume umzustossen.

Weniger Regen und höhere Temperaturen

Es ist unschwer zu erkennen, dass auch die australische Landwirtschaft mit immer härteren Klimabedingungen und der Betriebsrentabilität fechtet. Seit 1990 ist die Niederschlagsmenge im Süden von Australien um 61 % eingebrochen. Die Durchschnittstemperatur ist seit 1910 um ein Grad Celsius gestiegen.

Schlechte Weiden – es braucht grosse Flächen pro Tier

Die Rinderzahl ist seit der fünfjährigen Dürre um 20 % gesunken, was die Viehpreise auf einen historischen Höhepunkt bringt. Auch die Schafbestände seien so tief wie noch nie. Wenn die Preise gut sind, verkaufen die Besitzer ihr Vieh an die kühlere Ostküste, danach werden die Rinder via Lebendtransport nach China verschifft. Das Fleisch und die Wolle der Schafe ebenfalls. 95 % des Ziegenfleischs werden nach Saudi-Arabien exportiert. Die «Weideflächen» sind entweder gar nicht bewachsen oder aber überweidet. Dadurch braucht es viel mehr Fläche pro Tier. Im australischen Buschland kalkuliert man 75 Hektaren pro Tier ein. Wenn jeder Grossbetrieb durchschnittlich 50 000 Hektare besitzt und managt, kann man sich sparen, darüber nachzudenken, wie oft man seinem Nachbarn über den Weg läuft.

Viele offene Fragen für die Zukunft

Die Isolation, die Hitze und Dürren machen die Viehzucht in der Halbwüste zu einem harten Geschäft. Dennoch zählt der Kontinent 88 000 Grossbetriebe. Die Züchter im australischen Hinterland sind äusserst belastbar – keine Diskussion. Aber wann stösst man als Produzent an die Grenzen? Ab wann beinhaltet die Leidenschaft zu viel Leid? Beobachtet man die Situation als aussenstehende Person, drängen sich Fragen auf, die auch hierzulande vermehrt auftauchen. Können wir uns schnell genug an die Veränderungen anpassen? Kann die Landwirtschaft auch künftig mit einer reinen Vergrösserungsstrategie arbeiten? Oder muss die Methode Qualität satt Quantität auch in Australien von den Konsumenten ernster genommen werden? Wird das Potenzial des Landes von erneuerbaren Energien doch noch gefördert? Werden Landwirte der Halbwüste zu Energiewirten? Fest steht, dass die Situation wandelbare und kompetente Produzenten hervorbringt. Die Nachfrage steigt und der Druck von aussen ebenfalls, während das Klima immer engere Grenzen steckt.