Hofübergaben sind meistens mit mehr als «nur» einem Wechsel in der Betriebsleitung verbunden. Geht der Betrieb in andere Hände, kommen neue Ideen und Ansprüche mit. Aus Sicht von Pro Natura ist diese Situation ideal, um den Betrieb ökologischer auszurichten. Und sie wird in Zukunft auf vielen Höfen real – denn die Hälfte der heutigen Betriebsleitenden wird in den nächsten 15 Jahren pensioniert.

Unumgängliche Veränderung sozialverträglich machen

Bisher wurden landwirtschaftliche Reformen über ein Stichdatum umgesetzt, erläutert Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik bei Pro Natura in seiner Studie «Der Generationenwechsel in der Landwirtschaft als ökologische Chance». Das hat im Gegensatz zu einer rollenden Transformation via Hofübergaben Vorteile für den Vollzug und soll auch nicht aufgegeben werden. Mit den richtigen Massnahmen lasse sich aber die – angesichts der Biodiversitäts- und Klimakrise, gesellschaftlichem sowie politischem Druck unausweichliche – Transformation sozialverträglich gestalten.

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Die «alte» Generation nicht aufgegeben

Liner skizziert die Idee, Vorgaben für angehende Betriebsleitende einzuführen und den Strukturwandel zu lenken, etwa durch die Verknüpfung des Zahlungsrahmens an die Anzahl Betriebe. Deren Rückgang habe man bisher einfach akzeptiert. Dass die Aufgabe von Betrieben zu mehr Direktzahlungen pro Hof führte, war vorteilhaft. Es stelle sich aber die Frage nach den ökologischen Folgen und wie weit bzw. wie lange Digitalisierung und Mechanisierung die wegfallenden Arbeitskräfte ausgleichen können. Er habe die «alte» Generation Landwirt(innen) nicht aufgegeben, betont der Agronom. Der Umbau der Landwirtschaft solle aber nicht auf ihrem Buckel geschehen, wenn sich eine bessere Lösung anbietet.

Weiter gehen seine Vorschläge dazu, welche Regeln nach einer Hofübergabe greifen könnten. U. a.:

  • Direktzahlungen nur noch für Betriebe, die betriebseigenes Futter einsetzen.
  • Direktzahlungen nur noch für biologisch und/oder pestizidfrei arbeitende Betriebe
  • Einzelkulturbeiträge nur für pestizidfreien Obst-, Gemüse- und Ackerbau, Keine für den Futterbau.
  • Maximal 2 statt 3 GVE Dünger dürfen pro Betrieb ausgebracht werden.
  • Ökologische Kriterien für Starthilfen und Strukturverbesserungen.

Die Kantone sollen für die nötige Beratung sorgen. Zudem wird vorgeschlagen, Anreize oder staatliche Programme wie Umstellungsbeiträge oder Prämien exklusiv für Hofübergaben auszugestalten. Idealerweise würden die Kantone aus einer vom Bund vorgegebenen Palette auswählen, welche Massnahmen für die jeweilige Region zielführend sind. Wichtig sei, dass eine Wirkung nachgewiesen werden kann.

Der Hof Fischer als Praxisbeispiel für die Umsetzung
Markus Fischer hat vor 12 Jahren mit 35 den Betrieb in Bäretswil ZH von seinem Vater Gerhard übernommen. Dieser ist Präsident von Pro Natura Zürich und hatte schon immer Freude an der Biodiversität, weshalb der Hof bereits entsprechend ausgerichtet war. Markus Fischer konzentrierte sich bei der Übernahme auf die Tierhaltung: «Ich wollte keinen Betrieb nur für die Biodiversität, sondern Milch mit möglichst wenig Input produzieren», stellt der Landwirt klar. Entsprechend stellte er auf Vollweide ohne Kraftfutter, Kiwi-Cross-Kühe und saisonale Abkalbung um. «Meine Kühe haben kleinere Euter und erreichen im Durchschnitt 5000 Liter pro Jahr», fährt Fischer fort. Dafür produziere er günstiger als früher. Seine Frau Rebekka, Primarlehrerin und Bäuerin FH, gibt Schule auf dem Bauernhof und führt eine Spielgruppe. Auch Vater Gerhard ist noch im Einsatz und pflegt z. B. die Hochstammbäume. «Wir leben gut von unserem Betrieb, ich muss nicht auswärts arbeiten», fasst Markus Fischer die Lage zusammen. Für Pro Natura ist der Hof Fischer ein Beispiel dafür, wie die Vorschläge der Studie «Der Generationenwechsel in der Landwirtschaft als ökologische Chance» in der Praxis umgesetzt werden kann

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Nur 18 Prozent der LN betroffen

«Die Transformation des Land- und Ernährungssektors wird damit für alle Akteure über die nächsten 15 Jahre planbar», schreibt Marcel Liner. Künftige Betriebsleitende wüssten genau, welche Vorgaben und Rahmenbedingungen mit dem Generationenwechsel auf sie zukommen. Dies im Gegensatz zu agrarpolitischen Reformen, die alle paar Jahre neue Vorschriften für alle bringen. Ausserdem wäre die Weiterentwicklung des Betriebes unter den richtigen Rahmenbedingungen massgeschneidert auf jeden Hof. Nach Ablauf der Frist von 15 Jahren wäre dann, wenn alles klappt, die Hälfte der Betriebe nach den Vorgaben der Umweltziele Landwirtschaft standortgerecht und biodiversitätsfreundlich ausgerichtet. Betroffen wären laut einer Studie von Agroscope aber nur 28 Prozent der LN. Weitere Massnahmen wie die Abschaffung biodiversitätsschädigender Subventionen oder Anpassungen beim Grenzschutz seien daher zwingend.

Politische Mehrheit finden für weniger Tiere 

Der Tierbestand mit regional zu hohen Ammoniakemissionen ist – genauso wie der Konsum tierischer Produkte – aus Sicht von Pro Natura unbestreitbar zu reduzieren. Wie in der Studie ausgeführt wird, sei die tierlastige Produktion im Tal- und Hügelgebiet ein Resultat der Agrarpolitik der letzten 100 Jahre und somit weder naturgegeben, noch seit jeher Tatsache. Die Hoffnung ist, mit der Umsetzung in Etappen über den ohnehin bevorstehenden Generationenwechsel eine politische Mehrheit zu finden für tiefergreifende Änderungen und die Debatte nach der Sistierung der AP 22+ zu deblockieren. Man ist sich bewusst, dass gerade eine Reduktion des Tierbestands auf ein Stichdatum sehr schwer umsetzbar wäre. Praktikabler sei es, bei einem Betriebsleiterwechsel die Herde zu verkleinern – entweder mit finanziellen Anreizen oder über Vorschriften.

Den Konsum lenken

Dass die Bevölkerung eine ökologischere Produktion verlangt, ist immer wieder spürbar. Am Markt zeigt sich aber eine andere Realität und viele Konsument(innen) orientieren sich primär an Preisen. Auch bei der Nachfrage nach tierischen Produkten ist kein deutlicher Rückgang festzustellen. Was nicht im Inland produziert wird, müsste importiert werden, lautet daher ein häufiges Argument. «Es ist nicht fair, dem Konsumenten allein die Verantwortung zuzuschieben», findet Marcel Liner. Denn es sei bekannt, dass Werbung funktioniert. Er könnte sich vorstellen, etwa via Mehrwertsteuer lenkend einzugreifen. Für Fleisch gäbe es höhere Ansätze oder tiefere für Produkte von standortgerecht arbeitenden Betrieben. «Es gibt viele Möglichkeiten, den Konsum zu beeinflussen», ist der Agronom überzeugt. Damit liesse sich dafür sorgen, dass die neue, ökologisierte auch eine marktorientiere Produktion wird.

Gespräche mit Verbänden geplant

Pro Natura sieht die Studie als Beitrag zur Diskussion rund um die AP 22+, die in der kommenden Woche wieder aufgenommen wird. Ausserdem will Marcel Liner seine Überlegungen u.a. mit dem Schweizer Bauernverband und Bio Suisse diskutieren.  

Die vollständige Studie finden Sie hier.