Die Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung des Nationalrats (Urek-N) will rasch eine zusätzliche Jahresproduktion von einer Terawattstunde erneuerbarer Elektrizität realisieren, wie die Parlamentsdienste am Dienstag mitteilten. Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde mit 18 zu 7 Stimmen verabschiedet. Die Vorlage soll in der Frühjahrssession 2023 vom Parlament behandelt werden. Zuvor kann der Bundesrat Stellung beziehen.

Das dringliche Gesetz zur Beschleunigung von fortgeschrittenen Windparkprojekten war im vergangenen September von der Urek-N angestossen worden. Die Schwesterkommission im Ständerat stimmte den Plänen im Grundsatz zu. Es herrsche Konsens darüber, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gesteigert werden müsse, hiess es. Windenergieanlagen leisteten «einen wichtigen Beitrag zur Deckung der Winterstromlücke».

«Klar verfassungskonform»

Konkret sollen die Baubewilligungen für weit fortgeschrittene Windenergieprojekte vom Kanton erteilt und die damit zusammenhängenden juristischen Verfahren abgekürzt werden. Für Windenergieanlagen von nationalem Interesse sollen rechtskräftige Nutzungspläne als Baubewilligungen gelten, wenn im Rahmen der Nutzungsplanung eine umfassende Interessenabwägung stattgefunden hat.

Gegen diese Bewilligung soll nur vor einer kantonalen Instanz Beschwerde erhoben werden können. Der Weiterzug dieses Urteils an das Bundesgericht soll nur zulässig sein, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Das beschleunigte Bewilligungsverfahren soll befristet zur Anwendung kommen, nämlich bis in der Schweiz eine zusätzliche Jahresproduktion von einer Terawattstunde Elektrizität aus Windkraft realisiert ist. Eine Kommissionsminderheit will bereits bei 0,6 Terawattstunden zu den regulären Verfahren zurückkehren.

Die Nationalratskommission betont, dass bei der Ausarbeitung des Erlassentwurfs die Vereinbarkeit der neuen gesetzlichen Bestimmungen mit der Schweizer Rechtsordnung sorgfältig geprüft worden sei. Der verabschiedete Gesetzesentwurf sei «klar verfassungskonform». Der vorgesehene Eingriff in die kantonale Verfahrens- und Organisationsautonomie sei gestützt auf die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes in Sachen Energie und Raumplanung gerechtfertigt.

Keine Frist für Gerichte

Umstritten ist die Rolle der Gemeinden im Bewilligungsprozess. Die Mehrheit der Urek-N betont, dass diese bereits weitgehende Möglichkeiten hätten, sich in die Nutzungsplanung für Windenergieprojekte einzubringen. Da die Vorlage nur Projekte mit rechtskräftiger Nutzungsplanung betrifft, sieht die Mehrheit keinen Mehrwert in einer zusätzlichen Mitwirkungsmöglichkeit für die Gemeinden.

Eine Minderheit beantragt dem Nationalrat hingegen, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Sie soll so überarbeitet werden, dass für Windenergieanlagen im beschleunigten Verfahren auch zur Baubewilligung nochmals ein Volksentscheid auf Gemeindeebene ermöglicht wird.

Nach verschiedenen Anhörungen hat die Urek-N darauf verzichtet, den Gerichten bei Einsprachen eine verbindliche Entscheidungsfrist von neunzig Tagen zu setzen. Damit bleibe die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt, hiess es in der Mitteilung. Die Gerichte seien jedoch aufgerufen, die Verfahren möglichst schnell abzuwickeln.

Zwei Projekte im Fokus

Die Vorlage zielt insbesondere auf zwei Windparks. Einer davon ist eine Anlage mit acht Windturbinen in der Gemeinde Cugy VD oberhalb von Lausanne. Das Bundesgericht wies die Beschwerden der Gemeinde und von elf Privatpersonen gegen den Teilnutzungsplan im vergangenen März ab. Damit machte es den Weg frei für die Baubewilligung, die nach geltendem Recht angefochten werden kann.

Der zweite Windpark ist auf dem Grenchenberg SO vorgesehen. Dort musste die Bauherrschaft auf Geheiss des Bundesgerichts vom November 2021 zwei der ursprünglich geplanten sechs Windturbinen opfern. Auch hier ist nach dem höchstinstanzlichen Entscheid der Weg frei für die anfechtbare Baubewilligung.

Gemeinden fürchten um Mitspracherecht – Naturverbände einverstanden

Die geplanten beschleunigten Bewilligungsverfahren bei Windkraftprojekten stossen bei den Gemeinden auf einige Skepsis. Viele Umweltverbände dagegen wollen die neuen Regeln schlucken - pochen aber darauf, dass diese nur in einer Übergangsphase zur Anwendung kommen.

Verschiedene Umweltverbände kommentierten die Windenergie-Offensive am Dienstag verhalten positiv. Pro Natura, die Schweizerische Energie-Stiftung (SES), Bird Life Schweiz, Greenpeace Schweiz und WWF Schweiz begrüssten grundsätzlich eine Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, hiess es in einer gemeinsamen Mitteilung. Auch die Windenergie müsse ihren Beitrag zum Netto-Null-Ziel leisten.

Zentral sei dabei eine frühzeitige Erhebung der Naturwerte an den vorgesehenen Windparkstandorten, um Konfliktpotenziale mit Biodiversität und Landschaft zu vermeiden. Eine gewisse Abklärung dieser Naturwerte finde auf Ebene Nutzungsplanung bereits statt. Insofern sei ein abgekürztes Bewilligungsverfahren für diese Anlagen akzeptabel.

Das Gesetz muss laut den Umweltverbänden jedoch als Ausnahmeregelung betrachtet werden. Seine Anwendung müsse auf jene zehn Windparks beschränkt bleiben, welche über eine rechtskräftige Nutzungsplanung verfügten oder demnächst über eine solche verfügen würden.

Auch der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) begrüsst den Ausbau der erneuerbaren Energien, wie er auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Allerdings dürfe dieser Ausbau nicht auf Kosten der Gemeindeautonomie und weiterer verfassungsrechtlicher Grundsätze geschehen, liess sich Verbandsdirektor Christoph Niederberger zitieren.

Der Einbezug der Standortgemeinden bei der Baubewilligung für ein Windparkprojekt sei für den SGV eine unerlässliche Voraussetzung. Entsprechend kritisch werde sich der Verband in den politischen Prozess einbringen.