Mit 149 zu 17 Stimmen und bei 26 Enthaltungen verabschiedete der Nationalrat am Montag das vom Ständerat vorgeschlagene Gesetz über dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Erstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter. Die Enthaltungen kamen vor allem von den Grünen. Sobald die Vorlage bereinigt ist, soll sie für dringlich erklärt werden und umgehend in Kraft treten.

Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG) sprach von einem «sehr klaren Signal» des Ständerats. Jahrelang blockierte Projekte in Gang zu bringen, sei der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) wichtig.

Ergänzt mit Grimsel-Staumauer

Den Anstoss zur Vorlage gaben Solar-Grossanlagen in Gondo und in Grengiols im Wallis. Die Kommission habe den Entwurf des Ständerates mit Blick auf die Verfassungsmässigkeit verbessert, mit Unterstützung des Bundesamtes für Justiz, informierte Urek-Sprecherin Vincenz-Stauffacher den Rat.

Der Nationalrat hat die Vorlage des Ständerates mit der Erhöhung der Grimsel-Staumauer ergänzt. Dieser «Grimsel-Paragraf» soll es ermöglichen, das Projekt voranzubringen und dabei die laufenden Bauarbeiten für eine Ersatz-Staumauer ausnützen.

Verschiedentlich war von einem Kompromiss die Rede. Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) etwa sagte, Alpentäler sollten nur für Solaranlagen geopfert werden, wenn auch Dächer genutzt würden. «Mein Herz blutet, wenn ich an die Photovoltaik-Module in einem Landschaftspark denke.»

Die überarbeitete Vorlage sei nahe am Bild der «eierlegenden Wollmilchsau», fand Martin Bäumle (GLP/ZH). In der Brust der SVP-Fraktion schlügen zwei Herzen, sagte Thomas Aeschi (ZG). Einerseits verurteile sie das Vorgehen der Kommission. Aber sie wolle gleichzeitig mithelfen, alles Menschenmögliche zu tun, um eine Stromknappheit im Winter zu vermeiden.

Mehr Rücksicht auf Umwelt

Die Räte einigten sich grundsätzlich darauf, grosse Solaranlagen in den Bergen erleichtert zu bewilligen und die Investitionen mit Geld aus dem Netzzuschlag zu unterstützen.

Der Nationalrat will im Vergleich zum Ständerat mehr Rücksicht auf Natur und Landschaft. Er will auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht verzichten und Photovoltaik-Anlagen nicht überall zulassen, also zum Beispiel nicht in Biotopen von nationaler Bedeutung.

Weiter muss der Vorrang der Versorgungssicherheit «grundsätzlich» überwiegen, aber nicht absolut. Das soll eine Interessenabwägung ermöglichen. Der Rat folgte der Mehrheit der Urek-N, die die Vorlage aus dem Ständerat nach einem Gutachten des Bundesamtes für Justiz überarbeitet hatte.

Die erleichterten Bedingungen für Photovoltaik-Anlagen in den Bergen sollen gelten, bis eine Jahresproduktion von zwei Terawattstunden erreicht ist. Die Bundesbeiträge an die Investitionskosten dürfen höchstens 60 Prozent der Investitionskosten betragen. Sie sollen nach dem Willen des Nationalrats im Einzelfall festgelegt werden. Zudem will sich der Nationalrat von den Betreibern eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vorlegen lassen.

Mehr Ausnahmen bei Solarpflicht

Zweites Bein der Offensive ist eine Solarpflicht für Neubauten. Der Nationalrat will sie aber weniger eng fassen als der Ständerat und will eine Ausnahme der Pflicht für Kantone, die bei der Eigenstromversorgung von Neubauten ab 2023 mindestens die Mustervorschriften im Energiebereich («MukEn» 2014) anwenden.

Der Nationalrat will die Solarpflicht zudem nur für Flächen von mehr als 300 Quadratmetern. Auf kleineren Flächen sollen die Kantone zusätzlich eine Pflicht vorsehen können. Energieministerin Simonetta Sommaruga bedauerte die Begrenzung auf Über-300-Quadratmeter-Flächen. Etwa 70 Prozent der Gebäude würden so vom Standard schon wieder herausgenommen, sagte sie. Die Vorlage an sich bezeichnete sie als wichtigen Schritt.

Momentum ausgenutzt

Der Ständerat hatte die Solar-Offensive im Zusammenhang mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative beschlossen, als Zusatzvorlage. Die Mehrheit der kleinen Kammer wollte damit das Momentum zu Gunsten von mehr inländischem Winterstrom nutzen. Die Vorlage geht wieder an den Ständerat.

 

Ständerat räumt die Differenzen aus
Am 27. September 2022 hat die kleine Kammer die noch bestehenden Differenzen ausgeräumt. Sie folgt bei der Solaroffensive oppositionslos dem Nationalrat, der zuvor verschiedene Anpassungen zugunsten der Umwelt vorgenommen hat. Die Vorlage soll für dringlich erklärt werden, damit sie unmittelbar nach der Verabschiedung in Kraft treten kann. Das würde bedeuten, dass die Neuerungen an Ende Woche Gültigkeit haben.