Der Selbstversorgungsgrad und die Volksinitiative sind zwei der grossen agrarpolitischen Schlachtrösser, die regelmässig aus dem Stall geholt werden, um politischen Druck zu erzeugen. Zuletzt hatte die SVP, bzw. deren Vertreter Marcel Dettling und Esther Friedli im vergangenen Jahr eine Initiative zum Thema Selbstversorgungsgrad in Aussicht gestellt. Um das Projekt ist es nun aber still geworden und selbst innerhalb der Partei geht man davon aus, dass keine Unterschriftensammlung lanciert wird.
Spielball Agrarpolitik
Nun hat die Interessengemeinschaft (IG) Bauern Unternehmen an ihrem Gönnertreffen vom Freitag, 10. Februar, das Thema erneut aufgegriffen. Die Agrarpolitik sein ein Spielball im politischen Seilziehen. Das müsse sich ändern, sagte Präsident Samuel Guggisberg im aargauischen Birrhard. «Aus diesem Grund sind wir von der IG an der Ausarbeitung einer Volksinitiative, die die Selbstversorgung stärken und die ausufernde Emsigkeit der Verwaltung in Schranken weisen soll», erklärte er.
Damit seien nicht nur die öffentlichen Verwaltungen, sondern auch die Labelorganisationen gemeint. Als Praktiker könne man heute kaum noch das Gelan ausfüllen, sagte dazu später einer der Teilnehmer. Diverse Produktionssystem-Programme seien heute schwer kontrollierbar, ergänzte Guggisberg. Der vermarktungstechnische Mehrwert werde auf dem Rücken der Bauern erwirtschaftet und damit sei die Wertschöpfung bei steigenden Risiken für die Landwirtschaft klein. Die Abgeltung müsste deshalb deutlich höher sein, am liebsten über den Markt, so Guggisberg.
Mit dem Projekt wolle die IG – eine Vereinigung, die sich für die produzierende Landwirtschaft einsetzt – die inländische Produktion stärken, die aus ihrer Sicht in Gefahr ist. Auf Nachfrage sagte Guggisberg, es sei noch offen, ob im Initiativtext eine Prozentzahl für den Selbstversorgungsgrad stehen werde. Ebenso offen ist das Lancierungsdatum.
«Plan Wahlen hatte den höchsten Selbstversorgungsgrad»
Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) war an der Veranstaltung als Referent eingeladen. Nach seinem Referat erklärte er punkto Selbstversorgungsgrad, es brauche dazu eine Diskussion innerhalb der Landwirtschaft, wohin man diesbezüglich wolle. «Den höchsten Selbstversorgungsgrad hatten wir mit dem Plan Wahlen», sagte er mit Verweis auf die Anbauschlacht im zweiten Weltkrieg. Wolle man dahin zurück, dann gebe es aber kaum mehr Pouletmast und Schweineproduktion, «denn auf dem Ackerland dürfte kein Futter mehr für Tiere wachsen», so Hofer.
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Vorgängig hatte der BLW-Direktor die aktuelle Agrarpolitik erläutert. Diese strebe im Grundsatz dieselben Ziele an, wie die IG, nämlich in erster Linie die Stärkung des Bauernstands. Gleichzeitig müsse man aber dessen Bedürfnisse mit denjenigen der Bevölkerung unter einen Hut bringen. Dazu gehörten auch erhöhte ökologische Anforderungen.
Private regulieren schärfer als der Bund
Gleichzeitig wies Hofer die zahlreich gekommenen Teilnehmer(innen) am Anlass darauf hin, dass die höchsten Anforderungen und die von Bauern viel kritisierten Verschärfungen nicht vom Bund her kommen, sondern von Privaten. Der Bund habe bereits festgehalten, dass Nahrungsmittelproduktion auch längerfristig nicht CO2-neutral erfolgen könne. Gleichzeitig hätten Grossunternehmen wie Emmi und Nestlé aber genau dieses Ziel auf ihre Fahnen geschrieben, und zwar bis 2050. In ähnliche Richtungen gehen die Wirkstoff-Verbote durch den Detailhandel im Acker-, Gemüse- und Obstbau.
Diese Verbote sind der IG ein massiver Dorn im Auge. Mehrere Votanten wiesen darauf hin, dass diese Politik zu mehr Foodwaste und zunehmenden Resistenzen bei den Schädlingen führen werde. Mehrfach kritisiert wurden auch die ökologischen Massnahmen im Rahmen der Parlamentarischen Initiative 19.475 und weitere Schritte im Nachgang zu den 2021 klar abgelehnten Agrar-Initiativen. So etwa das Schleppschlauch-Obligatorium oder die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen auf dem Acker. Hofer konterte, indem er erklärte, die 3,5 Prozent seien letztlich vom Bundesrat beschlossen worden und im Übrigen müsse man hier den Blick etwas weiter fassen. Die Buntbrachen machten im Vergleich zu Freizeitaktivitäten und Pensionspferdehaltung einen Bruchteil des Flächenverlusts für die Produktion aus.
Scharfe Kritik am Getreidepreis
Scharf kritisiert wurde von Guggisberg im Rahmen der Versammlung auch das Niveau der Abgeltung der Produkte. So sei der aktuelle Getreidepreis Produkt eines «Versagens an allen Fronten». Es habe lediglich leichtes Säbelrasseln durch die Abnehmer gebraucht, um die Produzenten am Verhandlungstisch einzuschüchtern. Diese hätten sich dann mit einer mageren Preiserhöhung zufriedengegeben, sagte Guggisberg. Nun müssten die Bauern als schwächstes Glied in der Kette die Margen und das Überleben der Müller sichern, enervierte sich der IG-Präsident, das sei schlimm.
Ebenso falsch sei es, dass sich der Detailhandel nun mit pestizidfrei produziertem Getreide brüste, während an die Importware keinerlei ökologische Anforderungen gestellt würden. Letztlich hätten die Detailhändler aber ein Interesse an sinkender Inlandproduktion durch höhere Anforderungen, so Guggisberg, denn so könnten sie die Importe erhöhen und hochmargig absetzen.
Die Gastgeberin
Gastgeberin des Anlasses war die Firma Haller GmbH. Der künftige Co-Eigentümer und Sohn des Eigentümers, Thomas Haller gab einen interessanten Überblick zur Firmengeschichte, diese hat 1955 mit zwei Maschinen begonnen, heute betreibt man mit 10 Festangestellten einen Maschinenpark mit gut 180 Einheiten für 450 Kunden. Nach wie vor gehört auch ein Landwirtschaftsbetrieb mit 40 ha Ackerbau zur GmbH, zu der u. a. auch ein Dreschteam (mit der Familie Suter, Steinhof, Hendschiken) und eine Winterdienstabteilung gehören. Weitere Infos zur Haller GmbH finden Sie hier.