An den Regionalseminaren in vier Landesteilen informiert der Schweizer Bauernverband (SBV) die Interessierten alljährlich im Vorfeld der Delegiertenversammlung über die aktuellen Entwicklungen auf den Märkten und in der Politik. Wir haben am Freitag, 28. Oktober das Seminar am Wallierhof im solothurnischen Riedholz besucht. 

Blick auf regionale Sorgenfalten

Zum Auftakt begrüsste der kantonale Bauernpräsident Andreas Vögtli das eher spärlich aufmarschierte Publikum, gleichzeitig fand nämlich die Abdankung für den ehemaligen kantonalen Bauernsekretär Urs Nussbaumer statt, dem viele Solothurner Bauern die letzte Ehre erweisen wollten.

Vögtli informierte kurz über die drängendsten Probleme der Berufskolleg(inn)en im Kanton und erwähnte namentlich die geplante Renaturierung des Flüssleins Dünnern und das Nitratprojekt im Kantonsteil Gäu, beides Projekte mit voraussichtlich grossen Auswirkungen auf die Landwirtschaft.

Das schlimmste sollte beim Strom zu verhindern sein

Damit war der Teppich gelegt für die folgenden Traktanden. SBV-Präsident Markus Ritter erklärte, man befinde sich in einer bewegten Zeit, das zeigte sich kurz darauf an den Ausführungen zur Stromversorgung von Direktor Martin Rufer und Markt-Spezialist Michel Darbellay.

Rufer erklärte, für den kommenden Winter müsse kaum vom Schlimmsten – also rotierenden Stromabschaltungen – ausgegangen werden. Mit dem Winter 22/23 seien die Probleme aber längst nicht alle vorbei. Es sei deshalb wichtig, dass man sich vorbereite auf mögliche Mangellagen. Unterstützung erhielt er von Darbellay, der die Anwesenden dazu aufrief, proaktiv zu handeln. Der SBV hat zu diesem Zweck ein Basisdokument aufgeschaltet, das sich unter diesem Link befindet.

Die Situation auf den Märkten trägt ebenfalls Spuren der aktuellen Weltlage. Mit Ausnahme des Schweinemarkts läuft es zwar laut Auskunft der SBV-Vertreter recht gut. Es sei auch gelungen, einen Teil der zusätzlichen Kosten durch Preiserhöhungen zu decken. Es gebe aber immer noch ein ungedecktes Delta von 200 bis 300 Mio Fr. zwischen den Kostenerhöhungen und den Mehrerlösen, so Martin Rufer. 

Satte Detailhandelsmargen

Bei dieser Gelegenheit kam die Versammlung unter Beteiligung einiger Besucher auf die Frage zu sprechen, wie hier Verbesserungen erwirkt werden könnten. Die Detailhandels-Margen seien immer noch stattlich, sagte Michel Darbellay. 

Markus Ritter unterstrich diese Aussagen, indem er ein paar Zahlen erwähnte: «Wir produzieren jährlich Lebensmittel im Wert von 11,7 Mrd Fr. Dazu kommen Importe im Umfang von 6 bis 7 Mrd Fr. Der Detailhandel verkauft den grössten Teil dieser Lebensmittel für einen Umsatz von rund 51 Mrd Fr., weitere 12 Mrd Fr. erwirtschaftet der Gastrogrosshandel mit Lebensmitteln.» Man rechne: Die Marge des Handels beläuft sich auf gut zwei Drittel der gesamten Erträge. Eindrücklich auch die von Ritter genannten Anteile der Landwirtschaft am Konsumentenfranken. 1970 lag dieser bei 55 Rappen. Unterdessen sind wir bei 25 Rappen angelangt.

Verhandeln, bis die anderen ins Fitness müssen

Man war sich am Wallierhof einig, dass Verhandlungsgeschick notwendig sei, um mehr rauszuholen. Kartoffelproduzenten-Präsident Ruedi Fischer erklärte allerdings, es sei ein äusserst hartes Geschäft, mit dem Handel im Preiskampf an einem Tisch zu sitzen. Hans Marti vom Getreideproduzenten-Verband warf ein, dass die Bauern sich zum Teil auch gegenseitig die Preise strittig machen. Er illustrierte dies mit den Futtermittelpreisen, wo die Mäster Interesse an möglichst tiefen Ansätzen hätten. Dies habe dann aber direkte Auswirkungen auf die Preisfestsetzung beim Brotgetreide, warnte er.

Ritter erklärte, der wichtigste Teil der Verhandlungen sei deren Vorbereitung. Man müsse dem Gegenüber die knallharten Fakten – meistens Zahlen – auf den Tisch legen können. Zudem dürfe man keineswegs unter Zeitdruck stehen, etwa wegen dem Melken, vielmehr gelte es, so lange ausharren zu können, bis die Gegenseite plötzlich dringend ins Fitness müsse, sagte der SBV-Präsident zur Erheiterung des Publikums.

«Zustand geistiger Schwäche» des Bundesrats 

Absenkpfad Pflanzenschutzmittel und Nährstoffverluste«Der Bundesrat hat den Bogen überspannt», sagt Michel Darbellay vom Schweizer BauernverbandFreitag, 21. Oktober 2022 Fast weniger zu diskutieren als die Märkte gab die aktuelle Lage auf der agrarpolitischen Agenda. Zunächst stand die Umsetzung der Parlamentarischen Initiative 19.475 im Vordergrund. Diese habe der Bundesrat im April «vermutlich im Zustand geistiger Schwäche» verabschiedet, sagte Direktor Martin Rufer. Hier werde nun versucht, im Rahmen eines «Heilungsprogramms» auf zwei Schienen zu korrigieren, einerseits mit einer Reihe von parlamentarischen Vorstössen und andererseits mit direkten Interventionen beim Bundesrat (wir berichteten).

So sind laut Auskunft der SBV-Vertreter die Aussichten recht gut, dass der Absenkpfad Nährstoffe von 20 auf 10 Prozent reduziert werden kann. Zudem hofft man, dass auch die 3,5 % Biodiversitätsfläche auf dem Acker noch fallen werden. Der Ständerat hat entsprechende Motionen gutgeheissen, im Nationalrat steht der Hosenlupf in der Wintersession bevor. Zudem hofft man, dass die Reduktion der Versorgungsbeiträge um 100 Franken pro Hektare geringer ausfällt als ursprünglich geplant (noch 700 statt nur mehr 600 Fr).

Gut aufgegleiste Mini-AP

Das sogenannte Mini-Paket AP 22+ kommt in der kommenden Wintersession zuerst in den Ständerat. Hier laufe vieles in der gewünschten Richtung, hiess es am Freitag. Einige kritische Punkte wie etwa die Reduktion der DGVE pro ha von 3 auf 2,5 als ÖLN-Bedingung kamen gar nicht ins Paket. Andere Massnahmen sollten dank Anträgen der Kommission noch gestoppt werden können, so Francis Egger. Auch hier wird der Lackmus-Test dann mit der Nationalrats-Verhandlung folgen. Hier ist das Klima oft deutlich rauer gegenüber der Landwirtschaft als in der kleinen Kammer. 

Optimistisch in Sachen Jagdgesetz

Optimistisch sind die SBV-Exponenten bezüglich der Revision des Jagdgesetzes. Hier habe der Ständerat einige wichtige Pflöcke eingeschlagen. So etwa die Möglichkeit, den Wolf präventiv und nicht erst über einer festgelegten Schadensschwelle regulieren zu können. Selbst bei den Wolfs-freundlichen Organisationen habe man unterdessen eingesehen, dass eine gewisse Regulierung unumgänglich sei, so der Tenor an der Veranstaltung. Die Revision dürfte allerdings für die Weidesaison 2023 noch nicht in Kraft sein, dank einem Paket auf Basis des bestehenden Gesetzes seien aber bereits nächstes Jahr Verbesserungen möglich, sagte Martin Rufer. 

Zudem kam die Sprache auch kurz auf den Biber, der im Veranstaltungsgebiet mehr Sorgen bereitet als der bisher noch absente Wolf. «Auch da haben wir eine Verbesserung in unserem Sinn», so Rufer. Man dürfe ihn zwar weiterhin nicht regulieren, aber immerhin erhielten Landwirte im Aktionsradius des Nagers neu Hilfe vom Bund bei präventiven Massnahmen. 

Werbung für «Perspektive Schweiz»

Ausführlich präsentiert wurde auch die gemeinsame Kampagne mit den Wirtschaftsverbänden unter dem Titel «Perspektive Schweiz». Es gelte in den Wahlen 2023 dringend einen weiteren Linksrutsch zu vermeiden. «Wenns nochmal eine Verschiebung gäbe Richtung Links wäre es ganz ganz schwierig», sagte Martin Rufer, «dann müssten wir in den Referendumsmodus schalten». Soweit ist es aber noch nicht. Die Zusammenarbeit sei bis anhin erfolgreich, bilanzierte der Kampagnen-Verantwortliche Urs Schneider. So habe man dank der Mobilisierung auf dem Land die AHV-Revision retten können, sagte er.

Wie immer in den Abstimmungskampagnen habe auch «Perspektive Schweiz» drei Phasen: Information, Motivation, Mobilisierung. Schneider erinnerte an die Informationsphasen vor den Agrar-Initiativen («Wir schützen, was wir lieben») oder vor der Massentierhaltungs-Initiative, wo man den Begriff «unnötig» pushte und starkes Gewicht auf das bestehende Tierwohl legte, ohne damit das Nein schon in den Vordergrung zu stellen. 

Schürch befürchtet Konsequenzen

Bäuerin Gabi Schürch warnte davor, dass sich die Kampagne zu einem Bumerang entwickeln könnte, nämlich dann, wenn sich gemässigte und bauernfreundliche Kanidat(innen) von SP und Grünen durch den SBV nicht länger unterstützt fühlten. 

Markus Ritter replizierte, dass sich diese Leute parteiintern noch etwas stärker einsetzen müssten für ihre Positionen. Er selber müsse sich jeweils in der Mitte-Fraktion stark wehren für die Landwirtschaftsanliegen: «Da wird einem nichts geschenkt». Abgesehen davon stehe es natürlich jedem kantonalen Verband frei, wen man unterstützen wolle im Hinblick auf die Nationalratswahlen. 

Kurze Ruhepause bei Initiativen

Bezüglich Initiativen wird die Ruhepause nur von kurzer Dauer sein. Die Landschafts- und Biodiversitäts-Initiativen sind derzeit in der parlamentarischen Behandlung. Hier braucht es laut den SBV-Vertretern noch einiges an Arbeit, um zu starke Einschränkungen für die Landwirtschaft zu verhindern.