Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine und den daraus resultierenden Konsequenzen auf den globalen Nahrungsmittelmärkten macht man sich in der Schweiz wieder stärker Gedanken um die eigene Ernährungssicherheit. Diese ist nicht akut gefährdet. Aber die Bedeutung der heimischen Fruchtfolgeflächen (FFF) ist im öffentlichen Bewusstsein in den vergangenen Monaten vermutlich deutlich gestiegen.

Schwindende Ressource

Diese wertvolle Ressource ist am Schwinden. Das hat man beim Bund allerdings schon lange vor dem Ukraine-Krieg erkannt. 1986 wurde in der Raumplanungsverordnung der Begriff FFF definiert. Darin wurde zudem festgehalten, dass der Mindestumfang der besten Ackerflächen im Land «für Zeiten gestörter Nahrungsmittelzufuhr zu erhalten sei».

Das kann man im neusten Sachplan FFF des Bundes 2020 nachlesen. Erstmals wurde dieser Sachplan 1992 publiziert. Dieser habe zusammen mit dem Raumplanungsgesetz von 1979 dazu geführt, dass der Verlust an FFF gesenkt werden konnte, heisst es in der revidierten Variante. Ein Stopp lag aber noch in weite Ferne. Im Gegenteil: Zwischen 1985 und 2009 gingen in der Schweiz rund 85 000 ha Kulturland verloren. Dies entspricht laut dem Sachplan in etwa dem bekannten Quadratmeter pro Sekunde. Davon mussten rund zwei Drittel neuen Siedlungsflächen weichen, der Rest wurde zu Wald.

Diese Entwicklung sorgte auch für zunehmende Besorgnis in der Bevölkerung, wie die teilweise erfolgreichen Kulturland-Initiativen in Kantonen Bern, Luzern, Thurgau und Zürich zeigen. Auch die Zustimmung zur Zweitwohnungs-Initiative 2012 und zum Artikel 104a für Ernährungssicherheit 2017 wertet der Sachplan als Ausdruck des Unbehagens über den Kulturlandverlust.

Kantone in der Kritik

Da trotz strengeren Auflagen im ersten Sachplan von 1992 der Kulturlandverlust praktisch unverändert weiterging, zog der Bund mit dem neuen Sachplan von 2020 nun die Zügel an. Die Kantone werden darin recht direkt kritisiert. Es ist die Rede von «ungenauen und lückenhaften Bodeninformationen» und der Gefahr, dass die in den kantonalen FFF-Inventaren enthaltenen Flächen stets kleiner werden, wenn man den Kantonen zu viel Freiheiten gewährt.[IMG 2]

Obwohl die Untergrenzen schon im Sachplan von 1992 beschlossen worden sind, tappen auch heute noch diverse Kantone im Dunkeln, was den effektiven Bestand an FFF angeht. Das hat auch Folgen bezüglich Übersicht auf Bundesebene. Dort weiss man zwar, wie viel jeder Kanton an FFF haben müsste, aber was die Kantone effektiv haben, dazu gibt es keine Liste.

Eine solche Statistik wird beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) für 2023 in Aussicht gestellt. Immerhin wagt man eine Schätzung bezüglich der gesamten verfügbaren FFF. Diese beläuft sich laut Martin Vinzens vom ARE auf 445 000 ha. Das sind nur rund 6500 ha mehr, als der Sachplan verlangt.

Inventare überprüft

Gleichzeitig versichert man beim ARE, dass im Rahmen der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) auch die FFF-Inventare geprüft habe, mit moderat positivem Ergebnis: «Es konnte festgestellt werden, dass alle Kantone den Mindestumfang sichern konnten», schreibt Sprecher Marc Rezzonico auf Anfrage, «einige Kantone allerdings nur knapp.»

Hier scheint man aber Abhilfe gefunden zu haben: Mit den von den betroffenen Kantonen aufgrund des Sachplans 2020 eingeführten Kompensationsmechanismen von verbrauchten FFF «sollte einer Unterschreitung des Mindestkontingents genügend vorgebeugt werden können», hofft man beim ARE.

Diese Kompensationen sind Aufwertungen von bisher nicht ackerbaulich genutzten Flächen zu FFF aufgrund von Wegfall von FFF an anderer Stelle. Im kantonalen Magazin «Umwelt Aargau» wurde unlängst ein erstes solches Projekt im Kanton umfangreich beschrieben. Hier ging es um den Ersatz von gut einer Hektare FFF aufgrund einer Flächenbeanspruchung durch das Bundesamt für Strassen. Für die Ersatzfläche wurde man in Schmiedrued fündig. Über die Kosten des Projekts verlautete im Artikel nichts, diese dürften aber sehr hoch sein, wobei die Beteiligung eines Bundesamts hier die Dinge vermutlich vereinfacht hat.

Ein Kanton war im Minus

Und was tut man beim Bund, wenn ein Kanton die Vorgaben des Sachplans FFF nicht erfüllt und insbesondere den vorgegebenen Mindestumfang nicht mehr einhält? In solchen Fällen könne das ARE gestützt auf die Raumplanungsverordnung des Bundes mit diesem Kanton eine Verwaltungsvereinbarung zur Regelung der Zusammenarbeit abschliessen.

In diesem Rahmen können die vom Kanton zu ergreifenden Massnahmen näher festgelegt und vorsorgliche Schutzmassnahmen für die bestehenden FFF vorgesehen werden, heisst es beim Bundesamt weiter.

Eine solche Vereinbarung sei 2014 mit einem nicht namentlich genannten Kanton abgeschlossen worden, der den von ihm gemäss Sachplan FFF zu sichernden Mindestumfang nicht mehr eingehalten hat.

Der betroffene Kanton durfte keine Nutzungspläne mehr beschliessen oder genehmigen, die FFF beanspruchen, und zwar selbst dann nicht, wenn die beanspruchten FFF kompensiert werden. Das Verbot wurde laut ARE-Sprecher Rezzonico aufgehoben, nachdem der Kanton seinen Mindestumfang wieder einhalten konnte.

Eingriff in Richtpläne

Zudem habe der Bund im Rahmen der Genehmigung entsprechender Richtpläne in Zusammenhang mit der Umsetzung von RPG 1 Vorbehalte im Zusammenhang mit dem Schutz der FFF, insbesondere mit der Gewährleistung des Mindestumfangs, formuliert oder sogar direkte Änderungen von Richtplanfestlegungen vorgenommen, schreibt das ARE weiter.

Kantone, bei denen ein besonderer Handlungsbedarf festgestellt wurde, wurden zudem zu einer Berichterstattung in kürzeren Intervallen aufgefordert (z.B. jährlich statt vierjährlich), so das ARE.

Spätestens im Mai 2024, vier Jahre nach der Gutheissung des überarbeiteten Sachplans FFF, sollten alle Kantone dem ARE zum Stand des FFF-Inventars Bericht erstattet haben, heisst es beim Bundesamt. Falls im Rahmen der Berichterstattung bei der Prüfung der FFF-Inventare ersichtlich wird, dass im Verhältnis zum vorgegebenen Mindestumfang lediglich noch ein minimaler Spielraum besteht, muss der Kanton, im Einvernehmen mit dem ARE, Massnahmen ergreifen.

Beispiel Thurgau: Kompensation sorgt für Debatten
Im Spätsommer/Herbst nimmt der Grosse Rat im Kanton Thurgau Stellung zum revidierten Richtplan. Das verspricht spannend zu werden. Anfang Juli hatte der Regierungsrat den Richtplan verabschiedet.
Laut dem Sachplan Fruchtfolgeflächen (FFF) muss der Thurgau eine Mindestfläche von 30'000 ha FFF sicherstellen. Aktuell beträgt die FFF 30'606 ha. «Mit der Reserve von 606 ha sind wir momentan besser dran als andere Kantone», sagt Patrick Rösch vom Thurgauer Amt für Raumentwicklung, und weiter: «Gemäss aktuellen Abschätzungen verfügen wir auch 2040 noch über eine FFF-Reserve in der Höhe von rund 350 ha und können das kantonale Kontingent problemlos sicherstellen.»
Was im Grossen Rat zu Diskussionen führen wird, ist die anvisierte FFF-Kompensationsregelung. So soll inskünftig der FFF-Verbrauch bei Bundesvorhaben, bei Einzonungen sowie bei kantonalen und kommunalen Strassenbauprojekten kompensiert werden.
Von der Kompensationspflicht befreit sind die Vorhaben für den Langsamverkehr. Bei den Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen sah der Regierungsrat von einer Kompensationspflicht ab. Der geschätzte FFF-Verlust sei mit 60 ha relativ gering. Dabei handle es sich grösstenteils um landwirtschaftliche beziehungsweise zonenkonforme Bauvorhaben. Auch der FFF-Verlust bei Umzonungen in Landwirtschaftszonen für besondere Nutzungen (50 ha) oder in Abbau- oder Deponiezonen (20 ha) falle laut Rösch eher weniger ins Gewicht.
Ausgenommen von der Kompensationspflicht sind zudem Wasserbauprojekte. Bis ins Jahr 2040 fallen durch Hochwasserschutz- und Revitalisierungsmassnahmen knapp 120 ha an FFF weg, die den Gewässern «zurückgegeben» werden. «Aber diese Massnahmen liegen im kantonalen und nationalen Interesse», fügt Rösch an.
Die Umweltschutzorganisationen verlangen allerdings auch für die landwirtschaftlichen Vorhaben eine Kompensationspflicht, andere Akteure finden, dass bei der Realisierung von Wasserbauprojekten die verbrauchten FFF kompensiert werden müssen.
Die SVP, die Genossenschaft Thurgauer Milchproduzenten, der Thurgauer Obstverband, der Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL) und die Vereinigung Thurgauischer Beerenpflanzer haben schon im Vorhinein beantragt, dass FFF, die durch Vorhaben für den Langsamverkehr beansprucht werden, kompensiert werden müssen.

Beispiel Zürich: Boden wird aufgewertet
Um einiges knapper als im Thurgau ist die Fruchtfolgefläche im Kanton Zürich. Auf Ende 2021 gab es 44 573 ha FFF. Damit übertrifft der Kanton das vom Sachplan Fruchtfolgefläche vorgegebene Kontingent von 44'400 ha gerade mal um 173 ha. Diese Reserve ist knapp. Isabelle Rüegg von der Baudirektion des Kantons Zürich geht davon aus, dass auch zukünftig das Kontingent nicht unterschritten werde, denn fast ausnahmslos aller Verbrauch an Fruchtfolgeflächen müsse kompensiert werden.
Kompensationspflichtig sind Strassen und Radwege, aber auch Renaturierungsprojekte im Gewässerbau oder Naturschutzprojekte, soweit sie standortgebunden auf Fruchtfolgeflächen stattfinden müssen.
Ausgenommen von der Kompensationspflicht sind zudem zonenkonforme Bauten für die Landwirtschaft. Die Kompensation geschieht durch Rückzonung von Baulandreserven oder meistens durch Aufwertung beeinträchtigter Böden. Für Letzteres muss eine entsprechende Fläche so aufgewertet werden, dass sie mindestens die gleiche landwirtschaftliche Nutzungseignung hat wie die beanspruchte FFF.
«Im Schnitt wurden in den vergangenen Jahren Flächen im Umfang von ungefähr 10ha/Jahr aufgewertet. Die Zahlen unterliegen jedoch starken jährlichen Schwankungen», sagt Isabelle Rüegg. Mit der vom Kanton Zürich angestossenen Verankerung von geeigneten Perimetern für grossflächige Bodenaufwertungen in den regionalen Richtplänen sei in den kommenden Jahren mit einer flächenmässigen Zunahme an landwirtschaftlichen Bodenaufwertungen zu rechnen.

Beispiele Bern: Reserve sollte für 10 Jahre reichen
Insgesamt gibt es im Kanton Bern über 82'789 Hektaren anrechenbare Fruchtfolgeflächen (FFF). Das sind 589 ha mehr, als der Bund als Mindestumfang vorschreibt.
Diese FFF-Reserve kann für Einzonungen oder andere bodenveränderte Nutzungen eingesetzt werden, für die gemäss Gesetz keine Kompensation möglich ist. Der Kanton Bern schätzt, dass diese Fläche als Reserve für die nächsten zehn Jahre reichen sollte. Das Gesetz zur Beanspruchung von FFF bleibt aber hoch. Noch vor drei Jahren hat das Berner Inventar die FFF um rund 387 ha ergänzt. Die Ergänzung umfassen:
- Die Aktualisierung der FFF als Folge von Einzonungen, Bereinigung des Übersichtszonenplans und Nachführung von Kompensationsflächen.
- Die Nachführung der FFF-Verluste durch Bauten und Terrainveränderungen ausserhalb der Bauzone in den Jahren 2010 bis 2019.
- Die Ergänzung des FFF-Inventars mit den bereinigten Zusatzflächen oberhalb von 900 m ü. M.

Beispiel Freiburg: Restriktiverer Weg nötig
Im Kanton Freiburg sieht es folgendermassen aus: Dank der getroffenen Massnahmen verfügt der Kanton heute über 36 473 ha an Fruchtfolgeflächen. Das heisst, es besteht eine Reserve von 673 ha hinsichtlich der kantonalen Quote. Mit diesen zusätzlichen Hektaren wird der Kanton Freiburg folglich über eine ausreichende «Marge» bzw. eine «Reserve» für die geplanten Entwicklungsprojekte verfügen. Der Kanton Freiburg muss aber einen restriktiveren Weg einschlagen als in der Vergangenheit, um den Vorgaben des Bundes noch gerecht zu werden.

Beispiel Solothurn: Knapp erfüllt 
Nur noch knapp erfüllt der Kanton Solothurn den vorgegeben Mindestbestand an Fruchtfolgeflächen. So müssen im Kanton mindestens 16 200 ha FFF zur Verfügung stehen. Aktuell sind es noch 16'600 ha. Betreffend landwirtschaftliche Nutzfläche weisst der Kanton noch 33'900 Hektaren aus. Der Rückgang der FFF hat zwei Gründe: Einerseits ist er eine Folge der Bautätigkeit im Kanton. Andererseits hat Solothurn sein Inventar auf Basis von aktuellen und besseren Datengrundlagen und den Kriterien des Bundes neu berechnet.
Der vom Bund vorgegebene Mindestumfang von 16'200 Hektaren FFF wird also noch erreicht. Weitgehende Schutzmassnahmen sind aber unabdingbar. So sind künftig bei jeder Beanspruchung von FFF zusätzliche Abklärungen nötig. Ab einer Beanspruchung von mehr als 2500 m² führt der Kanton Solothurn eine Kompensationspflicht ein. Diese kann insbesondere über eine Auszonung, den Rückbau von bestehenden Bauten und Anlagen mit Wiederherstellung oder über die Aufwertung von Böden, deren Aufbau infolge menschlicher Tätigkeiten stark verändert ist, erfüllt werden.

Beispiel Basel: Auftrag erfüllt
Im Kanton Basel-Stadt sieht es so aus: Der erforderliche Mindestumfang an FFF von 240 ha ist noch gesichert. Falls abzusehen ist, dass die vom Bund geforderten 240 ha tangiert werden, seien adäquate Ersatzflächen anzuordnen. Im Kanton Basel-Landschaft beträgt die FFF-Gesamtfläche per Stand Oktober 2021 9977 ha. Der Auftrag gemäss Sachplan Fruchtfolgeflächen, wonach der Kanton Basel-Landschaft eine Gesamtfläche von 9800 ha Fruchtfolgeflächen erhalten muss, ist somit erfüllt.

Luzern: Gut unterwegs
Der Kanton Luzern muss gemäss Sachplan FFF des Bundes sechs Prozent der Schweizer Mindestfläche sicherstellen. Das sind 27'500 ha. Bei Ersterhebungen Ende der 80er-Jahre wurden noch rund 28'000 ha ausgewiesen. Die damaligen Erhebungen gelten aber als «uneinheitlich, unsystematisch und ungenau», wie es sogar auf der Website des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements heisst. 2020 betrug die statistisch ausgewiesene Fläche an anrechenbaren FFF nur mehr 27'530 ha, also lediglich eine Reserve von 30 ha gegenüber dem Soll. Dank der nun geltenden Kompensationspflicht bei Verlust von FFF wegen Überbauung konnte der Rückgang in den letzten Jahren aber aufgehalten werden, ist Bruno Zosso von der Dienststelle Raum und Wirtschaft überzeugt.
Schon 2012 beschloss der Regierungsrat Massnahmen für den Erhalt von FFF. Und durch die Annahme des Gegenvorschlags zur Luzerner Kulturlandinitiative im November 2020 erhielt der Kanton den Auftrag, Bodeninformationen zur Festlegung und zum besseren Schutz der FFF zu erheben. Im Planungs- und Baugesetz wurde deshalb festgelegt, dass bis 2030 die Fruchtfolgeflächen vollständig kartiert werden müssen. Luzern sei vergleichsweise weit, bezüglich verlässlichem Nachweis von FFF, meint Zosso. Klarheit über die effektiv vorhandenen FFF bestehe aber erst, wenn alle Böden kartiert seien. Er geht davon aus, dass gegenüber den jetzigen FFF-Karten und der Statistik sowohl Zu- wie Abgänge an FFF möglich sein werden.