Die ungarische Landwirtschaftskammer NAK lud die Bauernverbände vom 7. bis zum 10. Juni nach Budapest ein, um die diesjährige Generalversammlung des Weltbauernverbandes abzuhalten. 150 Vertreterinnen und Vertreter aus 50 Ländern sind der Einladung gefolgt. Nachdem die letzten zwei Jahre die Generalversammlung pandemiebedingt als Online-Veranstaltung abgehalten wurde, war es das erste Mal nach dem Kongress in Luxemburg 2019, dass sich die Mitglieder wieder trafen.

Auszeichnung für ruandische Ex-Agrarministerin

Ein erster Höhepunkt der Veranstaltung war die offizielle Eröffnungszeremonie, welche am ersten Abend in der Reithalle des Schlosses von Buda stattfand. Neben den Begrüssungsworten von WFO-Präsident Theo de Jager sprachen verschiedene ungarische Vertreter: der Präsident der Landwirtschaftskammer, der Präsident des Bauernverbandes, der Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums und der Landwirtschaftsminister. Ein Grußwort von des FAO General Direktors Dongyu Qu wurde per Video gezeigt.

Der Weltbauernverband zeichnete auch wieder eine Person aus für ihre besonderen Verdienste für die Landwirtschaft. Die Auszeichnung ging dieses Jahr an Agnes Kalibata. Agnes Kalibata ist eine Agrarwissenschaftlerin und Politikerin aus Ruanda. Sie war von 2008 bis 2014 ruandische Landwirtschaftsministerin. Seit 2014 leitet Sie die Allianz für eine grüne Revolution in Afrika. 2021 leitete sie den Food Systems Summit der Vereinten Nationen.

Abschluss des Jungbauerngymnasiums

Die Generalversammlung war ebenfalls die Abschlussveranstaltung des 2. Jungbauerngymnasiums. Während 3 Jahren haben sich 27 Junglandwirte aus allen Ecken der Welt regelmässig ausgetauscht, um sich in internationalen Agrarfragen weiterzubilden und um über die Herausforderungen der Junglandwirte zu diskutieren. Aufgrund der Pandemie fanden die Treffen leider nur virtuell statt. Stellvertretend für die Gruppe stellten Caterina Luppa (Italien) und Khoushbou Singh Sewraj (Mauritius) das Abschlussdokument des Gymnasiums “Young Farmer Students’ Manifesto” vor. 9 der 27 Teilnehmer waren in Budapest anwesend. Sie erhielten ein Abschlussdiplom.

Theo de Jager konnte 6 Bauernverbände begrüßen, welche im Lauf der vergangenen 12 Monate neue Mitglieder des Weltbauernverbandes wurden: SAAI aus Südafrika, NFF aus Australien, NAAC aus Uganda, VNFU aus Vietnam, AGIA aus Italien und AFRD aus Georgien. 97 Prozent der Mitglieder nahmen an der Generalversammlung teil.

Tue Gutes und sprich darüber

Die im Laufe des vergangenen Jahres überarbeiteten Positionspapiere der Arbeitsgruppen Jugend, Innovation, Genossenschaften und Frauen wurden von der Generalversammlung einstimmig angenommen. Die Positionspapiere sind hier einsehbar. Beim Rückblick auf die Aktivitäten 2021 sticht neben vielen anderen Themen vor allem der UN Food Systems Summit hervor. Während allen inhaltlichen Debatten drehte sich jedoch alles um die aktuellen Krisen durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, die klar machen, wie unsicher die Lebensmittelversorgung ist.

Zum Schluss seines Berichtes ging Präsident Theo de Jager darauf ein, dass der Communication Officer die wichtigste Person auf der Geschäftsstelle eines Bauernverbandes ist. Die Bauernverbände sollen die Menschen viel mehr darüber aufklären, was wir tun, frei nach dem Motto tue Gutes und sprich drüber. Die positive Finanzbilanz für das Jahr 2021 und das Budget 2023 wurden einstimmig von der Generalversammlung verabschiedet.

Mandat des Präsidenten abgelaufen

Theo de Jager war seit 2017 Präsident des Weltbauernverbandes. Sein Mandat ist abgelaufen und er kann nicht mehr zur Wahl antreten. Er blickte auf seine erfolgreiche Präsidentschaft zurück und unterstrich die Wichtigkeit, dass bei allen globalen politischen Veranstaltungen die Familienlandwirtschaft am Verhandlungstisch sitzt. Als Beispiele nannte er die COP–Klimakonferenzen, die WTO-Verhandlungen oder das World Economic Forum. Er unterstrich, dass die Diskussionen, welche zurzeit um unser Ernährungssystem laufen, nicht im Interesse der Landwirte verlaufen. Als Beispiel nannte er die Diskussion um die Klimaschädlichkeit tierischer Lebensmittel. Theo de Jager unterstrich, dass WFO die grösste unabhängige Bauernstimme der Welt ist. Die Mitglieder bedankten sich beim abtretenden Präsidenten mit einer Standing Ovation.

Zur Wahl des neuen Präsidenten gab es zwei Kandidaturen: Katrina Sarah Milne aus Neuseeland und Arnold Puech d’Alissac aus Frankreich. Arnold Puech d’Alissac gewann die Wahl mit 65 Prozent der Stimmen.

Geflügel- und Rinderproduzent als Nachfolger

Arnold Puech d’Alissac (58) bewirtschaftet mit seiner Frau Elizabeth in der Gegend von Rouen, Normandie, Frankreich einen Bauernhof wo sie Geflügel aus Freilandhaltung, verschiedene Feldfrüchte und Rinder züchten und verkaufen. Seit 2016 ist einer ihrer vier Söhne Partner des 120 Hektaren grossen Betriebs. Arnold Puech d’Alissac ist seit seiner Zeit als Junglandwirt agrarpolitisch auf allen Ebenen aktiv. Von 1999 bis 2001 war er Präsident des Europäischen Rates der Junglandwirte CEJA. Seit 2014 ist er Mitglied des Vorstandes des französischen Bauernverbandes FNSEA. Auf europäischer Ebene ist er seit 2015 Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und seit 2016 ist er Präsidiumsmitglied der EU-Bauerndachorganisation COPA. Im Weltbauerverband wurde er 2017 als Vertreter Europas in den Vorstand gewählt und löste dabei seinen Fritz Glauser, Vizepräsident des Schweizer Bauernverbandes ab. Dort war er zuerst Kassier und seit 2020 Vize-Präsident. In seiner Ansprache nach der Wahl stellte er seine Präsidentschaft unter das Motto: „Alleine gehen wir schnell, zusammen kommen wir weiter.“

Vorstand zur Hälfte erneuert

Neben dem Präsidenten wurde der halbe Vorstand neu gewählt. Der Vorstand setzt sich folgendermassen zusammen:

  • Präsident: Arnold Puech d’Alissac, Frankreich (neu)
  • Vize-Präsidentin und Vertreter Ozeaniens: Katrina Sarah Milne, Neuseeland (bisher)
  • Kassierin und Vertreterin Europas: Kati Partanen, Finnland (neu)
  • Vertreterin Afrikas: Elisabeth ‘Nsimandala, Uganda (neu)
  • Vertreterin Amerikas: Mary Robinson, Kanada (bisher)
  • Vertreter Asiens: Sok Sotha, Kambodscha (bisher)

Neben den statuarischen Punkten der Generalversammlung fanden eine ganze Reihe verschiedene Diskussionsforen statt. Themen waren unter anderen: Die Rolle von Bauernverbänden und landwirtschaftlichen Genossenschaften beim Übergang zu nachhaltigen Ernährungssystemen, Unternehmerinnen- und Jungbauernzentrierte Ansätze für innovative Finanzierungen als Instrument zur Stärkung der landwirtschaftlichen Gemeinschaft, Innovative Lösungen und Geschäftsmodelle zur Ermöglichung einer von den Landwirten vorangetriebenen digitalen Transformation der Landwirtschaft, Neue Trends auf der Weltbühne und Bewältigungsstrategien, Nachhaltige Viehwirtschaft für gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten ,Lokale Lösungen als Antwort auf globale Herausforderungen.

Scharfe Kritik an der EU-Strategie

Eine sehr kritische Rede hielt der Präsident der organisierenden ungarischen Landwirtschaftskammer Győrffy Balázs. Er kritisierte die Farm to Fork Strategie der EU und stellte in Frage, wie man mit Flächenstilllegung, Reduktion von Dünger und Pflanzenschutz, etc. die Lebensmittelsicherheit garantieren wolle. Er sagte, die ungarische Landwirtschaftskammer setze sich dafür ein, in Zukunft die Führung bei der Rettung der EU-Ernährungssouveränität Schulter an Schulter mit anderen Agrar- und Ernährungsorganisationen zu übernehmen.

Zum Schluss der Generalversammlung luden die Bauernverbände Südafrikas die Mitglieder zur Generalversammlung des Weltbauernverbandes 2023 nach Südafrika ein.