Bauer Tobias Steffen steht in seinem grossen Freilaufstall, in der linken Hand hält er etwas Rindviehfutter. Hinter ihm steht eine Handvoll Munis, die neugierig ihre Köpfe recken. Vor ihm sind Journalisten und Blogger, die eifrig Bilder knipsen und Notizen machen. Steffen erzählt von seiner Munimast, nach welchen Richtlinien er die 260 Tiere hält (BTS/RAUS), was sie fressen, wie lange sie auf seinem Hof sind (8 bis 10 Monate), wie viel Gewicht sie kurz vor der Schlachtung auf die Waage bringen (540 kg).

Zur Hofbesichtigung eingeladen hatte Proviande, die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Medienschaffenden einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen, ihnen vor Ort aufzeigen, wie Tiere gehalten werden: Das war das Ziel der Veranstaltung. Denn die Themen Fleischkonsum und Tierhaltung sind emotional und stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik: Schlecht fürs Klima, enormer Ressourcenverbrauch, riesige Futtermittelimporte lauten einige der Vorwürfe. Dazu kommen ethische Einwände (darf man Tiere töten?) und gesundheitliche Bedenken.

Dürfe man heutzutage noch mit gutem Gewissen Fleisch essen, fragte Proviande-Direktor Heinrich Bucher zu Beginn der Veranstaltung. Ja, das könne man, sagte Bucher. Die Zusammenhänge im Fleischsektor seien komplex, Medien würden teils verkürzt über die Thematik berichten. Bucher rief zu einem offenen und ehrlichen Dialog auf. Dazu passte, dass an der Tagung auch ein Vertreter des Schweizer Tierschutzes kritisch Stellung beziehen durfte.

Gute Noten

Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband gab einen Überblick über die Tierbestände in der Schweiz und zeigte auf, nach welchen Richtlinien Rinder, Schweine, Hühner und Co. gehalten werden. Labels garantierten aufgrund strenger Vorschriften zwar mehr Tierwohl, allerdings stagniere die Nachfrage. Potenzial sieht Jäggi vor allem im Gastrobereich, wo der Labelanteil tief ist. Gelinge es, diesen Anteil zu erhöhen, könne auch das Tierwohl gesteigert werden.

Kaspar Jörger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen betonte, dass die Schweiz gemäss «Animal Protection Index» punkto Tierschutz sehr gut dastehe, besser als die umliegenden Länder. So müssten Kälber in der Schweiz betäubt werden, bevor man sie enthorne. Auch bei den Tiertransporten würden hierzulande strengere Regeln gelten als in der EU.

Viel einheimisches Futter

Samuel Geissbühler vom Futtermittelhersteller UFA AG betonte, dass Nutztiere hierzulande ausschliesslich GVO-freies Futter fressen – im Gegensatz zum restlichen Europa. Das sei ein Mehrwert, den man den Konsumenten besser kommunizieren müsse, zumal gentechfreies Futter zusätzliche Kosten von über 40 Mio. Franken verursache. Geissbühler wies darauf hin, dass 86 Prozent des Nutztierfutters aus der Schweiz stamme. Soja stamme zwar grösstenteils aus Brasilien, allerdings aus nachhaltigem Anbau. Futtergetreide werde vor allem aus Deutschland und Frankreich importiert. Die Tierhaltung schliesse Kreisläufe, sagte Geissbühler. Bei der Lebensmittelproduktion entstünden Nebenprodukte, welche den Tieren verfüttert werden. 

Cesare Sciarra vom Schweizer Tierschutz wies darauf hin, dass die Tierschutzgesetzgebung lediglich Mindeststandards definiere, die noch keine artgerechte Haltung garantierten. Private Labels seien punkto Tierwohl besser. Wenn schon Fleisch konsumieren, dann aus artgerechter Haltung, betonte Sciarra. Der Tierschutzexperte lobte die beiden Programme BTS/RAUS als gute Instrumente und kritisierte, dass lediglich 15 Prozent der Direktzahlungen in diese Kanäle fliessen. Sciarra forderte Verbände und Detailhändler auf, nach aussen ein realistisches Bild der Landwirtschaft zu vermitteln und keine falschen Tatsachen vorzugaukeln.

lid