Das sind die gleichen Kreise, die noch vor wenigen Monaten bereitgestanden waren, um in einer wüsten Allianz mit Economiesuisse und Gewerbeverband eine Grossoffensive gegen die Ernährungssicherheitsinitiative des Schweizer Bauernverbands (SBV) zu lancieren. 

Das zeigt plakativ, wie gut die Geschichte für die Initianten gelaufen ist. Mit tatkräftiger Unterstützung des Ständerats kriegte man noch knapp die Kurve. Mit der Initiative hätte ein hässlicher Abstimmungskampf gedroht, der bis weit in die bäuerlichen Kreise Spaltwirkung entfaltet hätte. Nachdem diese Gefahr auch dank politischer Cleverness gebannt ist, kann man in Brugg dem Abstimmungswochenende vom 24. September entspannt entgegenblicken. 

Die Koalition ist erfreulicherweise derart breit, dass alles andere als eine Zweidrittelsmehrheit zugunsten des Gegenvorschlags eher überraschend wäre. So wie es aussieht, wird definitiv kein Gegenkomitee zustande kommen. Economiesuisse leckt die Wunden vergangener Niederlagen und der Gewerbeverband konzentriert seine Kräfte auf die Bekämpfung der AHV-Reform.

Derweil sind die eingangs erwähnten Umwelt-Lobbyisten sowie die Agrarallianz samt Konsumenten im Einsatz für ein Ja, wenn auch nicht durchwegs mit Feuer und Flamme. Diese plötzliche Unterstützung erstaunt umso mehr, als dass sich der Text des Gegenvorschlags nur in Nuancen vom denjenigen der Initiative unterscheidet. Den Meinungsumschwung brachte hier Litera d), welche Nachhaltigkeit bei den grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen einfordert. 

Dieser Passus vermochte nicht nur die Grünen zu überzeugen, die mit «Fairfood» ein Volksbegehren ähnlichen Inhalts im Rennen haben. Auch die übrigen ökologisch fokussierten Kreise konnten sich sofort mit dem Nachhaltigkeitsansatz befreunden, während FDP und GLP bereit waren Kreide zu fressen, weil der Freihandel wenigstens erwähnt ist. Am meisten
Widerstand schlug dem Freihandels-Sätzchen noch in den eigenen Reihen entgegen.
Hier befürchtete man einen Freipass für offenere Grenzen, eine Angst, welche durch die widersprüchlichen Äusserungen des Agrarministers leider noch einmal geschürt wurde.

Alles gut also? Das Falscheste wäre nun, die Haltbarkeit dieser heterogenen Allianz für Ernährungssicherheit zu überschätzen. Man kann davon ausgehen, dass die ersten Risse auftreten, bevor die Champagnerflaschen von der Abstimmungsfeier entsorgt sind. Die teure Ergänzungs-Kampagne der Umweltschützer ist vor allem dadurch motiviert, dass man sich vom so gut wie sicheren Erfolg am 24. September eine dicke Scheibe mitabschneiden will. Denn nach dem hoffentlich kraftvollen Ja wird es um Deutungshoheit gehen. 

Der SBV wird nicht zögern, die Zustimmung des Souveräns als Rückenwind für die eigenen Anliegen – Kampf gegen Budgetkürzungen, Freihandel und weitere Einschränkungen der Produktion – zu nutzen. Das macht den flüchtigen Allianzpartnern Angst. Die Umweltorganisationen wollen den Ökologisierungskurs nicht nur bewahren, sondern unter anderem mit der Unterstützung der radikalen Pestizidinitiativen und beim Raumplanungsgesetz die Schraube weiter anziehen. Die Liberalen wiederum, ob blau oder grün, schmieden ungeachtet der stillschweigenden Duldung des Gegenvorschlags im Dienste ihrer Klientel bereits weiter an den Plänen für eine fortgesetzte Grenzöffnung. 

Dem SBV sei geraten, nach dem wahrscheinlichen Abstimmungssieg nicht allzu forsch die Muskeln spielen zu lassen. Vielmehr sollte man sich darum bemühen, wenigstens einen Teil der brüchigen Allianz bei der Stange zu halten. Es braucht dazu einen Burgfrieden mit den Umweltschutz-Organisationen. Ein Schlüsselfaktor sind zudem die Konsumenten. Wie Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, jüngst erläuterte, sind diese nämlich durchaus bereit, gemeinsam mit den Bauern in den Kampf gegen überteuerte Vorleistungen zu ziehen. Das ist ein Steilpass, den es aufzunehmen gilt. Denn ein tieferes Kostenniveau ist unerlässlich für eine höhere Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Landwirtschaft in einem Umfeld, das garantiert noch anspruchsvoller wird. Abstimmungssieg hin oder her.

Adrian Krebs