Es erscheint wie eine Szene auf einem alltäglichen Hundespaziergang: Csilla läuft leichtfüssig von einem Baum zum anderen, schnuppert intensiv, geht weiter. Etwas entfernt steht Sabine Heiniger und beobachtet, was ihre Drahthaar-Vizsla-Hündin tut. Plötzlich hebt die sonst ruhige Hundedame den Kopf und bellt lauthals in das Geäst eines Spitzahorns – gefunden!

Der Vernichtung zuvorkommen

In diesem Fall war es nur eine Probe zu Trainingszwecken, die Csilla aufgespürt hat. Nämlich ein in der Baumkrone aufgehängtes Teesieb mit Holzspänen, die mit Kot und Speichel der Larve des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB, Anoplophora glabripennis) kontaminiert waren. Im Ernstfall aber führen die Neobiota-Spürhunde zu befallenen Bäumen und ermöglichen eine rasche und gezielte Bekämpfung, bevor eingeschleppte Schädlinge grössere Bestände vernichten.

«Das ist Hochleistungssport, was unsere Hunde da leisten», sagt Daniel Hagemeier, Geschäftsführer der Anoplophora Spürhunde Schweiz, nicht ohne Stolz. Bis zu 300-mal pro Minute ziehen die Tiere beim Schnuppern Düfte in ihre Nasen. Das ist anstrengend, daher gibt es nach 10 Minuten Arbeiten eine Ruhepause.

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Eine Bunte Schar von Rassen

An diesem Morgen tummeln sich elf Hunde auf dem Gelände des Jungfrauparks (ehemals Mystery-Park) in Interlaken BE, wo das Training stattfindet. Wobei tummeln eindeutig der falsche Ausdruck ist, denn hier geht alles sehr organisiert und strukturiert vor sich. Hunde wie Menschen bekommen klare Anweisungen.

Unter den Vierbeinern sind diverse Rassen vertreten, vom beigen Labrador über schwarze Holländische Schäfer, grau-braune und stämmig gebaute Australian Cattle Dogs, daneben zart erscheinender Epagneul Breton bis zum hochbeinigen Drahthaar-Vizsla. «Die Rasse ist bei der Wahl des Hundes zweitrangig, es geht vor allem um den Charakter», erklärt Daniel Hagemeier die bunte Schar. Es sind die Vorlieben und Erfahrungen der IG-Mitglieder, die die Wahl bestimmen, denn eine gute Nase habe im Grunde jeder Hund. «Ich würde beispielsweise auch nicht mit Rüden arbeiten», fügt er mit Blick auf seine beiden Labrador-Hündinnen hinzu. Ganz ­anders hält es Norma Kleiber, Geschäftsführerin der Neobiota Spürhunde Schweiz GmbH. Kleiber wird in Zukunft die Leitung der IG von Daniel Hagemeier unter dem neuen Namen übernehmen (Neobiota statt Anoplophora Spürhunde). Sie hat drei unkastrierte Rüden unter ihrem Kommando. Sämtliche Vierbeiner stammen aus reinrassigen Zuchten. So kenne man die Vorgeschichte und dank der Elterntiere auch bis zu einem gewissen Grad den Charakter der Hunde.

 

Die Bedrohung in Zahlen

 

 

 

  • 79 Insekten und Milben,
  • 35 Pilze und Oomyceten,
  • 15 Bakterien
  • 15 Viren, Viroide und Phytoplasmen und
  • 11 Nematoden sind in der Pflanzengesundheitsverordnung als Quarantäneorganismen gelistet.

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  • 2 Pilzarten (Platanen- und Kartoffelkrebs),
  • 2 Insekten (westlicher Maiswurzelbohrer und Japankäfer),
  • 4 Nematoden (u. a. Wurzelknoten- und Kartoffelzystennematoden) sowie
  • 1 Virus (Goldgelbe Vergilbung v. a. an Reben) stehen auf der Liste jener Quarantäneorganismen, die in der Schweiz bereits lokal festgestellt wurden. Alle Quarantäneorganismen sind beim kantonalen Pflanzenschutzdienst meldepflichtig.

Rückzug zu Ruhen ins Auto

Fertig ausgebildete Hunde sind wertvoll und haben eine starke Beziehung zu ihrem Menschen. Entsprechend gut passen die IG-Mitglieder auf ihre Spürnasen auf. Das sieht man an den grosszügig eingerichteten Fahrzeugen, in denen die Tiere auf ihren Einsatz warten oder sich ausruhen. Jeder Hund hat darin eine eigene geräumige Box mit Decke und Wasser, das Auto selbst wird mit weissen Tüchern und reflektierenden Folien gegen die Sonne geschützt und dem Schatten folgend umparkiert. Als Norma Kleiber eines der Tücher zur Seite zieht, blicken drei Paar braune Hundeaugen neugierig aus dem Wageninneren. Aber keiner der Australian Cattle Dogs gibt einen Laut von sich. Ganz ruhig sitzen sie da und beobachten. «Wenn Sie sich alleine dem Auto nähern würden, wäre es etwas anderes. Aber wenn ich dabei bin, wissen die Hunde, dass ich schaue», meint Kleiber. Die weissen Tücher dienen auch als Sichtschutz: «So müssen sie nicht ständig beobachten», erklärt sie, und drapiert den Stoff wieder sorgfältig vor die offene Autotür.

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Mindestens zwei Hunde pro Halter oder Halterin

Gesundheit ist das A und O für einen leistungsstarken Spürhund. Einmal pro Jahr werden die Tiere daher von einem Tierarzt durchgecheckt. Zudem passen ihre Besitzer gut auf sie auf. Um eine Verletzung oder ein Trauma zu vermeiden, lasse sie vorsorglich ihre Hunde nicht zu anderen herangehen, führt Norma Kleiber aus.

«Der Charakter ist entscheidend, nicht die Rasse.»

Daniel Hagemeier, Geschäftsführer von Anoplophora Spürhunde Schweiz

Die Gesundheit ist auch der Grund, warum die meisten IG-Mitglieder mindestens zwei ausgebildete Vierbeiner haben. «Wenn mein Eddy an einem Morgen plötzlich hinkt, kann er nicht arbeiten und da wir in Teams vorgehen, fiele auch mein Partner oder meine Partnerin in so einem Fall aus», erklärt die Geschäftsführerin von Neobiota Spürhunde Schweiz. Ausserdem daure die Ausbildung etwa zwei Jahre, und wenn ein Hund z. B. bei einem Unfall sterben würde, wäre nicht so schnell für Ersatz gesorgt.

Ein Spürhund geht mit etwa 10 Jahren in Pension, das Alter ist aber nicht in Stein gemeisselt. «Das Tier muss sich beim Arbeiten wohlfühlen. Ein älteres Semester setzen wir z. B. weniger bei grosser Hitze ein», sagt Daniel Hagemeier.

Beim Zoll und im Ausland im Einsatz

Als der Asiatische Laubholzbockkäfer 2012 in den Kantonen Zürich und Freiburg entdeckt wurde, hatte die Gruppe ihren ersten, erfolgreichen Einsatz. Die Schweiz ist heute frei vom ALB. Daher sind die Neobiota-Spürhunde hierzulande nur noch zur Importkontrolle bei Steinhändlern auf der Suche nach diesem Käfer, wo sie hölzerne Paletten auf eingeschleppte Larven untersuchen. Daneben bestreiten die Neobiota-Fachleute und ihre vierbeinigen Teamkollegen Einsätze im Ausland, etwa in Frankreich, Deutschland oder Italien.

Die Kompetenzen der Gruppe beschränken sich allerdings nicht auf den ALB. Seit Jahren spüren sie auch den Chinesischen Laubholzbockkäfer (CLB) und seit Kurzem zudem den Chinesischen Tigerbockkäfer (Xylotrechus chinensis) auf, der Maulbeerbäume, Obstbäume wie Apfel oder Birne und Reben befällt. Der Tigerbockkäfer trat in den letzten Jahren in verschiedenen europäischen Ländern auf.

Die drei Käfer sind alles Holzschädlinge, die Bäume schädigen und zum Absterben bringen können. Diese Gemeinsamkeit hat ihren Grund, wie Daniel Hagemeier erklärt: «Während das Imprinting auf einen neuen Geruch innert Tagen gemacht werden kann, ist es viel schwieriger, den Hunden eine neue Suchsituation beizubringen.»

 

Umfassende Ausbildung zum Spürhund

inmal ausgewählt, beginnt die Ausbildung eines Welpen zum Neobiota-Spürhund im Alter von 12 bis 14 Wochen – spielerisch, wie Norma Kleiber und Daniel Hagemeier betonen. «Für den Hund ist es ein Spiel, und sie spielen gerne», erläutern sie.

Stets untadeliges Verhalten

Nach einem bis zwei Jahren sind die Tiere bereit, eine Prüfung zu absolvieren. Dabei geht es unter anderem darum, dass sich ein Spürhund bei seiner Arbeit durch nichts ablenken lässt und ein absolut untadeliges Verhalten an den Tag legt. «Ein Punkt der Prüfung sind verschiedene Situationen mit einem Fahrrad», gibt Daniel Hagemeier ein Beispiel. Weder wenn das Rad unerwartet um eine Ecke, frontal von vorne oder plötzlich von hinten herankommt, darf der Vierbeiner es anbellen oder gar verfolgen. Dass Grundbefehle und die Unterordnung gegenüber dem Haltenden sitzen müssen, ist da keine Frage.

Unter anderem für den Einsatz in Privatgärten lernen die Spürhunde ausserdem, sich auf Kommando zu versäubern. «Erfahrene Tiere machen das innert Minuten nach dem Befehl», erklärt Hagemeier.

Geruch und Wort verknüpfen beim Imprinting

Beim sogenannten Imprinting wird der Geruch des ALB oder eines anderen invasiven Schädlings im Gehirn des Hundes mit einem Wort und positiver Erinnerung an eine Belohnung verknüpft. «Dabei wird dem Tier ein Glas mit einer Larve darin präsentiert und ein Schlüsselwort wie z. B. ‹Käfer› gesagt. Wenn der Hund schnüffelt, wird gelobt und belohnt. Dann baut man das Aufspüren des Geruchs Schritt für Schritt aus», beschreibt Norma Kleiber das Vorgehen. Man könne sich das vorstellen wie die Erinnerung an einen Geruch aus der Kindheit, meint Daniel Hagemeier: «Sie können auch noch im hohen Alter in einen Raum treten und merken: Hier riecht es wie in der Küche meiner Grossmutter.» So verschieden wie das Äussere der Spürhunde ist, so sehr unterscheiden sich auch die Signale, die sie nach dem Auf-finden eines Neobiota-Befalls geben. «Wir nehmen meist das, was uns das Tier als Signal anbietet», erläutert Kleiber. Es kann aber sein, dass ein energiereicher und bellfreudiger Vierbeiner sich zur Anzeige hinlegen muss. Auch belohnt wird unterschiedlich, immer mit einem unwiderstehlichen Spielzeug oder etwas Futter, das es nur zu dieser Gelegenheit gibt.

Unterschiedliche Erziehung

Einige Hunde werden auf Handzeichen trainiert und sitzen, wenn ihr Besitzer den Arm hebt. Andere werden mit dem Klicker erzogen.

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Die Hunde suchen frei

Das hat auch mit der Methode des FaDi, des Führens auf Distanz zu tun, auf das man bei Neobiota Spürhunde Schweiz grossen Wert legt. Die Hunde sind dabei nicht an einer Leine, wie man es von Polizeihunden kennt, sondern laufen frei und suchen sich ihrer Nase folgend selbst den Weg durchs Gelände. Damit keine Ecke vergessen geht, bringt man ihnen bei, systematisch vorzugehen. Da das auf einem offenen Feld schwierig ist, musste bei der Suche nach Japankäfern (Popillia japonica) in der Lombardei (Italien) das Gebiet in Sektoren unterteilt werden, um schrittweise vorgehen zu können. In der Schweiz sucht die IG nicht mehr nach dem Japankäfer, obwohl der Quarantäneorganismus im Tessin bereits gefunden worden ist. «Wir müssen auch immer die Verantwortlichen begeistern können», bemerkt Hagemeier dazu. Das Interesse seitens Agroscope sei in diesem Fall aber nicht gegeben gewesen.

Hingegen lobt der Neobiota-Fachmann die Zusammenarbeit mit kantonalen Behörden in der Schweiz. «In keinem anderen Land konnte der ALB so schnell bekämpft werden, wie hierzulande.»

Trotzdem ist es möglich, auch andere Schädlinge oder invasive Pflanzen und Pilze von sensiblen Hundenasen aufspüren zu lassen. Darin sieht man auch die Zukunft des Vereins, weswegen sich die Gruppe mittlerweile auch als Neobiota Spürhunde Schweiz und nicht mehr nur als Anoplophora Spürhunde Schweiz bezeichnet. Näheres zu zukünftigen neuen Zielorganismen will Norma Kleiber nicht verraten. Man mache derzeit die nötigen Abklärungen. Sicher ist, dass alles ausscheidet, was die Hunde gefährden könnte. «Die Brennhaare der Raupen des Eichenprozessionsspinners zum Beispiel können ernsthafte Verletzungen hervorrufen», meint sie.

Eine sinnvolle Arbeit

Angesichts des zunehmenden Warenstroms aus dem Ausland und immer neuen invasiven Schadorganismen in verschiedenen Ländern wird den Spürhunden ihre Arbeit nicht ausgehen. Aber es ist viel Aufwand und Zeit für die Ausbildung und Betreuung der Hunde, die es zu investieren gilt – und zwar neben dem Arbeitsalltag, denn alle IG-Mitglieder gehen neben ihrem Engagement gegen Neobiota einem Beruf nach. «Schon mein Vater hat Hunde gezüchtet, ich bin mit den Vier-beinern aufgewachsen», erzählt Norma Kleiber, die einen Landwirtschaftsbetrieb mit Pensionspferden in Arisdorf BL führt. Es ist aber nicht nur die Erfahrung von Kindesbeinen an, die sie motiviert: «Mit den Hunden und im Team zu arbeiten, etwas Sinnvolles zu tun, das ist einfach fantastisch».

 

Hundehalter und Fachleute

Die Ansprüche an die Spür-hunde, ihr Verhalten und ihren Gehorsam sind hoch. Aber auch ihre Besitzer müssen sich einiges an Wissen aneignen, um ihre Vierbeiner zu unterstützen. «Jeder muss ein Grundverständnis von Chemie und Physik haben und die Biologie der Schädlinge kennen», erläutert Daniel Hagemeier von Anoplophora Spürhunde Schweiz.

Gemeinsam einen Verdacht beurteilen

Es geht dabei etwa um die Thermik, wie Luftströme ent-stehen oder sich Duftmoleküle verteilen. Wird im Feld ein wahrscheinlicher Befall gefunden, kommen die Teams zur gemeinsamen Beurteilung zusammen. Erst wenn sie sich ihrer Sache sicher sind, verständigen sie die zuständigen Baumpfleger und den Pflanzenschutz.

Internationaler Austausch

Hinzu kommen Weiterbildungen zu Hundehaltung und -ausbildung, die von den IG-Mitgliedern individuell mindestens zweimal pro Jahr besucht werden. «Wer einen Kurs absolviert hat, bringt das erworbene Wissen mit in die Gruppe», so Norma Kleiber von Neobiota Spürhunde Schweiz. Ausserdem ist man über ein Symposium in Bonn auch international vernetzt.

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Pläne für den Notfall mit invasiven Schädlingen

Die Strategie der Schweiz gegen gebietsfremde Arten (Neobiota) sieht Massnahmen in drei Bereichen vor:

  • Grundlagen: Wissenschaftliche Daten, internationale Kooperation und Koordination des Vorgehens.
  • Prävention: Sensibilisierung, Vorsorge und Vollzugskontrolle
  • Bekämpfung: Artspezifisches Vorgehen, Erfolgs- und Vollzugskontrollen

Neobiota-Spürhunde kommen vor oder nach der Bekämpfung zum Einsatz, zur Feststellung des Ausmasses des Befalls oder für Monitoring und Erfolgskontrolle. Die Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten wird gesamtschweizerisch umgesetzt. Die Massnahmen sollen Bund, Kantone, Gemeinden, Grundeigentümer und -bewirtschafter nach den rechtlichen Bestimmungen und gemäss den Zielvorgaben selbstständig durchführen.

Besonders gefährliche, meldepflichtige Schadorganismen für Pflanzen werden in der Pflanzenschutzverordnung als Quarantäneorganismen aufgeführt. Für als prioritär eingestufte Quarantäneorganismen werden spezifische Notfallpläne für das Vorgehen bei Verdacht oder bestätigtem Fall erarbeitet. Für alle anderen gibt es einen allgemeinen Notfallplan, in dem z. B. die Zuständigkeiten geregelt sind.