Als Nationalrätin Katja Riem sich am Dienstag dem Saal näherte, wo sonst ihre Fraktionssitzung stattfindet, hörte sie ein ungewohntes Geräusch: viele gut gelaunte, plaudernde Frauenstimmen. «Das war herzerwärmend», sagte sie, «normalerweise herrscht ein anderer Ton.»
Auf Einladung des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV) versammelten sich 90 Bäuerinnen und Landfrauen aus allen Regionen im Bundeshaus. Die Nationalrätinnen Regina Durrer (Mitte, NW), Christine Badertscher (Grüne, BE), Vroni Thalmann (SVP, LU), Katja Riem (SVP, BE) und Simone de Montmollin (FDP, GE) nahmen die Frauen mit hinter die Kulissen.
«Der Start war wild»
Vroni Thalmann und Katja Riem sind 2023 frisch ins Parlament gewählt worden. «Der Start war wild», sagte die 28-jährige Agronomin, Winzerin und Landwirtin Riem. Keins der Vorurteile habe sich bestätigt: «Alle sind netter als gedacht.» Es herrschten ein freundlicher Umgangston und viel Wohlwollen. Wichtig sei es, sich auf ein paar politische Kernthemen zu fokussieren, denn alle Dossiers könne man nicht bis ins Detail studieren und sich überall einbringen.
«Das Bundeshaus war für mich am Anfang ein riesiges Labyrinth», sagte Vroni Thalmann. Ihre 20 Jahre Erfahrung auf Gemeinde- und Kantonsebene halfen ihr. «Mit 35 wurde ich als Bäuerin, Bankkauffrau und Mutter von drei Kindern für den Gemeinderat angefragt.» Sie habe zugesagt, ohne mit einer Wahl zu rechnen. Wichtig sei ihr bis heute das Gleichgewicht: «Ich habe nie einen Verein verlassen, sondern mir immer Zeit genommen – auch für die Familie.» Vor dem Schlafengehen spielt sie Handorgel, um abzuschalten.
Mail- und Einladungsflut
Die Vereinbarkeit von Familie und Politik war ebenfalls Thema. «Für die Session organisiert man sich. Ich habe ein tolles Umfeld, das hilft als Mutter sehr», sagte Christine Badertscher. Schwieriger sei die Flut von Einladungen über Mittag und am Abend. «Vielerorts wäre es wichtig, dabei zu sein – das bringt einen in den Clinch.»
Auch Regina Durrer stieg auf kommunaler Ebene ein, als ihre Kinder klein waren. Heute lebt sie während der Session in der WG zweier Söhne in Bern. «Bei jedem Amt wurde ich gefragt: ‹Was machst du mit den Kindern?›» Doch auch Männer könnten sich kümmern – keine Mutter gehe ohne Planung und gefüllten Kühlschrank. Simone de Montmollin ergänzte: «Männer fragen sich das viel weniger.» Ihr Fazit: «Der Schritt in die Politik lohnt sich.»
Mit politischen Niederlagen und den langsam mahlenden Mühlen umzugehen, fällt den Frauen unterschiedlich leicht, wie sie weiter erzählten.
Mehr Frauen in die Politik
Mit der Kampagne «Mehr Frauen in die Politik» hatte der SBLV schon vor den Wahlen 2023 eine Plattform geschaffen, um Kandidaturen sichtbarer zu machen. Der Verband kündigte an, diese für 2027 erneut zu lancieren – Frauen sind im Parlament noch immer untervertreten.