Ursprünglich waren Sie Journalistin und Texterin. Nun verhelfen Sie Singles zum Liebesglück, indem Sie als «Ghostwriterin» Online-Dating-Profile anlegen und nach Wunsch erste Nachrichten schreiben. In einem Interview habe ich gelesen, das sei ursprünglich eine Schnapsidee gewesen?

DossierDossierLiebe auf dem LandFreitag, 23. Dezember 2022Bettina Dahlhaus: Eher eine Kaffeeidee. Ich sass mit einer Freundin beim Kaffee, die frisch von ihrem Mann getrennt war – zuvor war sie ewig verheiratet gewesen. Sie war völlig unvertraut mit diesem Markt. Und ich natürlich auch, weil ich ebenfalls bereits ewig verheiratet bin. Sie erzählte mir dann so ein paar Anekdoten, wie das auf den Plattformen abgeht. Wie fürchterlich die meisten Männer sich da präsentieren oder wie plump sie angeschrieben wird. Dann habe ich plötzlich gedacht, das ist eine Marktlücke. Man könnte doch diesen Menschen unter die Arme greifen. Dann habe ich mir als Erstes ein paar Singles aus meinem Freundeskreis gesucht und das mit denen ausprobiert. Sie haben sich bei den entsprechenden Plattformen angemeldet. Ich habe dann für sie Profile erstellt und die Resonanz war super. Und dann habe ich gedacht, jetzt mache ich eine Website, stelle das Angebot ins Netz und schaue, ob ein Bedarf da ist. Siehe da, der Bedarf ist da, und er ist sehr gross.

Wie haben Sie sich in die Thematik eingefühlt?

[IMG 2]Das Schreiben habe ich von der Pike auf gelernt. Ebenfalls wusste ich bereits, wie man mit Menschen spricht und Dinge herausbekommt, die sie vielleicht nicht von Anfang an erzählen. Wie man ein einfühlsames Interview führt. Für das, was zwischen Mann und Frau abgeht, habe ich immer ein gutes Gefühl gehabt. Flirten hat mir immer Spass gemacht. Ich glaube, man flirtet nicht immer mit Absicht. Als verheiratete Frau oder als verheirateter Mann flirtet man auch mal im Alltag, ohne dass man daraus jetzt direkt eine Partnerschaft entstehen lassen möchte, sondern es macht Spass, es hat Leichtigkeit. Dafür habe ich ein Gefühl. Ich kann gut zwischen den Zeilen lesen.

Wer sind Ihre Kunden?

Meine Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Die unterschiedlichsten Berufsgruppen und ebenfalls vom Alter her. Mein jüngster Kunde derzeit ist 26 Jahre alt. Meine älteste Kundin ist 70 Jahre alt. Vom Geschäftsführer über einen Lagerarbeiter, über Ärzte, Lehrer, interessanterweise sehr viele Psychologen, was mich anfangs sehr gewundert hat. Ich habe auch einzelne Bauern unter meinen Kunden, und einige Personen aus der Schweiz. Das Frauen-Männer-Verhältnis ist ausgeglichen.

«Das Foto ist die Eintrittspforte.»

Laut Bettina Dahlhaus sind gute Fotos entscheidend für den Flirt-Erfolg im Netz. Viele Bilder seien leider schlecht, sagt sie. 

Wie kommen Sie zu den Infos, um ein ganz persönliches Profil für jemanden zu erstellen?

Nach einem kurzen Telefongespräch schicke ich einen ausführlichen Fragebogen zu. Der dient mir dazu, die Dating-Plattform näher einzugrenzen, zu der ich den Kunden oder die Kundin schicken würde. Dann gibt es ein langes Gespräch, auf jeden Fall immer mit Video, weil die Kunden mir sehr persönliche Dinge erzählen. Ich stelle viele Fragen. Da ist es eine vertrauensbildende Massnahme, wenn man sich sieht. Und ich sehe die Gestik, die Mimik, wie jemand ist. Das dauert so eineinhalb Stunden. Vorab bitte ich die Kunden, mir Fotos zu schicken, von denen sie denken, die könnte man eventuell verwenden. Dann nehme ich den Kunden oder die Kundin im Interview wahr und sehe sofort, ob die Fotos schon perfekt sind oder derjenige bzw. diejenige besser nochmal zu einem Fotografen gehen sollte. Das Foto ist die Eintrittspforte.

Was sind gute Bilder, was nicht?

Den grössten Fehler, den die meisten machen, ist, dass sie denken, nur weil man schnell mit dem Handy ein Selfie machen kann, wäre das geeignet, es bei einer Plattform zu zeigen. Sehr viele Fotos sind grottenschlecht und stellen die Menschen nicht vorteilhaft dar. Man sollte sich mit dem Foto viel Mühe geben. Oft ist es gut, wenn man eine Freundin oder einen Freund hat, der oder die gut fotografieren kann. Dass man dann experimentiert. Möglichst hinausgeht bei Tageslicht. Dort ist viel leichter, ein schönes, weiches Licht zu bekommen, auch wenn man kein Profifotograf ist. Auch sollte man verschiedene Outfits ausprobieren. Manchmal berate ich meine Kunden und Kundinnen auch diesbezüglich, wenn ich merke, dass die Kleider nicht so passen oder unvorteilhaft sind.

Kommen wir zum Text im Profil, welche Fehler passieren da häufig?

Da ist ein Fehler, dass die Leute oft nur Allgemeinplätze hineinschreiben. Die schreiben da hinein, ich suche einen Partner auf Augenhöhe. Mir ist Familie wichtig und ich habe Humor. Da würde ich jetzt sagen, wer sucht denn keinen Partner auf Augenhöhe? Kaum jemand möchte unterdrückt werden. Die meisten haben keinen Mut, wirklich etwas Persönliches von sich preiszugeben. Das muss nicht immer in die Tiefe gehen und darf auch witzig sein. Wenn wir jetzt zum Beispiel an die Bauern denken, es gibt tatsächlich einen Bauern unter meinen Kunden, den habe ich gefragt, was macht dich glücklich? Und dann hat er gesagt, so flapsig, das war nicht richtig als Antwort gemeint, ich bin glücklich, wenn meine Biogasanlage perfekt funktioniert. Das hätte er im Leben nicht selbst in sein Profil geschrieben. Ich habe das aber geschrieben. Und da reagieren wirklich Frauen darauf.

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Sie schreiben auch Nachrichten für Ihre Kunden. Wie funktioniert das genau?

Anfangs habe ich tatsächlich immer nur erste Nachrichten geschrieben, weil mir wichtig ist, dass das nicht so einen Touch bekommt, als würde man jemanden hintergehen. Deshalb mache ich übrigens prinzipiell keine Seitensprunggeschichten. Auch ziehe ich mich an dem Punkt zurück, an dem tiefe, persönliche Dinge preisgegeben werden. Da muss dann die Kundin / der Kunde selber ran. Allerdings ist es auch oft so, dass ein Kontakt bereits angeleiert ist und dann verhält sich jemand komisch. Und meine Kundin oder mein Kunde kann damit nicht umgehen, weiss nicht, wie sie/er das interpretieren soll. Obwohl der Kontakt inzwischen bereits auf den Kunden oder die Kundin übergegangen ist, greife ich dann nach Absprache ein. Oftmals klären sich auf diesem Weg die Dinge und ich kann den Dialog wieder in Gang bringen.

«Das echte Kennenlernen findet wirklich erst beim Date statt.»

Bettina Dahlhaus empfiehlt, nicht zu lange hin- und herzuschreiben, damit man sich nicht in das Bild verliebt, das man sich vom Gegenüber macht. 

Schreiben die Menschen grundsätzlich zu lange hin und her, bis sie sich dann wirklich treffen?

Grundsätzlich kann man das nicht sagen. Aber wenn man das tut, ist das aus meiner Sicht ein Fehler. Ich rate darum meinen Kund(innen) immer, so schnell wie möglich auf ein Date oder auf ein Telefonat oder einen Videocall, je nachdem, wie man das für sich lieber hat, zuzusteuern. Wenn man nur schreibt, verliert man sich in jenem Bild, das man sich von der Person macht, was mit der realen Person aber nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Da fallen so viele Eindrücke weg, die man beim realen Treffen hat. Und deswegen würde ich das immer nur als Aufhänger nutzen. Das echte Kennenlernen findet wirklich erst beim Date statt.

Was ist beim ersten Date wichtig?

Ich würde nicht gleich abendessen gehen, weil man dann dort plötzlich drei Stunden festsitzt, falls es gar nicht passt. Lieber etwas Lockeres, einen Kaffee trinken oder spazieren gehen. Und ebenfalls wichtig ist, dass man nicht so einen Fragenkatalog hat, den man abarbeitet. Wenn man das Gefühl bekommt, jemand prüft mich jetzt hier auf Herz und Nieren, ob ich die zukünftige Mutter seiner Kinder sein könnte, dann machen die meisten Leute bereits dicht.

Corona war ein Booster fürs Online-Dating

Corona hat dem Onlinedating weiteren Schub gegeben. Wie eine repräsentative Studie der Dating-App Parship.ch aus dem Februar 2021 zeigt, liess die Pandemie die Zahlen ums Doppelte in die Höhe schnellen. So bestätigen 57 Prozent der Paare, die sich in den letzten zwei Jahren verliebt haben, dass sie sich online kennen gelernt haben.

Laut der Studie lernten sich 2019 noch 16 Prozent der Paare über Freunde oder Bekannte kennen. Innerhalb von zwei Jahren sank dieser Wert auf etwa die Hälfte (9 %). Kaum oder wenig verändert haben sich die Zahlen beim Aufeinandertreffen im Ausgang (10 % vs. 9%) oder im beruflichen Kontext (11 % vs. 10 %).

Das Internet ist mittlerweile mit grossem Abstand der Ort, wo die meisten Menschen eine(n) Partner(in) suchen – und auch finden. So verdanken laut Parship.ch rund 57 Prozent der Paare in der Schweiz, die sich in den letzten zwei Jahren kennengelernt haben, ihre Liebe dem Internet; sei es über eine Dating-App, ein soziales Netzwerk oder woanders im Internet. Davor waren es 28 Prozent. 

Sollte man noch auf ein zweites Date gehen, wenn es beim ersten (noch) nicht gefunkt hat?

Da muss man sich selbst einschätzen. Wenn einem jemand sehr sympathisch ist, man viele Themen hat und man aber jetzt das Gefühl hat, ich bin noch nicht himmelhochjauchzend verliebt, dann würde ich auf jeden Fall sagen, halte den Kontakt zunächst einmal aufrecht. Wer weiss, was daraus wird, vielleicht wird am Ende nur eine tolle Freundschaft daraus, manchmal kommen Gefühle später. Wenn man den anderen aber wortwörtlich nicht riechen kann oder einen irgendwelche Dinge wirklich stören, dann hat es keinen Zweck.

Website von Bettina Dahlhaus: www.dieherzschreiber.de

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Wenn zwei Menschen sich nahe kommen, gibt es Hochs und Tiefs, gemeinsam überstandene schwere Zeiten und Stunden voller Freude.

Zu einer Beziehung gehören aber auch Enttäuschungen, der Aufwand, sich wiederzufinden, und nicht immer war es am Ende der oder die Richtige.[IMG 4]

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