Als am 23. Januar 1996 die KB-Station Select Star SA in Puplinge GE gegründet wurde, ging ein Raunen durch die Schweizer Viehzuchtbranche. Ein neuer Genetikanbieter in der Schweiz, hat dieser überhaupt eine Chance? «Ja, der Anfang war sicher alles andere als leicht. Neben den Behörden und Zuchtverbänden mussten wir auch die Züchter von unserer Idee überzeugen», sagt Raimund Beerli, der seit 2001 Verwaltungsratspräsident von Select Star ist. «Dass wir keine eigenen Besamungstechniker hatten, machte die Sache nicht einfacher. Die Samendosen mussten über Hofcontainer, Tierärzte und freie Besamer verteilt werden», so Beerli. Rückwirkend kann man sagen, dass Select Star in den letzten 20 Jahren die Genetikvielfalt bei jeder Rasse enorm aufgemischt hat. Viele interessante Stiere wurden durch sie plötzlich in der Schweiz verfügbar.
Man wollte den Genetikmarkt liberalisieren
Mit einem Aktienkapital von 250'000 Franken und neun Aktionären wurde Select Star seinerzeit gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Jean-Marc Moennat (damals Präsident), Philippe Ossent (Direktor), Frank Baumgartner, Raymond und Jeanne Torre, Maurice Vigevani, Claude Widmer und Jean-François Ecoffey. Aber was waren die Gründe für eine weitere KB-Station? «Nach der Aufhebung des Besamungsmonopols wollte man den Genetikmarkt endlich liberalisieren», sagt Urs Wichser, der zuständig ist für die Genetik. «Ruedi Baumgarter (der Vater von Frank), Jean-François Ecoffey und Jean-Marc Moënnat waren die treibende Kraft. Ihnen schwebte eine freie Genetikwahl vor», so Wichser.
So kamen im Juni 1996 die ersten Stiere in die Quarantäne und zwei Monate später wurden die ersten Samendosen importiert. Bereits im September konnten dann die ersten Samendosen an damals 23 Select-Star-Vertragspartner ausgeliefert werden. Bei allen Rassen konnte Select Star Fuss fassen Vor allem beim Braunvieh schlug Select Star in den Anfangsjahren ein wie eine Bombe. Dabei öffnete vor allem der BS-Stier Poldi für Select Star die Stalltüren. Aber auch Paul, Jordan, Einstein und interessante Importstiere mit neuen Blutführungen standen hoch in der Gunst der Braunviehzüchter.
Im Laufe der letzten 20 Jahren konnte Select Star auch bei den anderen Rassen Fuss fassen. Heute ist der Anteil bei den drei Hauptrassen Holstein, Red Holstein und Brown Swiss plus minus gleich gross. «Wir richten uns an die Wünsche der Züchter und an dem Markt», so Urs Wichser. «Holstein ist aber ganz klar die Rasse, die am meisten zulegt», ist sich der Sire Analyst sicher. «Mit den Holsteinstieren Damion, Atwood, oder Brokaw haben wir den Nerv der Exterieurzüchter getroffen.» Und bei den Red Holstein hat Select Star die Apple-Familie in die Schweiz gebracht. «Mit Absolute, Artemis, Actoris, Armani oder Amor können wir hervorragende rote- oder RF-Stiere aus dieser Familie anbieten.»
Komplette Stiere für
die Produktionsbetriebe
Dies ist der eine Markt, doch der andere sind die kompletten Stiere für die Produktionsbetriebe. Da hat Select Star zum Beispiel bei Holstein und Red Holstein das grösste Angebot an genetisch hornlosen Stieren sowie Stiere mit dem gewünschten Kappa Kasein BB. Beim Swiss Fleckvieh können sie mit Van Gogh einen sehr hohen genomischen, hornlosen Stier mit Kappa Kasein BB anbieten. Und beim Original Braunvieh, bei den Simmentalern sowie beim Brown Swiss wird das Angebot laufend erweitert. Und welche Stiere sind die Stars von Morgen? «Kingboy bei Holstein, Actoris bei Red Holstein und Rico beim Swiss Fleckvieh. Bei den Simmentalern ist es Bruno und Eros beim Original Braunvieh. Bei den Brown Swiss dürfte es Jaguar sein, all diese jungen Stiere sind echte Cracks, welche bei unseren Kunden hoch in der Gunst stehen», sagt Urs Wichser.
Immer die neuste Genetik zu finden ist nicht einfach Gute und immer die neuste Genetik zu finden ist sicher nicht einfach für jeden Sire Analysten. Aber hier hat Select Star mit Urs Wichser genau die richtige Person. «Gute Beziehungen und ein nationales und internationales Netzwerk ist das A und O», sagt er. Dabei versucht Wichser auch immer wieder Stiere anzubieten, die explizit von einzelnen Züchtern, Züchtergruppen etc. nachgefragt werden. «Die Kunst besteht darin, Dosen von einem Stier zu kaufen oder zu produzieren, der von der Kundschaft auch nachgefragt wird. Ladenhüter kann sich auf Dauer kein Unternehmen leisten», lacht er. «Hier ist vor allem ein gutes Lager- Management sehr gefragt.»
Im Jahr 2009 drohte eine Fusion
Aber schon im 2009 schien alles vorbei zu sein. Aufgrund der Entwicklungen an den Finanzmärkten und den anstehenden finanziellen Herausforderungen wollten die Hauptaktionäre von Select Star ihre Aktien verkaufen. Und so kam es dann auch, dass der Marktführer Swissgenetics zwei Drittel der Aktien kaufen wollte. Die Reaktionen auf die Übernahme von Select Star durch Swissgenetics waren dabei sehr unterschiedlich. Einige liberal orientierte Züchter sprachen von einer Katastrophe, einen Rückfall in alte Monopolzeiten. «Für das Select-Star-Team wäre es aufgrund der damaligen Situation wohl die beste Lösung gewesen», sagt Raimund Beerli. «Die Fortführung der Marke Select Star mit eigenem Zuchtprogramm wäre auch durch diese Übernahme bewahrt geblieben.»
Die Wettbewerbskommission stimmte aber dem Deal nicht zu und die Fusion dieser zwei KB-Unternehmen war gescheitert. Nachträglich kann man dies sicher als Glücksfall bezeichnen. Denn Select Star steht heute auf gesunden Beinen da. Nach den ersten sechs Verlustjahren schrieb das Unternehmen seither immer schwarze Zahlen.
Bei allen Rassen etabliert
Select Star hat sich heute bei allen Rassen etabliert und bietet den Züchtern im Besamungsmarkt eine echte Alternative an. Sieben Festangestellte teilen sich die 640 Stellenprozente. Zirka 200 Vertragspartner (Tierärzte und Besamer) und viele Züchter gehören zu ihren Kunden. Nach wie vor besteht in den Bereichen Marketing, Export und Genetikbeschaffung eine enge zusammen mit der Züchter-Service AG.
Für Select Star wird die Zukunft aber nicht einfacher: «Sinkende Kuhzahlen, internationale Entwicklungen, Spermasexing und die Genomanalyse sind die grössten Herausforderungen. So gingen letztes Jahr auch die ersten Select-Star-Stiere nach Italien, um gesexte Samendosen zu produzieren», sagt Raimund Beerli. Und im März dieses Jahres geht schon die erste Mitarbeiterin (Daisy Lagrange), welche 19 Jahre bei Select Star gearbeitet, in Pension. Wie doch die Zeit vergeht.
Peter Fankhauser