Fremdkörper in den Vormägen der Kühe kommen häufig vor. Das sagt Christian Gerspach, Abteilungsleiter Wiederkäuermedizin am Tierspital in Zürich. Denn die Kuh nimmt im Gegensatz zu Pferd, Schafe oder Ziege nicht selektiv auf, sondern schluckt ganze Grasbüschel. Dabei können - vor allem bei hastiger Aufnahme von gemähtem Futter - im Gras versteckte Fremdkörper in den Netzmagen gelangen. Das ist einer der vier Vormägen der Wiederkäuer. In den allermeisten Fällen seien es Drahtstücke, Nägel oder andere Metallteile, sagt Gerspach. Durchstechen diese die Magenwand, kommt es zu einer Entzündung.

Hilfe per Magnet

Mit Hilfe von Röntgenbildern und Ultraschalluntersuchungen lässt sich feststellen, wo der Fremdkörper sich befindet. Manchmal stecke er in der Milz, in der Leber oder sogar im Herz, erklärt Gerspach. Ist die Entzündung lokal, lässt sich das Tier meistens retten, ansonsten muss es eingeschläfert werden.

Bevor eine Kuh wegen Fremdkörperverdacht ins Tierspital überwiesen wird, hat der Hoftierarzt der Kuh über das Maul einen Magneten eingegeben, um Fremdkörper aus Metall einzufangen. Lässt sich der Fremdkörper an den Magnet binden, lagert er sich im Netzmagen ab, ohne die Verdauung oder das Wohlbefinden der Kuh zu beeinträchtigen. Oft lasse sich auf diese einfache Weise dem Tier helfen, so Gerspach. Auf Höfen, wo öfters Fremdkörper vorkommen, geben die Landwirte den Kühen sogar vorsorglich Magnete ein. Nicht nur Littering, auch hofeigene Gegenstände können den Tieren gefährlich werden.

 

 

Von aussen nicht sichtbar

Doch Magnete helfen nicht gegen Alu, das in Form von Dosen oft auf Weiden und Wiesen landet. Anfangs Mai sorgte der Artikel "Kuh stirbt wegen Dose" in der Pendlerzeitung "20 Minuten" für Aufsehen bei den Landwirten. Eine Kuh musste auf dem Hof eingeschläfert werden, weil sie einen Splitter einer Aludose gefressen hatte, der den Darm aufschlitzte.

Eine ganze Aludose wäre für die Kuh nicht gefährlich, den sie könnte kaum eine ganze Dose verschlucken. Gefährlich sind vor allem die Splitter. Diese entstehen, wenn das Mähwerk die Dose zerschneidet oder die scharfen Messer des Futtermischwagens die Dose "schreddern". Für die Landwirte sind die Büchsen gerade im hohen Gras oft nicht zu sehen.

Von aussen ebenso wenig sichtbar sind die Verletzungen, welche die Splitter in der Kuh verursachen. Die verletzte Kuh gibt weniger Milch , sie frisst weniger - und sie leidet. Die Entzündungen sind schmerzhaft. Sowohl am Tierspital in Zürich als auch in Bern werden selten Fremdkörper auf Grund von Littering gefunden. Die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. "Es gibt viel mehr als man am Tierspital sieht", sagt Tierarzt Gerspach.

"Aludose ist einer der gefährlichsten Littering-Gegenstände"

Nicht jede an einem Fremdkörper erkrankte Kuh kommt ins Tierspital, denn für den Landwirt ist eine solche Untersuchung und Operation mit zusätzlichen Kosten verbunden. Andreas Raemy, Präsident der Fachsektion Wiederkäuergesundheit der Gesellschaft Schweizer Tierärzte (GST), kennt keine konkreten Fälle, in denen Littering die Ursache einer Fremdkörpererkrankung ist.

Die Aludose sieht er trotzdem als eine der gefährlichsten Littering-Gegenstände, da ihre Splitter scharfkantig und klein sind. Aluminium lässt sich auch nicht durch einen Magneten binden, da es nicht magnetisch wirkt. Doch auch Splitter von Plastikteilen z.B. von Pet-Flaschen oder Feuerwerkskörpern sind mögliche Ursachen innerer Verletzungen. Hastig von den Tieren aufgenommene Teile von Plastiksäcken können die Futterpassagen zwischen den Vormägen verstopfen.

Auch, wenn Littering oft nicht als Ursache nachgewiesen werden kann: Die Tierärzte stellen sich hinter die Kampagne der Landwirtschaft für saubere Wiesen.

 

 

Fahrlässige Tierquälerei?

Es stellt sich die Frage, ob Littering gewisser Gegenstände auf Grund des Tierschutzgesetzes bestraft werden kann. Gemäss Artikel 26, Abs. 2 ist eine fahrlässige Tierquälerei mit bis zu 180 Tagesansätzen strafbar. Beim Nachweis der Fahrlässigkeit dürfte es nach Aussagen der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) darauf ankommen, wie gut die Öffentlichkeit über die möglichen Gefahren des Litterings informiert ist. Nur, wenn sich nachweisen lässt, dass die weggeworfene Blechdose der Grund des Tierleids war und die angeklagte Person um die Gefahren wissen musste, liesse sich eventuell eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit geltend machen.

 

 

Schwer fassbare Dunkelziffer

Durch Fremdkörper verletzte Kühe scheinen häufig in Notschlachtanlagen oder in kleinere Schlachthöfe gebracht zu werden. Diese sind oft besser in der Lage, kranke Tiere auszusortieren und separat zu schlachten als grosse Betriebe. Ein Metzger eines kleinen Schlachthofes erzählt, dass er immer wieder scharfkantige Splitter von Aludosen findet. Die Dunkelziffer auf Grund von Littering erkrankter Tiere ist offensichtlich schwer zu eruieren.

Obduktionen sind selten

"Es gibt immer wieder Meldungen von toten Tieren infolge von Littering, aber oft bleibt es beim Verdacht. Eine Obduktion wird eher selten durchgeführt, da der betroffene Bauer selber dafür aufkommen muss", sagt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV).

Gemäss Produktmanagerin Sabine Rüegsegger von der Emmental Versicherung schliesst heute nur noch etwa ein Drittel der bei ihnen versicherten Landwirtschaftsbetriebe eine Tierversicherung ab, welche bei Unfall - dazu gehören auch Verletzungen durch Fremdkörper - die Tierarztkosten und den Schaden in Höhe des Versicherungswerts begleicht. Sind die Betriebe nicht entsprechend versichert, gibt es bei solchen Fällen auch keine Meldung.